Gestern wurden erste Daten aus der neuen KiGGS-Erhebung vorgestellt. KiGGS ist der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts. Die erste Erhebungswelle gab es vor etwa 15 Jahren, jetzt liegen Daten aus drei Wellen vor. Da das RKI auch seine früheren Probanden wieder befragt, liegen für diese Teilstichprobe auch Längsschnittdaten vor. Das sind sehr interessante Daten, weil damit gesundheitliche Veränderungen im Altersverlauf viel besser untersucht werden können als durch sog. Querschnittsuntersuchungen an unterschiedlichen Altersgruppen. Die ersten Ergebnisse können in der aktuellen Ausgabe des Journals of Health Monitoring 1/2018 in übersichtlicher und gut verständlicher Form nachgelesen werden.
Ich will hier nur auf zwei ganz zentrale Befunde hinweisen: Zum einen haben sich viele negative Trends der Vergangenheit nicht fortgesetzt: Was wir beispielsweise bei den Kindern im Einschulungsalter schon länger sahen – dass die Adipositasraten nicht mehr steigen – ist jetzt auch für die anderen Altersgruppen im Kindes- und Jugendalter erkennbar. Auch bei den Allergien gibt es keinen Anstieg, ebenso bei den psychischen Auffälligkeiten, der Konsum zuckerhaltiger Getränke ging deutlich zurück, die Jugendlichen rauchen weniger und es rauchen auch deutlich weniger Mütter während der Schwangerschaft. Etwas gemischte Ergebnisse gibt es beim Bewegungsverhalten, Bewegungsmangel scheint weiter zuzunehmen. Insgesamt aber eine recht gute Bilanz.
Zum anderen sind aber praktisch alle gesundheitlichen Probleme nach wie vor recht unterschiedlich nach sozialer Lage verteilt: je schlechter die soziale Lage, desto mehr gesundheitliche Probleme. Das ist bei Kindern und Jugendlichen besonders bedrückend, sie haben ja keinerlei Anteil daran, in welche Soziallage sie hineingeboren werden.
Vor diesem Hintergrund darf man doppelt irritiert sein von dem leichtfertigen Gerede des neuen Gesundheitsministers Spahn, Hartz IV bedeute nicht Armut und wer Hartz IV beziehe, habe alles, was er zum Leben brauche. So einfach kann man es sich mit dem Thema vermutlich nur machen, wenn man in einer Latte Macchiato-Blase anzugtragender Yuppies lebt.
Nächste Woche findet in Berlin wieder der Kongress Armut und Gesundheit statt, zum 23. mal. „Gemeinsam.Gerecht.Gesund“ lautet das Kongressmotto. Ein Grußwort des Gesundheitsministers ist zwar nicht eingeplant, aber ich bin sicher, seine über die Lebenswirklichkeit der Hartz IV-Empfänger hinwegredenden Sätze werden auf diesem Kongress nicht nur einmal zitiert werden. Da Probleme nicht verschwinden, wenn man die Augen verschließt, sondern schlimmstenfalls als AfD (Alptraum für Deutschland) wiederkehren, wird auch Herr Spahn hoffentlich bei dem Thema noch mehr Engagement entwickeln. Die sozial bedingten Unterschiede der Gesundheit im Kindesalter, die in der KiGGS-Studie einmal mehr aufgezeigt wurden, sollte er auch als ganz persönliche Mahnung verstehen. Noch ist Deutschland nicht das Land, in dem alle gut und gerne leben. Dazu gehört doch etwas mehr als nicht zu verhungern.
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