Dass jedes Mittel, das wirkt, auch Nebenwirkungen hat, ist eine Binsenweisheit in der Medizin. Diese Erfahrung macht nun auch der neue bayerische Ministerpräsident mit seinem Kreuz-Erlass. Die Geschichte hat den Blog hier seit Wochen mit stetem Nachschub aus einer wahren Fettnäpfchentour der Erlass-Verteidiger, eigentlich alles mediale Profis, sowie interessant verwinkelten und manchmal paralogischen Gedankengängen von Kritikern und Verteidigern des Erlasses versorgt.

Auf Gesundheits-Check wurde die Kritik am Erlass vorwiegend aus der verfassungsrechtlichen und staatstheoretischen Perspektive formuliert: Das Kreuz kann nicht als Zeichen für die Werthaltungen des säkularen Staates stehen. Dass der Staat vielfältige Beziehungen zu den Kirchen pflegt und seine Vertreter natürlich auch religiös und kirchlich geprägt sind, steht dem nicht entgegen. Der Staat pflegt auch vielfältige Beziehungen zur Autoindustrie, auch hier nicht immer nur solche, die im Interesse des Volkes sind. Die Autoindustrie hat dieses Land ebenfalls kulturell tief geprägt, bis hin zur konsumistischen Degeneration des Freiheitsbegriffs („freie Fahrt für freie Bürger“), aber niemand käme wohl auf die Idee, deswegen den Daimler-Stern im Eingangsbereich von Behörden als Zeichen der Werthaltungen des Staates aufzuhängen. Oder gerade deswegen nicht.

Kreuz_2

Foto: Joseph Kuhn

Die andere Kritikrichtung ist die aus der religiösen und kirchlichen Perspektive. Auf die “Ökumenische Erklärung” der frommen bis fundamentalistischen Professoren wurde nebenan gestern hingewiesen. Mit mehr Verstand hatte Kardinal Marx den Erlass und die damit verbundene Instrumentalisierung des Kreuzes kritisiert – und sich damit in die Riege der „Religionsfeinde“ eingereiht, wie der CSU-Generalsekretär die Erlass-Kritiker bezeichnete. Heute ist in der Süddeutschen ein Kommentar des stets etwas nach Weihrauch duftenden Matthias Drobinski – mit Kritik am Kreuz-Erlass wiederum aus der eher frommen Ecke:

“Als Schmiermittel des Staates verlöre der Glaube seine beunruhigende, verunsichernde Kraft gegenüber aller Macht und aller Staatsgewalt, für das gerade das Kreuz steht: Der Gefolterte und sozial Vernichtete ist für die Christen der Erlöser der Menschheit. Das Behördenkreuz ist eine Banalisierung dieses Glaubens – wer nicht widerspricht, macht da mit.”

So gesehen, müssten manche echte Religionsfeinde fast schon für den Kreuz-Erlass sein – eben weil er den Glauben banalisiert. Aber im Ernst: Der Hinweis, dass der Gekreuzigte geradezu für die Differenz von Glaube und Staat steht, dass am Kreuz ein Mensch hängt, der der Staatsräson geopfert wurde, ist ein Gedanke, über den es sich nachzudenken lohnt.

Und Drobinskis Kommentar macht einmal mehr deutlich, dass Söders Versuch, vor der Landtagswahl ein Zeichen der bayerischen Identität zu setzen, Bayern spaltet. Identitätsbildung vollzieht sich immer über Grenzziehungen: Was macht meine Identität im Unterschied zu anderen aus – und daraus wird nur allzu schnell die Frage, wer gehört zu uns, wer nicht. Kardinal Marx hatte daher mit seinem frühen Hinweis, der Kreuz-Erlass spalte, völlig Recht. Der Erlass spaltet die Bevölkerung, einschließlich ihrer Staatsdiener. Er spaltet die, die den Staat als Verteidiger einer wie auch immer gearteten Tradition sehen und die, die ihn in der Pflicht sehen, das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen „letzten Wahrheiten“ zu gewährleisten. Und er spaltet innerhalb der Kirche, selbst innerhalb der frommen Gruppen.

Positiv könnte am Ende als Ironie der Geschichte bleiben, dass seit langem nicht mehr öffentlich so intensiv über das Verhältnis Staat-Religion diskutiert wurde wie jetzt. Welche Wirkungen und Nebenwirkung das entfaltet, wird man sehen. Vielleicht sogar in Prozentangaben bei Landtagswahl.

Kommentare (67)

  1. #1 Laie
    2. Juni 2018

    Es gibt Kreuze mit und ohne Jesusfigur drauf. Erstere Gruppe dürfte eher problematisch im Vergleich zur zweiten Gruppe sein.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    2. Juni 2018

    Söder tut doch nur das, was von einem guten König erwartet wird: er bewahrt und beschützt den Glauben. Auch wenn er ihn dafür zerlegen muss. Hauptsache, im Herrgottswinkel kehrt endlich wieder die gottgewollte (also vom ollen Franz Josef selig) Zucht und Ordnung ein, mit einer Partei und ihrem Patriarchen. Und alles Fremde wird weggesperrt, wo man es nicht mehr sehen kann – der letzte Anker der bürgerlichen Beschaulichkeit. Die Franken würde so mancher Krachlederhosenträger zwar auch gerne einsperren, aber seit diese sich ins Zentrum der weissblauen Macht geschlichen haben, muss man sie wohl oder übel ertragen. Immerhin ruft vom Sinwellturm immer noch kein Muezzin, die Rostbratwurst ist weder halal noch koscher und aus der Krippe am Christkindlesmarkt grüsst nicht der herzige kleine Mohammed. Passt scho!

  3. #3 RPGNo1
    2. Juni 2018

    @Laie

    …Kreuze mit und ohne Jesusfigur drauf. Erstere Gruppe dürfte eher problematisch im Vergleich zur zweiten Gruppe sein.

    Wieso? Kreuz ist Kreuz.
    Und was ist, wenn ein Amtsleiter auf die Idee kommt, eine der unzähligen anderen Kreuzvarianten aufzuhängen? Bekommt er dann vom hl. Markus oder hl. Joachim einen auf den Deckel.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuz_(Christentum)#Verschiedene_Formen_des_christlichen_Kreuzes

  4. #4 Joseph Kuhn
    2. Juni 2018

    Updates:

    1. Ob sich Kardinal Marx ab jetzt anhören muss, im Vatikan sehe man den Kreuz-Erlass positiv, zumindest im Staatssekretariat dort und beim emeritierten Papst Benedikt?

    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/soeder-rueckendeckung-fuer-kreuz-erlass-im-vatikan-15618182.html

    2. In der Süddeutschen wird noch folgende Anekdote von Söders Vatikanbesuch erzählt:

    “Schöner hätte sich in der Staatskanzlei niemand ausdenken können, was Monsignore Oliver Lahl gerade zu Markus Söder sagt. In der Vorhalle der wichtigsten Kirche der Christenheit, im Rücken das Standbild Karls des Großen, spricht der Priester über Kaiser Konstantin. Der war von 306 bis 337 römischer Kaiser, er ließ den Vorgängerbau des Petersdoms errichten, er habe die Christen aus der Verfolgung geführt, sagt Lahl. Konstantin machte das Kreuz zu seinem Bannerzeichen. ‘So wie Sie jetzt.’ “

    https://www.sueddeutsche.de/bayern/soeder-besuch-im-vatikan-der-bayerische-kreuzritter-beim-papst-1.3998226

    Ich glaube, damals hatte man noch ein anderes Staatsverständnis als heute. Verfassung gab es auch noch keine. Von “Menschenwürde” keine Rede, selbst das Wort gab es noch nicht. Worauf genau man im Vatikan mit der Anspielung auf Kaiser Konstantin hinaus wollte, ist nicht bekannt. Söder hat, wie es heißt, dem emeritierten Papst Bratwürste mitgebracht und dem amtierenden Papst noch ein Faß Bier versprochen. Ob das künftig als “Södersche Schenkung” in die Geschichte eingeht, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

  5. #5 zimtspinne
    2. Juni 2018

    Findige Kruzifix-Vermarkter kommen sicher bald auf die Idee, auf den Kreuzen für die Amtsstübchen heimliche ketzerische Botschaften zu hinterlassen.
    Da wäre es vielleicht schlau, zeitgleich mit den Kruzifixen sich vor dem Teufel zu schützen. Also entweder Weihwasserbecken aufstellen (kann ja auch als Trinkbrunnen fungieren) oder einmal wöchentlich ein exorzistisches Ritual abhalten, Freitag 13 Uhr oder so.
    Damit am heiligen Sonntag alles jungfräulich rein ist.

  6. #6 stone1
    2. Juni 2018

    Bei dieser Kreuzgeschichte kommt man ja mit dem Facepalmen gar nicht mehr nach:

    verlöre der Glaube seine beunruhigende, verunsichernde Kraft gegenüber aller Macht und aller Staatsgewalt

    Wann hat sich denn in letzter Zeit diese beunruhigende, verunsichernde Kraft des Glaubens gegenüber Macht und Staatsgewalt in jüngerer Vergangenheit in unseren Breiten bemerkbar gemacht? Muss mir entgangen sein, geschweige denn dass dies in einem demokratischen Rechtsstaat überhaupt wünschenswert ist.
    Aber für Söder läufts dann doch irgendwie, ein Kaiser Konstantin-Vergleich, das ist doch Balsam für die Eitelkeit dieses Polit-Pfaus.
    Und jetzt erst mal was Kühlendes auf die Stirn… ; )

    • #7 Joseph Kuhn
      2. Juni 2018

      @ stone1:

      “Wann hat sich denn in letzter Zeit diese beunruhigende, verunsichernde Kraft des Glaubens gegenüber Macht und Staatsgewalt in jüngerer Vergangenheit in unseren Breiten bemerkbar gemacht?”

      Ich würde das Argument, egal was Matthias Drobinski konkret dabei vor Augen hatte, nicht so schnell abtun. Wenn man keine historischen Beispiele wie die Rolle der Kirche in der DDR oder in der Friedensbewegung in der Bundesrepublik bemühen will: Die “Befreiungstheologie” inspiriert auch hierzulande nach wie vor kritische Initiativen wie z.B. die Christliche Initiative Romero, nicht wenige Vertreter der christlichen Sozialethik, z.B. am Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, dürften eine ausgesprochen “beunruhigende und verunsichernde Kraft” gegenüber dem politischen Mainstream ausüben, die Zeitschrift Publik Forum ist nicht gerade unkritisch …

      “Muss mir entgangen sein”

      Vielleicht ist manchmal der Horizont des eigenen Weltbilds nicht der Horizont der Wirklichkeit 😉

      “geschweige denn dass dies in einem demokratischen Rechtsstaat überhaupt wünschenswert ist”

      Das verstehe ich nicht. Weil sonst die eigenen Feind- und Weltbilder durcheinander geraten? Oder weil “Macht und Staatsgewalt” grundsätzlich nicht infrage gestellt werden dürfen? Oder nur mit der richtigen Weltanschauung?

  7. #8 stone1
    2. Juni 2018

    @Joseph Kuhn

    Danke fürs zurechtrücken meiner Wahrnehmung, die nun mal so aussah, dass die katholische Kirche sich üblicherweise mit den jeweils Macht ausübenden arrangiert und in den ihr überlassenen Bereichen selbst Macht ausübt.
    Mein Horizont reicht da in der Tat nicht besonders weit, aber auch hierzulande ist beispielsweise die Caritas eine Mahnerin gegenüber einigen sozialpolitischen Vorhaben und Absichten der Bundesregierung. Als ich die verunsichernde Kraft des Glaubens zitierte hatte ich eher die katholische Kirchenführung im Sinn, bei der ich abgesehen vom aktuellen Papst nicht wirklich ein Infragestellen von Machtverhältnissen sehe. Aber wie gesagt, ich bin da nicht sonderlich firm in der Materie.

    Natürlich darf man Macht und Staatsgewalt infrage stellen, egal von welcher Seite, aber ich denke es geht bei der ganzen Geschichte doch gerade darum, dass religiöse Weltanschauungen eben nicht über dem Rechtsstaat stehen sollen und es deshalb auch nicht angebracht ist, religiöse Symbole in Amtsgebäuden zur Schau zu stellen?

    Da hab ich rückblickend wohl zwei paar Stiefel unzulässig zusammengebunden.

    • #9 Joseph Kuhn
      2. Juni 2018

      @ stone1:

      “dass religiöse Weltanschauungen eben nicht über dem Rechtsstaat stehen sollen und es deshalb auch nicht angebracht ist, religiöse Symbole in Amtsgebäuden zur Schau zu stellen?”

      Der Rechtsstaat ist nicht das Problem. Vermutlich ist auch der Vatikan ein Rechtsstaat. Es geht darum, dass wir einen Staat haben, der sich der Verfassung zufolge nicht auf letzte weltanschauliche Wahrheiten stützt, vielmehr geht bei uns in staatlichen Dingen (!) alle Gewalt vom Volke aus. Daher kann der Staat nicht im Zeichen einer religiösen Weltanschauung stehen.

  8. #10 RainerO
    2. Juni 2018

    @ Joseph Kuhn

    Das verstehe ich nicht…

    Ich verstehe es so, dass es nicht wünschenswert ist, wenn die Kirche/der Glauben in einen Rechtsstaat hineinpfuscht. Passiert zwar defakto, ist mir aber auch nicht Recht.

  9. #11 stone1
    2. Juni 2018

    Abgesehen davon frage ich mich wirklich, ob Söder der Kreuzerlass denn letztlich eher schadet oder nützt, von hier aus sieht es jedenfalls so aus als dominiere er den Vorwahlkampf mit dem Thema völlig. Besonders intensiv verfolge ich das Thema zwar nicht, aber von anderen Parteien als der CSU dringt überhaupt nichts durch. Beim Wahlergebnis wird es sich dann ja herausstellen, bin schon auf die Auswertung der Wahlmotive gespannt.
    Und nebenbei wird das eigentlich viel brisantere Thema Polizeiaufgabengesetz (heißt das so?) auch ziemlich zugedeckt.

  10. #12 Joseph Kuhn
    2. Juni 2018

    @ RainerO:

    “wenn die Kirche/der Glauben in einen Rechtsstaat hineinpfuscht”

    Wo pfuscht sie denn in den Rechtsstaat hinein, d.h. bricht geltendes Recht?

    Kann es sein, dass hier gerade munter säkularer Staat, Demokratie, Rechtsstaat usw. durcheinander geworfen werden?

    @ stone1:

    “als dominiere er den Vorwahlkampf mit dem Thema völlig”

    Ob nur mit dem Thema, sei dahingestellt. Er legt jedenfalls medial ein Tempo vor, bei dem die anderen Parteien im Moment nicht hinterherkommen und bestimmt damit die Schlagzeilen.

  11. #13 RainerO
    2. Juni 2018

    @ Joseph Kuhn

    Kann es sein, dass hier gerade munter säkularer Staat, Demokratie, Rechtsstaat usw. durcheinander geworfen werden?

    Möglich, ich habe wohl auch zu unscharf formuliert.
    Geltendes Recht bricht die Kirche wohl nicht, das wollte ich in #10 auch nicht ausdrücken.
    Ich wünsche mir nur, dass sie die Finger von Staatsgeschäften lässt.

  12. #14 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2018/06/01/kreuzpflicht-in-bayern/
    2. Juni 2018

    @Laie:

    Es gibt Kreuze mit und ohne Jesusfigur drauf. Erstere Gruppe dürfte eher problematisch im Vergleich zur zweiten Gruppe sein.

    Ja, mit Jesus nennt man sie auch Kruzifixe, und sie sind die katholische Spielform des Fetischismus, ohne Corpus Christi evangelisch.

    Wieso ist die erste Variante problematischer? Katholiken sind doch unter den bayerischen Christen die Mehrheit, wenn auch in Franken m.W. die Protestanten überwiegen.

    @JK:

    Wenn man keine historischen Beispiele wie die Rolle der Kirche in der DDR oder in der Friedensbewegung in der Bundesrepublik bemühen will:

    Die Rolle der Kirchen in der Bundesrepublik, bezogen auf die Friedensbewegung, lässt sich mit einem Wort darstellen: Unbedeutend. Geringer als die der DKP. Schon wegen der gleichzeitigen Konflikte um den Paragraphen 218 war das Bedürfnis nach Solidarität auf beiden Seiten äußerst überschaubar.

  13. #15 DH
    2. Juni 2018

    Drobinskis Worte sind in der Tat bemerkenswert, dahinter steckt nichts weniger als ein revolutionäres Verständnis der Figur des Jesus Christus, die eine Vereinnahmung durch staatliche Interessen ausschließt, weil sie das eigene Denken nur über die Dissidenz gegen herrschende Verhältnisse etablieren konnte.
    Die Worte von Lahl hingegen offenbaren, wie man das komplett verhunzen kann.
    Söder ist Konstantin, wow, das ist selbst für vatikanische Verhältnisse schmierig.
    Und falsch obendrein, tatsählich hat (u.a.) Konstantin etwas gemacht, daß seinerzeit eine historische Trendwende war.
    Das mit dem Kreuzerlaß zu vergleichen…sagt auch einiges über Söder selber aus, der sich dieser ekligen Anbiederung offenbar in keinster Weise widersetzt hat.

  14. #16 PDP10
    2. Juni 2018

    Zum Thema:

    Findige Kruzifix-Vermarkter kommen sicher bald auf die Idee, auf den Kreuzen für die Amtsstübchen heimliche ketzerische Botschaften zu hinterlassen.

    (@zimtspinne, #5)

    Der Plaßmann hatte da schon eine:

    https://twitter.com/fr/status/1002579238908846080

    :-).

  15. #17 Joseph Kuhn
    2. Juni 2018

    Andere Länder, andere Sitten:

    In Spanien hat heute der neue Ministerpräsident seinen Amtseid abgelegt. Aus der WAZ:

    “Erstmals in der Geschichte Spaniens verzichtete ein Ministerpräsident bei seiner Vereidigung auf Bibel und Kruzifix und schwor nur auf die Verfassung. König Felipe selbst hatte diese Möglichkeit 2014 eröffnet, um der in der Verfassung verankerten Religionsfreiheit Genüge zu tun.”

  16. #18 Rentier
    2. Juni 2018

    Habt ihr echt keine anderen Probleme als das Kreuz? Immerhin ist das Christentum Teil der europäischen Geschichte und Kultur. Wir haben es längst mit einer anderen, deutlich problematischeren Religion zu tun, um die wir uns kümmern müssen.

  17. #19 Joseph Kuhn
    2. Juni 2018

    Söders Kreuz, Volkes Stimme?

    Focus Online lässt heute noch einmal den Verfassungsrechtler Horst Dreier, der hier im ersten Kreuz-Blog schon erwähnt wurde, zu Wort kommen. Er erläutert die zwei Säulen des säkularen Staates, die Religionsfreiheit der Bürger und die Verpflichtung des Staates zu religiös-weltanschaulicher Neutralität.

    Lesenswert sind die Leserkommentare und die Likes. Viele folgen dem Gedanken, ist mir doch egal, was in der Verfassung steht, Hauptsache wir machen klar, wer hierhergehört und wer nicht:

    „Besser das Kreuz als Halbmond Burka und Niqab“

    „Ein Kreuz ist mir egal. Was mich mehr stört sind Lehrende und Kinder mit Kopftuch in der Schule.“

    „Es müssen einfach Prioritäten gesetzt werden in welcher Kultur wir hier leben.“

    „Die Neutralitätspflicht des Staates spielt hier keine Rolle, da es nicht um das Zeigen einer Gesinnung geht (…) Bis auch der letzte Muselmane verstanden hat, wer hier das Sagen hat.“

    Und so geht das in der Kommentarspalte eine ganze Weile. Da kam offensichtlich als Nebenwirkung eine AfD-Botschaft an. Oder war’s die angestrebte Wirkung – auf des Volkes Stimme bei der Landtagswahl?

  18. #20 Rentier
    3. Juni 2018

    Was hat das mit der AfD zu tun? Die Mehrheit der Deutschen dürfte so denken, das Dumme ist, dass seit langer Zeit niemand von den etablierten Parteien Ernst nimmt, was das Volk denkt und will. Langfristig bedeutet das einen schweren Schaden für die Demokratie.

    • #21 Joseph Kuhn
      3. Juni 2018

      @ Rentier:

      Na, wenn dem, “was das Volk denkt und will”, durch das Aufhängen eines Kreuzes in Behördeneingängen Genüge getan ist, kommt die Politik ja billig davon. Mehr Pflegekräfte, mehr bezahlbare Wohnungen und weniger Billiglöhne wären teurer gewesen.

      A propos “Volk”: Gehören da eigentlich die Deutschtürken, die Ruhrpolen oder die Russlanddeutschen dazu?

  19. #22 PDP10
    3. Juni 2018

    @Rentier:

    Wir haben es längst mit einer anderen, deutlich problematischeren Religion zu tun, um die wir uns kümmern müssen.

    Was?!? Echt!? Das wusste ich nicht!

    Welche ist das?

    Neuheidentum? Paganismus? Schamanismus? Opus-Dei-ismus gar?!?

    Neutrotteligerdeppenrassismus?

  20. #23 PDP10
    3. Juni 2018

    @Rentier:

    Die Mehrheit der Deutschen dürfte so denken, das Dumme ist, dass seit langer Zeit niemand von den etablierten Parteien Ernst nimmt, was das Volk denkt und will.

    Da muss ich dich leider über was informieren:

    Was du denkst, was “das Volk denkt und will” ist nicht das, was das Volk denkt und will. Und schon gar nicht die “Mehrheit”.

    Das denken nur du und die paar anderen frustrierten, von Ressentiments zerfressenen intellektuell dünn laminierten.

  21. #24 Rentier
    3. Juni 2018

    Ja, macht nur weiter so. Lasst euch nur gesagt sein, dass eine Religion keine “Rasse” ist.

  22. #25 Rentier
    3. Juni 2018

    PDP 10

    Du bist natürlich allen intellektuell schwer überlegen. Alles klar 😉

  23. #26 PDP10
    3. Juni 2018

    @Rentier:

    Du bist natürlich allen intellektuell schwer überlegen. Alles klar

    Nein. Ganz sicher nicht. Du bist schließlich nicht “allen”.

  24. #27 Joseph Kuhn
    3. Juni 2018
  25. #28 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2018/06/03/fliegenschiss/
    3. Juni 2018

    @Rentier:
    Die Alternative ist nicht, einen Halbmond aufzuhängen – das hat niemand vorgeschlagen – sondern gar nichts.

    Aber die Freude, anderen mit seinem religiösen Fetisch auf den Wecker zu gehen, die Religion zu nutzen, um andere damit anzupissen, die eint die AfDler und Islamisten, die aus dem gleichen Holz geschnitzt sind.

  26. #29 rolak
    3. Juni 2018

    Andere Stimmen

    Erstaunlich ist die Zählung, Joseph: Vier sollen befragt werden, nachher sinds fünf. Doch vielleicht zählen bei bento Zwillinge ja als zwei Halbe von einem Ganzen – was auch dadurch nahegelegt wird, daß Pia ihre eigene Zwillingsschwester ist.

    das Dumme ist, dass seit langer Zeit niemand von den etablierten Parteien Ernst nimmt

    Bedankenswert, daß der/das Rentier sich der Sorgen von Ernst annimmt – falls es denn zutrifft, daß Ernst mit etablierten Parteien kopulieren möchte.

  27. #30 Basilios
    Starship Operators
    3. Juni 2018

    Rentier
    2. Juni 2018
    @Rentier

    Habt ihr echt keine anderen Probleme als das Kreuz?

    Das musst Du den Herrn Söder fragen. Er hat damit angefangen, obwohl das keiner verlangt hat.
    Kannst Du mir bitte auch erklären, wen genau Du mit “Ihr” und wen genau Du mit “wir” meinst?
    Wer soll das sein?

  28. #31 Spritkopf
    3. Juni 2018

    @Rentier

    Habt ihr echt keine anderen Probleme als das Kreuz?

    Und wenn wir hier schon mit Whataboutism anfangen, könnten wir uns ja auch mit dem braunen Opi von der AfD beschäftigen, der einmal mehr mit dem Versuch auffällt, die Nazizeit als unbedeutende Episode der deutschen Geschichte zu verharmlosen.

    • #32 Joseph Kuhn
      3. Juni 2018

      @ Spritkopf:

      Die Assoziationsleiter etwas weiter hinunter gestiegen: Gerade gehen Meldungen durch die Medien, nach denen im Entwurf des Wahlprogramms der AfD Bayern eine strikte Trennung von Kirche und Staat vorgesehen sei – nur noch der Erhalt von Bauwerken solle unterstützt werden, und dass die AfD wieder ein Staatsbürgerrecht auf Abstammungsbasis haben will. Ob sie trotzdem für das Kreuz in Behörden als Anti-Islam-Emblem ist? Mit solchen Festlegungen wird die AfD in Bayern gerade aufgrund der hier dominierenden “kulturellen Prägungen” vermutlich nicht viel mehr als das angebräunte 10%-Ghetto ausschöpfen. Damit wird man dann allerdings wohl eine Zeitlang leben müssen, selbst wenn die Politik die großen gesellschaftlichen Probleme (prekäre Beschäftigung, Wohnungsnot, Pflege …) ernsthaft angehen sollte.

  29. #33 uwe hauptschueler
    3. Juni 2018

    Es geht darum, dass wir einen
    Staat haben, der sich der Verfassung zufolge
    nicht auf letzte weltanschauliche Wahrheiten
    stützt, vielmehr geht bei uns in staatlichen
    Dingen (!) alle Gewalt vom Volke aus.

    @ Joseph Kuhn
    Das trifft für Bayern zu. Das Bayerische Volk könnte per Volksbegehren Kreuze aus den Amtsstuben wieder entfernen lassen.
    Auf Bundesebene hätte das Volk diese Möglichkeit jedoch nicht.

    • #34 Joseph Kuhn
      3. Juni 2018

      @ uwe hauptschueler:

      “Das trifft für Bayern zu.”

      Dass (dem Verfassungsrecht nach) alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, gilt nach Art. 20 GG natürlich auch auf Bundesebene. Nur übt sie das Volk dort eben nicht über Volksbegehren bzw. Volksentscheide aus. Repräsentative Demokratie bedeutet (dem Verfassungsrecht nach) nicht, dass die Staatsgewalt von den Kirchen, der Autoindustrie oder dem DFB repräsentiert wird. Dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und nicht etwa von Gott, kann übrigens auch das Volk (auf der Basis der Verfassung) nicht ändern, siehe Art. 79 GG.

  30. #35 uwe hauptschueler
    3. Juni 2018

    Artikel 20
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in… Abstimmungen… ausgeübt.

    Zu welchen Abstimmungen sind Sie denn bisher aufgerufen worden?
    Zwingend notwendig wäre z.B.

    Artikel 146 [Geltungsdauer des Grundgesetzes] Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

    • #36 Joseph Kuhn
      3. Juni 2018

      @ uwe hauptschueler:

      Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, worauf sie hinauswollen. Im Blog hier geht es darum, ob der Verfassung nach die Staatsgewalt vom Volke ausgeht oder von Gott. Sie machen nun eine OT-Diskussion auf, ob die Form, in der die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, heutigen demokratischen Ansprüchen genügt oder ob mehr direkte Demokratie nötig ist. Darüber kann man diskutieren und ich bin z.B. nicht gegen mehr direkte Demokratie auch auf Bundesebene. Was Ihnen bei Ihrem Verweis auf Art. 146 durch den Kopf geht, ist mir noch unklarer. Was gefällt Ihnen denn nicht am Grundgesetz, dass Sie es insgesamt abschaffen wollen? Und gefällt Ihnen speziell nicht, dass der Staat weltanschaulich neutral sein soll und Religionsfreiheit besteht? Oder hat Ihr Hinweis gar nichts mit der Kreuzdebatte zu tun und Sie wollten nur mal auf das warme Frühlingswetter hinweisen?

  31. #37 Neo
    3. Juni 2018

    AfD: Gauland, der XXXX, hat wieder was gefunden, um zu provozieren: “Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte”. Das bei 6 Mio. ermordeten Juden und 50 Mio. Kriegsopfern? Dabei ist schon ein Altnazi ein großer Sch …. haufen.

    [Edit: Richtiges, aber justiziables Wort gelöscht. Bitte Vorsicht mit justiziablen Etikettierungen für konkrete Personen aus der AfD, die sind recht einseitig bei ihren Ansichten, was man doch noch sagen darf. Danke, JK]

  32. #38 tomtoo
    3. Juni 2018

    Ja ist wie so ein richtig, fetter Vogelschiss auf dem Essteller, einfach nur zum Würgen. Was er dann ja auch mit Gauland gemeinsam hat.

  33. #39 tomtoo
    3. Juni 2018

    Alois wieder erwarten zurück im Himmel.
    Herr: Ja was machst denn du wieder da?
    Alois: Ah geh der Kreuzerlass so ä schmarn.
    Herr: ?
    Alois: Jetzt vongat die Beamten scho oh zu frohlocken. Und wenn’s so woiter geht saufens die zu Mittag ah no a mona. Do hob i dacht konnst a gleich wieder in de Himmel.

  34. #40 Joseph Kuhn
    3. Juni 2018

    Neue Kreuzzeichen

    Thomas Goppel, bayerischer Landtagsabgeordneter mit gelegentlich eigenwilligen Ansichten darüber, was sich in der Politik gehört und was nicht, schreibt auf TheEuropean:

    “die Würde des Menschen ist unantastbar und ihre Wahrung Staatsaufgabe eins. Das Kreuz ist das Wahrzeichen der daraus abgeleiteten Grundsätze unseres Zusammenlebens. Alle gesellschaftlichen Kräfte haben dieses Signet über Jahrzehnte unwidersprochen anerkannt.”

    Das Kreuz ist das Zeichen des christlichen Glaubens. Aufgeklärte Christen verbinden das mit Demut und Achtung der Menschenwürde, andere Christen nicht unbedingt. Das haben viele Leute schon immer so gesehen.

    “Dass es in unseren Tagen in Frage gestellt wird, gar ‘abgehängt’ werden soll, lässt eine zweite und noch viel einschneidendere Säkularisierung als die erste erwarten.”

    Mir ist weder bekannt, dass der Kreuz-Erlass vorsieht, Kreuze abzuhängen noch dass wie seinerzeit in der Säkularisation unter Maximilian von Montgelas Kirchenbesitz beschlagnahmt werden soll. Das würde ich der CSU dann doch nicht zutrauen.

    “Aus unserer Grundüberzeugung wehren wir uns dagegen, dass über Nacht aus einem bewährten Bekenntnis (…) ein Ausgrenzungssymbol kreiert werden soll”

    Das meint er nicht wie Kardinal Marx als Kritik an Söder.

    “Wer selbst im genannten Sinne glaubt, weiß allerdings auch, dass wir (…) bei aller Offenheit anderem gegenüber die eigene Anschauung von niemandem in Frage stellen lassen.”

    Schade, dann erübrigt sich ja jede Diskussion. Und worin genau besteht jetzt die “Offenheit”?

    “Das mag rotgrüner Regionalprophetie passen …”

    Von Rotgrün habe ich manche falsche Prognose gehört, aber was mag “rotgrüne Regionalprophetie” sein? Dass Aschaffenburg eines Tages doch in Oberfranken liegen wird? Oder eher so etwas wie ein “linksgrünversiffter Wetterbericht” oder ein “nazikommunistischer Schokadenkuchen”? Bei Frau v. Storch wäre jetzt wieder die Maus in Verdacht.

  35. #41 gnaddrig
    3. Juni 2018

    Dass es in unseren Tagen in Frage gestellt wird, gar ‘abgehängt’ werden soll, lässt eine zweite und noch viel einschneidendere Säkularisierung als die erste erwarten.

    Das ist wieder diese merkwürdige Haltung, nach der schon Kritik als Vernichtungswille gesehen wird. Ein Ministerpräsident schreibt vor, in Behörden Kreuze aufzuhängen. Viele quer durch alle Teile der Gesellschaft kritisieren das aus einer Reihe von mindestens diskussionswürdigen Gründen. Und der Goppel kommt jetzt und jammert, man stelle “das Kreuz” in Frage, wolle es abhängen und unkt von einer “noch viel einschneidenderen Säkularisierung”.

    Dabei ignoriert er geflissentlich die Tatsache, dass Deutschland ja schon säkularisiert ist. Wie hier schon mehrfach angeklungen ist, beruft sich die Staatsgewalt auf das Volk, nicht auf irgendeine religiöse Entität als Quelle. Der Staat hat also gar kein Kreuz mehr, das er in Frage stellen oder abhängen könnte. Da fragt sich, wie so eine “noch viel einschneidendere Säkularisierung als die erste” überhaupt aussehen sollte. Das klingt so nach Angst vor Bilderstürmern und Christenverfolgung (wobei gerade in evangelikalen Kreisen schon Kritik an fundamentalistischen Praktiken und Einstellungen als “Verfolgung” gesehen und beklagt wird).

    Anders als Goppel da insinuiert geht es darum, Politik und Religion nicht unzulässig zu vermischen, also das Kreuz gar nicht erst symbolträchtig in Behörden aufzuhängen.

  36. #43 bruno
    3. Juni 2018

    @ Joseph Kuhn: tldr. den artikel schon – die kommentare nicht.

    ich hege tiefste zweifel an der ernsthaften existenz eines “gottessohnes” und überhaupt eines “Yesua ben Yosef” – zumal aus “Nazareth”.
    diese ganze “kreuzdiskussion” führt für mich dazu – die völlig ungeklärte existenz überhaupt erst anzuerkennen!

    das “kreuz” machte doch ohnehin nur sinn, wenn ein “JvN” daran gestorben wäre. was völlig unbelegt ist!

    so gesehen soll söder doch seine “kreuze” aufhängen, wo er will!
    als amtsleiter würde ich das ganze in form eines “andreaskreuzes” umsetzen…. das sollte dann doch sowohl die kirche äh, nicht-kirche, äh, sondern bayern… symbolisieren (andreas war immerhin apostel) als auch dem (ungläubigen) ausländer ausreichend abstand zum christentum ermöglichen….

  37. #44 DH
    3. Juni 2018

    “im Entwurf des Wahlprogramms der AfD Bayern eine strikte Trennung von Kirche und Staat vorgesehen sei ”

    Söder sollte man nicht unterschätzen, was das Blinken nach rechts angeht, da steht er durchaus in der Tradition seiner Heimatstadt.
    Ob er aber mit dem Kreuz die neue Rechte im Sinn hat oder doch eher konservative Kreise?
    Wenn er die neue Rechte meint, wäre das irgendwie schon wieder unterhaltsam- anders als die italienische oder spanische Rechte, die starke traditionelle Verbindungen zur katholischen Kirche haben, sieht sich die deutsche Rechte eher einem teils ziemlich radikalen Antiklerikalismus verbunden.
    Die Nazis waren sogar die schlimmsten aller Krichenfresser, das ist nur nicht so aufgefallen, weil sie die Zerschlagung der Kirchen auf die Zeit nach dem Endsieg verschoben hatten.

  38. #45 DH
    3. Juni 2018

    “Kirchenfresser”, muß es natürlich heißen.

  39. #46 Joseph Kuhn
    4. Juni 2018

    Noch ein Irrlicht:

    Die Partei “DIE LINKE”, die es im Parteienspektrum Bayerns wirklich gibt, homöopathisch dosiert natürlich, hat sich auch zum Kreuz-Erlass zu Wort gemeldet:

    Söder “behaupte das Kreuz sei Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns. Was für eine Blasphemie!”

    Zwei Sätze, zwei Dummheiten. Dass das Kreuz zur geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gehört, dürfte zu den wenigen Dingen gehören, über die man bei dem Thema nicht streiten kann, und warum das festzustellen, eine “Blasphemie” sein soll, erschließt sich vermutlich nur Geistern, die zwar dieser Prägung sichtlich noch unterliegen, aber nicht wissen, wovon sie sprechen. Dass der Kreuz-Erlass als Nebenwirkung die Rechristianisierung der LINKEN zur Folge hat, ist dennoch nicht anzunehmen.

  40. #47 Joseph Kuhn
    4. Juni 2018

    Klare Sicht:

    Der schon in meinem ersten Blogbeitrag zum Kreuz-Erlass erwähnte evangelische Theologie Friedrich Wilhelm Graf hat noch einmal in einem lesenswerten Beitrag auf der Internetseite “Zeitzeichen” Stellung genommen. Er geht dabei auf die Erweiterung Kirchenverfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im Jahr 2017 um Thesen aus der “Barmer Erklärung” 1934 ein, in der die staatliche Vereinnahmung der Kirche zurückgewiesen wurde. Graf fragt sich auch, ob Söder, damals noch Mitglied der Landessynode, dieser Erweiterung wohl zugestimmt hat. Wie bereits in seinem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung kritisiert Graf die ausweichende Positionierung der evangelischen Kirchenleitung zum Kreuz-Erlass.

    Am Ende seines Beitrags formuliert er vier Fragen, über die die Beteiligten des Runden Tisches, den die Staatsregierung zum Kreuz-Erlass angekündigt hat, vorab hoffentlich noch nachdenken:

    “Erstens: Darf der freiheitliche Verfassungsstaat, der sich ob seiner religiös-weltanschaulichen Neutralität mit keiner Religion und Weltanschauung identifizieren darf, in Bayern aus welchen Gründen auch immer die Mehrheitsreligion symbolpolitisch privilegieren? Zweitens: Sehen die Vertreter der christlichen Kirchen nicht, dass Staatskreuze die Exklusion und Diskriminierung von Juden, Muslimen, Agnostikern und sonst wie viel oder wenig Gläubigen symbolisieren? Drittens: Ist das Kreuz für die Kirchen ausschließlich ein religiöses Symbol, oder wollen sie es zulassen, dass alle möglichen anderen gesellschaftlichen Akteure es sich für ihre je partikularen Zwecke zu eigen machen? Viertens: Tut es dem Christentum im Lande gut, wenn sich der Staat seines Zentralsymbols bedient? Oder wird durch inflationäre Aufhängung das Kreuz nur entwertet?”

  41. #48 noch'n Flo
    Schoggiland
    4. Juni 2018

    @ PDP10:

    Was du denkst, was “das Volk denkt und will” ist nicht das, was das Volk denkt und will. Und schon gar nicht die “Mehrheit”.

    Das denken nur du und die paar anderen frustrierten, von Ressentiments zerfressenen intellektuell dünn laminierten.

    Ich befürchte inzwischen, dass das gar nicht so wenige sind, wie Du annimmst. Die Entwicklung der AfD-Stimmanteile in den vergangenen Jahren wollte Anfang des Jahrzehnts auch noch niemand wahrhaben – und da darf man ebenfalls diejenigen, die mit denen zwar im Grundsatz übereinstimmen, sie aber (noch) nicht wegen des lauten Gepolters wählen mögen, nicht ausser Acht lassen.

    Ich hoffe, dass ich mich irre, aber da tickt tief in der Gesellschaft eine ganz üble Zeitbombe.

  42. #49 yeRainbow
    4. Juni 2018

    mir kommt da noch eine ganz andere Frage in den Sinn…

    müßte nicht wegen des Gleichbehandlungsgebotes und des Antidiskriminierungsgebotes da nicht neben dem Kreuz auch diverse andere religiöse Zeichen hängen?

  43. #50 Withold Ch.
    4. Juni 2018

    Je länger man darüber nachdenkt, kommt man einfach zum Schluss, dass dieser Kreuzerlass im Hinblick auf die Wahlen ein gerissener Schachzug zur erfolgreichen Zurückgewinnung der absoluten CSU-Macht darstellt, erstens werden damit die treuen CSU-Anhänger in ihren Erwartungen bedient, zweitens werden die nach rechts abgewanderten AfD-Frustrierten heimgewunken, drittens sind die Kirchen überrumpelt und schon mal für die Rolle als Sündenbock vorgesehen, falls es schiefgeht, und viertens wird allen übrigen klargemacht, dass es mit Zeitalter des Pluralismus, der Toleranz, des aufgeklärten Humanismus, das sich der Westen, Europa nach dem WK II “irrtümlicherweise” so verschwenderisch und nobel geleistet hat, allmählich dem Ende entgegengeht.

    Konkret, in den Amtsstuben werden wohl neben dem Kreuz kein Buddha aus dem Baumarkt aufgestellt, kein Mihrāb eingebaut und an den Türpfosten keine Mesusa angebracht, geschweige denn ein Pentagramm in die Wand eingeritzt.

    Söder ist aber nur ein Konservativer im besten Sinne, sein Ziel ist es nicht, ein “verbessertes”, modernes Bayern zu errichten, sondern dagegen vorzugehen, dass es nicht, wie behauptet, noch mehr “bergab” geht und “schlechter” wird mit dem Freistaat.

    Es würde nicht überrraschen, wenn er, entsprechend der nun eingeschlagenen Taktik, in der heissen Phase des Wahlkampfes allen Menschen, welche die CSU wählen, einen vollkommenen Ablass versprechen würde.

    Was für eine lächerliche Politik unter dem Hergottswinkel, ein letzter verzweifelter Versuch, die alten biochemisch-neuronalen, dh christlich-abendländischen “Algorithmen”, in die “neue Zeit” hinüberzuretten, wo doch die modernen digitalen längst mehr und mehr unser Leben bestimmen …

  44. #51 Joseph Kuhn
    6. Juni 2018

    Kommunikation und Inhalt

    Söder hat in einem öffentlichen Gespräch in Nürnberg von einer “unglücklichen Kommunikation” zum Kreuz-Erlass gesprochen. Das heißt übersetzt: Es fiel auf, dass es keine wirklich gute Begründung für den Erlass gibt. Die wäre glücklich zu kommunizieren gewesen.

    Weiter heißt es in der Pressemitteilung: “Der Erlanger Theologie-Professor Peter Dabrock kritisierte als Überraschungsgast des Gesprächs, dass Markus Söder die Kirchen vorab nicht einbezogen hatte.” Die Kirchen vorab einzubeziehen, hätte die verfassungsrechtliche Problematik des Erlasses aber nicht beseitigt, falls Peter Dabrock das so gemeint haben sollte. Aber vielleicht wollte er auch nur sagen, die Kirchen hätten dann vom Erlass abgeraten.

    • #52 Joseph Kuhn
      6. Juni 2018

      Herr Dabrock hat mir seine Position erläutert, ich hoffe, ich gebe sie halbwegs korrekt wieder: Ein Gespräch vorab mit den Kirchen hätte er angesichts der Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Deutschland kommunikativ richtig gefunden. Eine Bestimmung des Kreuzes von Staats wegen als „kulturelles Symbol“, wie es der Erlass tut, sieht er als problematisch und vereinnahmend an. Aus meiner Sicht zu Recht.

  45. #53 PDP10
    7. Juni 2018

    Das heißt übersetzt: Es fiel auf, dass es keine wirklich gute Begründung für den Erlass gibt. Die wäre glücklich zu kommunizieren gewesen.

    Nee.

    “Unglücklich kommuniziert” heißt immer “wir haben totale Scheisse gebaut, wissen aber jetzt nicht, wie wir das erklären sollen ohne als komplette Idioten da zu stehen”

    Siehe andere Stichworte wie “Volkswagen, Diesel, Gauland, Fliegenschiss” etc.

  46. #54 rolak
    7. Juni 2018

    heißt immer

    Nu macht den PR-Strategen das Leben nicht so schwer. Endlich hatten sie einen Meta-Euphemismus gefunden für Schröders noch zu negativ durchklingendes ‘suboptimal’…

  47. #55 Joseph Kuhn
    7. Juni 2018

    Tadel vom Adel

    Maximilian Joseph Graf von Montgelas gilt als der Schöpfer des modernen Bayern. Von seinem Nachfahren Tassilo Graf von Montgelas war gestern in der Süddeutschen ein Leserbrief zum Kreuz-Erlass:

    “Vor 200 Jahren ist in Bayern ‘Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern vom 26. Mai 1818 nebst Beilagen und Anhängen’ im Gesetzblatt 1818, VII-XVIII (…) in Kraft getreten. Beilage II zur Verfassungsurkunde ist das ‘Edict über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften’. (…) In keinem der 103 Paragrafen des Edikts behält sich der König das Recht vor, seine Souveränität durch Setzung von religiösen Symbolen zu legitimieren. Demgegenüber versetzt sich Ministerpräsident Söder mit seinem ‘Kreuz-Erlass’ in die vorkonstitutionelle Zeit Bayerns. (…)”

  48. #56 Joseph Kuhn
    12. Juni 2018

    Updates:

    1. Ministerpräsident Söder weist den Vorwurf, er habe mit den Kirchen vorher nicht gesprochen, zurück: “Ich habe das Vorhaben mehrfach öffentlich angekündigt”.

    2. Florian Streibl, Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl, Landtagsabgeordneter für die Freien Wähler, kritisiert auf Merkur.de den Kreuz-Erlass aus einer spezifisch oberbayerischen Perspektive: “Der Erlass hätte die Chance geboten, bei Kunsthandwerkern in Oberbayern, sei es nun die Region Berchtesgaden oder das Werdenfelser Land mit Oberammergau, Aufträge zu generieren”. Der Mann hat Ideen. Söder kommt aus Nürnberg, nicht aus Oberammergau.

    3. Nach einer aktuellen Umfrage legt die AfD in Bayern zu, die CSU verliert.

    4. Ob dagegen größere Kreuze helfen, wird noch geprüft. Die Idee, die christliche Prägung Bayerns auch in der Verfassung zu verankern, wird jedenfalls vorerst nicht weiterverfolgt. Vielleicht weil sie dort schon in der Prämbel steht? Oder weil dann die seltsam altertümliche Vorgabe in Art. 131 der bayerischen Verfassung, die Ehrfurcht vor Gott sei oberstes Bildungsziel, in ihrem Widerspruch zur Glaubens- und Gewissensfreiheit in Art. 107 zu diskutieren wäre?

    Fortsetzung folgt gewiss.

  49. #57 DH
    12. Juni 2018

    “wird jedenfalls vorerst nicht weiterverfolgt.”

    Offenbar ist Söder im Moment anderweitig beschäftigt.
    Ein Mann räumt auf.

  50. #58 PDP10
    12. Juni 2018

    Nach einer aktuellen Umfrage legt die AfD in Bayern zu, die CSU verliert.

    Tadaa …

    (Thats short for Tadaadaaadaaaaa!)

  51. #59 rolak
    18. Juni 2018

    Unabhängig von W&NW scheint die södersche Nichtargumentationsweise Schule zu machen…

    • #60 Joseph Kuhn
      18. Juni 2018

      @ rolak:

      Vielleicht waren die alle zusammen in der Sauna?

    • #61 rolak
      19. Juni 2018

      Hmmm, ist das ein Ansatz, das merkwürdige Verhalten zu erklären analog zum althergebrachten ‘als Kind zu heiß gebadet’?

  52. #62 PDP10
    18. Juni 2018
  53. #63 rolak
    23. Juni 2018

    Um sein Gebaren mal auf eine etwas größere Bühne zu stellen: entweder kreuzdämlich oder an der Grenze zum Haßpredigen wortschöpft Söder auf Teufel komm Flüchtling geh raus.

  54. […] vor kurzem hatte der CSU-Generalsekretär Blume Kritiker an Söders Kreuz-Erlass als „Religionsfeinde“ tituliert. Darunter fand sich dann z.B. Kardinal Marx wieder. Bei manchen Parteifunktionären scheint der […]

  55. #66 Spritkopf
    18. Juli 2018

    @RPGNo1
    Zu Marxens Ausspruch “Nationalist sein und katholisch sein, das geht nicht” fällt mir nur ein, dass wahre Schotten keinen Zucker auf ihren Haferbrei streuen.

  56. #67 rolak
    20. Juli 2018

    Der involvierte Drogenberater hat die Gefahr der Kreuztoleranz mehrfach betont – vergeblich: Nach Umfrage-Tief in Bayern: Söder will in Behörden jetzt gleich zwei Kreuze aufhängen.

    Der gewiefte Franke hats geahnt: ‘södern’ ist halt nicht weit von ‘soddern’.