Gestern hat Trump vom Flugzeug aus das ohnehin substanzlose Abschlusskommuniqué des G 6+1-Gipfels platzen lassen. Nachdem der große Bewerter kurz vorher die Beziehungen zu den sechs anderen noch mit Bestnote auszeichnete, kam es dann dick – natürlich per tweet: „Very dishonest & weak“, sei Trudeau, sehr unehrenhaft und schwach. Und: „I have instructed our U.S. Reps not to endorse the Communique as we look at Tariffs on automobiles flooding the U.S. Market!” Bum. Ich, Trump, habe gesprochen.
Was lernen wir daraus: Gut 25 Jahre nach dem Ende des Ostblocks und dem Zusammenbruch der Sowjetunion samt zwischenzeitlichen Blüte des Neoliberalismus ist auch der Nachkriegs-Westen am Ende. Trump setzt sich im Prinzip nur über morsch gewordene Regeln und rituell beschworene, aber nicht gelebte gemeinsame Werte hinweg, weil er schon charakterlich für die Aufrechterhaltung von Fassaden nicht geeignet ist. Er verkörpert aber nur in besonderer Weise den neuen Typus des brachialen, monomanischen Volkstribuns, der zurzeit rund um den Globus immer häufiger auftritt: Putin, Erdogan, Duterte …
Sie bemühen das Nationale („America first“), die Tradition (und daher nicht selten die Religion), das Anti-Elitäre (obgleich selbst abgehobene Elite) und ein exklusiv verstandenes „Volk“ (gegen Minderheiten aller Art). Gemeinsam vereinbarte Regeln empfinden sie nur als Einschränkung ihres voluntaristischen Spielraums. Dagegen sind Autokraten und Diktatoren, die noch dem alten Rechts-Links-Schema anhängen, geradezu unterkomplex gestrickt – und daher berechenbarer und weniger verunsichernd. Auch bei Möchtegerne-Führern wie Gauland weiß man, wofür die Hundekrawatte steht. Aber das Verunsichernde der neuen Volkstribune ist das Zeichen der Zeit.
Wir wissen alle nicht mehr so recht, was unsere gemeinsamen Werte sind und wie sie sich zu denen auf dem Bankkonto verhalten, zum Umgang mit den seit Jahren zu tausenden im Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen, den in den Heimen schlecht gepflegten Alten, den vergessenen Arbeitslosen oder prekär Beschäftigten. Dagegen hilft kein Kreuz in Behördeneingängen. Dagegen hilft nur ein New Deal unseres Miteinanders. Das würde aber viele eingespielte Arrangements, viel Wegsehen beenden, nicht Wenigen auch ungemessene Privilegien kosten, das vertraute Gesicht der Welt verändern. Wollen wir das wirklich? Große Veränderungen machen Angst. Dafür steht Trump.
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