… gibt es eigentlich nicht. Eigentlich. Also dann, wenn es um die Herstellerangaben für ein konkretes Produkt geht, z.B. auf der Verpackung. Da muss es heißen: „Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation“. Vermarktungstechnisch ist das aber ausgesprochen ungünstig. Woher sollen die Leute wissen, was sie in der Apotheke kaufen sollen, falls ihnen z.B. im Urlaubsflieger durch zu viel Tomatensaft nach dem Tequila Sunrise schlecht wird. Da kann Focus Online helfen, natürlich ganz produktneutral:
„Folgende Homöopathika könnten bei Reisekrankheit helfen
• Übelkeit, starkes Schwächegefühl und Schwindel; Sie wollen liegen; Cocculus C30, einmal, bei Bedarf wiederholen
• Ihnen ist „zum Erbrechen übel“, solange Sie fahren; geringes Schwächegefühl und kaum Schwindel; der Appetit ist ungetrübt: Petroleum C30, einmal, bei Bedarf wiederholen
• Vergeblicher Brech- und Würgereiz, Kopfschmerzen über einem Auge oder im Hinterkopf; Sie frieren, verlangen nach Wärme, fühlen sich verkatert und gereizt: Nux vomica C30, einmal, bei Bedarf wiederholen
• Ihnen ist „zum Sterben übel“; Drehschwindel; Sie sind „gelb-grün“ im Gesicht mit kaltem Schweiß auf der Stirn; Sie müssen die Augen geschlossen halten: Tabacum C30, einmal, bei Bedarf wiederholen
(…)Bewährte Homöopathika bei Beschwerden im Flugzeug
• Starke (pochende) Schmerzen in den Ohren sowie Übelkeit und pulsierende Kopfschmerzen beim Starten und Landen: Belladonna C30, einmal, bei Bedarf wiederholen
• Schmerzen in den Ohren, sobald das Flugzeug an Höhe verliert, vor allem bei grünlichem Stockschnupfen: Pulsatilla C30, alle vier Stunden
• Sie sind reisekrank bei Turbulenzen und haben Angst beim Landeanflug (Sinkflug): Borax C30, bei Bedarf einmalJetlag nach Langstreckenflügen
• Allgemein bewährt bei Schlafstörungen durch lange Reisen oder durch Jetlag: Cocculus C30, einmal täglich zwei Tage vor und drei Tage nach der Reise
• Sie fühlen sich übernächtigt und verkatert, haben Kopfschmerzen und sind gereizt; der Schlaf- und Wachrhythmus ist gestört: Nux vomica C30, alle sechs Stunden
• Sie fühlen sich „wie gerädert oder zerschlagen“, können nicht mehr sitzen, „alle Muskeln schmerzen“; auch als Prophylaxe: Arnica C30, alle vier Stunden“
Der Heilpraktiker, der bei Focus Online diese bewährten (n = ?)* Empfehlungen gibt, heißt passend zum Thema Urlaubsreisen „Sommer“, Sven Sommer. Die Empfehlungen für Übelkeit nach dem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt gibt sein Kollege „Winter“. Sehr kundenfreundlich ist, dass Herr Sommer die richtigen Mittel und Darreichungsformen über Focus Online allen leidenden Zuckerfreunden per Ferndiagnose mitteilen kann. Die so oft als besondere Qualität der Homöopathie angepriesene ausführliche, individuelle und – nicht zu vergessen ganzheitliche – Anamnese des Patienten (und seiner weiblichen Form) ist im Urlaubsstress schließlich doch etwas lästig. Sie wird durch konkludentes Lesen von Focus Online ersetzt, auf diese Weise wird die Autonomie des Patienten in seiner individuellen Lebenssituation („Frau Stewardess, mir ist zum Sterben übel“) wirklich ernstgenommen. Das ist moderne Kundenorientierung: Den Patienten da abholen, wo er ist. Das macht die Reisekrankenversicherung übrigens genauso, wenn die Globuli nicht geholfen haben.
Ich finde die Bevorratung von Globuli in der Reiseapotheke ja auch gut. Sie helfen bei Flugreisen immer, wenn man vergessen hat, sich zum Kaffee Zucker geben zu lassen und die Stewardess schon drei Reihen weiter ist, wegen des vernehmlichen, aber „vergeblichen Brech- und Würgereizes“. Bitterer Kaffee ist eine der Hauptursachen für Beschwerden im Flugzeug.
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* Herr Sommer empfiehlt 10 Mittel, alle in D30, mit unterschiedlichen Einnahmezeiten. Die hat er, sie sind ja „bewährt“, aus noch viel mehr anderen Mitteln, Potenzierungen und Einnahmezeiten aufgrund seiner Erfahrung ausgewählt. Jeder Flugmediziner muss ihn um die gigantische Menge an flugreiseerkrankten Patienten (und –innen) beneiden, die dazu nötig waren. Wären, meinte ich.
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