Dass die politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte gehöre, war ein kecker Spruch des AfD-Politiklehrlings Weidel. Gedankenloses Geschwätz, gefundenes Fressen für die Satiresendung extra drei. Derzeit hat man allerdings den Eindruck, die etablierten Parteien seien der Meinung, auch die politische Klugheit gehöre auf diesen Müllhaufen.
Da wird in Chemnitz ein Mensch umgebracht, die näheren Umstände des Verbrechens kennt man nicht. Außer, dass die Täter Ausländer waren. Pegida, AfD & Co. nutzen das erwartungsgemäß für die Mobilisierung ihrer Anhänger, derer mit Ideologie im Kopf, derer ohne was im Kopf und der ominösen „Besorgten“. Es kommt zu einer „Trauerdemo“ in Chemnitz mit rechten Ausschreitungen. Darauf folgen – politisch korrekt – die üblichen Abgrenzungsstatements der Politik (natürlich ohne die AfD, die grenzt sich weder von Hitlergrüßen noch von gezeigten blanken Hintern ab, weil ja political correctness … siehe oben).
So weit, so wie immer. Doch dann äußert sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, ein Beamter, der sich im Amt politisch zu mäßigen hat, im Amt höchstpolitisch. Ein Video, auf dem Ausländer bei einer rechten Demo verfolgt werden, zeige keine „Hetzjagd“ und es gäbe „gute Gründe“ für die Annahme, dass es gefälscht sei und von dem „Mord“, d.h. der oben erwähnten Tötung, über die man noch nichts Näheres weiß, also auch nicht, ob es ein „Mord“ war, ablenken solle. Kurz vorher hatte Merkel den Begriff „Hetzjagd“ verwendet. Was für ein Zufall. Warum macht Maaßen das?
Der gleiche Beamte hat erst vor kurzem Schlagzeilen gemacht, weil er die Existenz eines V-Mannes im Umfeld des Terroristen Amri verheimlicht hat. Er hätte also gut daran getan, den politischen Ball jetzt flach zu halten. Das wollte er nicht. Vom Bundesinnenminister Seehofer hat er Rückendeckung. Angeblich, so Medienmeldungen, habe der ihn sogar ermuntert, mit Vermutungen ohne „gute Gründe“ an die Öffentlichkeit zu gehen. Der damit erweckte Anschein: Seehofer spielt wieder Foul gegen Merkel. Ist das so?
Jetzt formiert sich parteiübergreifend Kritik an Maaßen. Da wird gepoltert, was das Zeug hält. Der Todesfall in Chemnitz ist jetzt wirklich vergessen. Maaßen solle endlich seine guten Gründe auf den Tisch legen. Kevin Kühnert, auch ein Politiklehrling, aber mit mehr Potential als Weidel, fordert, andernfalls müsse Maaßen seinen „Aluhut nehmen“. Sehr witzig, aber ich hoffe, Maaßen ist kein Verschwörungstheoretiker, sondern nur Merkel-Gegner, andernfalls würde ich mir wirklich Sorgen machen. Muss ich mir solche Sorgen machen?
Merkel kann Maaßen nicht entlassen, das müsste Seehofer tun. Der hat aber andere Pläne, falls überhaupt. Die CDU, also Seehofers Schwesterpartei, geht sicherheitshalber auf Distanz zu Maaßen. Die SPD kann den Fall offensichtlich nicht still hinter den Kulissen regeln, die Opposition will verständlicherweise nichts still hinter den Kulissen regeln.
In welchem Akt dieses Schauspiels wohl gesagt wird, was da eigentlich gespielt wird? Soll das etwa Politik sein? Mir wäre daran gelegen, die Politik würde sich endlich darum kümmern, uns Bürgern das Leben einfacher zu machen: Arbeit, Wohnen, Bildung, Pflege! Am besten still, effizient und glaubwürdig. Wer da wem im politischen Porzellanladen die Kanne umschmeißen will, interessiert mich dagegen nicht so sehr. Die „Who done it“-Krimis gehen mir schon im Fernsehen auf die Nerven.
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