Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Im nun zur Lesung im Bundestag anstehenden „Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)“ gibt es einen Passus, der das Thema Versorgungssteuerung anspricht: Der verabschiedete Kabinettsentwurf für § 92 Abs. 6a Sozialgesetzbuch V sieht vor:
„Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien Regelungen für eine gestufte und gesteuerte Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung einschließlich der Anforderungen an die Qualifikation der für die Behandlungssteuerung verantwortlichen Vertragsärzte und psychologischen Psychotherapeuten.“
Von der terminologischen Ungeschicklichkeit der „psychologischen Psychotherapeuten“ einmal abgesehen, die viele berufsrechtlich als „Psychologische Psychotherapeuten“ lesen und sich fragen, ob die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mal wieder vergessen wurden, wird die Gretchenfrage die nach den konkreten Steuerungsmechanismen sein. Wer soll wem welche Fälle zuweisen? Wenn die Patienten erst zum Psychiater müssen, würde das angesichts der oben genannten kleinen Zahl an Psychiatern absehbar eine Flaschenhalsproblematik der besonderen Art produzieren. Außerdem stünde damit das direkte Zugangsrecht der Patienten zu den Psychotherapeuten infrage, diese wiederum wären eine Art Auftragnehmer der Psychiater. Das kann also fachlich und vom Verhältnis der Berufsgruppen zueinander nicht gut gehen. Alternativ könnte man überlegen, wie Kinder- und Hausärzte, bei denen viele Patienten zuerst ankommen, besser als bisher entscheiden, wen sie weiterschicken und wen nicht. Aber werden sie sich dann nicht genau die Patienten zum Verbleib aussuchen, die ihnen aus welchem Grund auch immer angenehmer sind? Oder sollte man von der späteren Versorgung unabhängige Stellen schaffen, die Versorgungsempfehlungen für die spezifischen Angebote aussprechen? Ob das praktikabel ist? Muss dann der Hausarzt, bevor er eine leichte Depression behandelt, erst an diese Stelle verweisen, obwohl die Sache klar ist? Oder ein Psychotherapeut, zu dem ein Patient mit einer Zwangsstörung kommt – Fall eigentlich klar – muss den Patienten erst in diese Abklärungsrunde schicken?
Um die konkrete Ausgestaltung dieser Regelung wird es absehbar Streit geben. Ob es aus der Versorgungsforschung genug evaluierte Modelle gibt, um zu entscheiden? Möge etwas dabei herauskommen, was den Zugang zur Psychotherapie nicht noch mehr erschwert und verkompliziert. Patienten mit psychischen Störungen haben schließlich per definitionem nicht das beste Nervenkostüm.
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