Vor ein paar Tagen hatte ich hier auf Gesundheits-Check eine nicht ganz durchdachte Formulierung in einem Artikel aufgespießt, in dem es um den Konsum nikotinhaltiger Produkte bei Jugendlichen und die Rolle des Probierkonsums für dauerhaften Konsum ging.
Das Thema will ich noch einmal aufgreifen. Wie der erwähnte Artikel und viele andere Studien zeigen, diversifiziert sich seit Längerem der Gebrauch nikotinhaltiger Produkte durch die Einführung von E-Zigaretten, Shishas oder neuerdings Tabakerhitzern wie IQOS von Philip Morris. Die Produkte unterscheiden sich je nach Inhaltsstoffen in ihrem Gefährdungspotential, aber sie scheinen für sich genommen deutlich weniger gesundheitsschädlich als herkömmliche Zigaretten zu sein, wenngleich keinesfalls unschädlich. Die gesunde Zigarette gibt es nicht, höchstens als Schokozigarette bei guter Zahnpflege.
Ob die neuen Produkte Jugendliche auch zum Einstieg in den Konsum herkömmlicher Zigaretten bringen, ist nicht ganz klar, aber es deutet einiges darauf hin. Erst im Frühjahr des Jahres wurde wieder eine Studie mit entsprechendem Befund veröffentlicht:
„Junge Nie-Raucher experimentierten häufiger mit konventionellen Zigaretten, wenn sie zuvor E-Zigaretten konsumiert hatten. Der Einfluss scheint stärker zu sein für Jugendliche, die ein generell niedrigeres Risiko haben, mit dem Rauchen zu beginnen.“
Herkömmliche Zigaretten haben nicht nur die bekannten Gesundheitsrisiken zur Folge – allein in Deutschland schätzungsweise 120.000 vorzeitige Sterbefälle jährlich, sondern auch ein erhebliches Suchtpotential. So einfach kommt man nicht mehr davon los. Wenn die Tabakindustrie suggeriert, man solle zwar Jugendliche davon abhalten, mit dem Rauchen zu beginnen, aber Erwachsene würde ja eine freie Entscheidung treffen, ist das an Heuchelei kaum zu überbieten und die Tabakindustrie weiß das natürlich auch.
Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA will daher den Nikotingehalt der Tabakzigaretten auf ein Niveau begrenzen, das die Suchtbildung erheblich reduziert. Übrig bleiben würde eine Zigarette, die sonst alles hat, einschließlich des Krebsrisikos, aber immerhin ihre Konsumenten nicht mehr über einen Suchtmechanismus daran kettet. Der FDA zufolge würde damit die Zahl der Raucher bis zum Jahr 2060 auf ein verschwindend geringes Maß sinken und es käme bei einer einstufigen Absenkung des Nikotingehalts auch nicht zu einem relevanten Kompensationsverhalten der Raucher.
Die Debatte um diesen Regulierungsansatz dauert nun schon über ein Jahr. Die Industrie ist nicht sonderlich begeistert, sie sieht tabakfreie Nikotinprodukte als zusätzliches Angebot, nicht als Ersatz. Und sie kennt die Chancen, damit Nachwuchs zu ködern.
„Acting Now Is Urgent“ ist ein aktueller Kommentar des Medizinhistorikers Robert Proctor zum FDA-Plan betitelt. Es sei an der Zeit, dafür zu sorgen, dass nicht ausgerechnet die gefährlichste Form des Rauchens weiterhin die mit dem größten Suchtpotential sei. Es sei schließlich kein unverzichtbares Merkmal für eine Zigarette, dass sie Krebs verursacht und süchtig macht. Damit wird sie zumindest nie beworben.
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