Vor ein paar Tagen hat die Ärztezeitung auf eine Studie des IfADo, Leibnizinstitut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, hingewiesen, nach der die Einstellung, man habe unbegrenzte Willenskraft, dabei hilft, mit emotionalem Stress besser umzugehen und Erschöpfung auf der Arbeit und zu Hause zu verringern.
Das klingt erst einmal schräger als es ist. Das IfADo macht viel Grundlagenforschung. In dem Fall ging es, wenn ich die Studie beim Überfliegen richtig verstanden habe, auch darum, einen aus Laborexperimenten schon bekannten Befund auf seine Bewährung im Alltag zu überprüfen. Etwas vereinfacht ausgedrückt ging es wohl darum, ob man sich Willenskraft als völlig entleerbares Reservoir vorstellt oder eher als Fluss, bei dem sie ständig nachfließt und ob das Folgen hat. Das kann man ja mal untersuchen, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit solcher Modelle des Psychischen sei hier dahingestellt. In der großen Familie der Selbstwirksamkeits- und Resilienzkonzepte ist es jedenfalls keine exotische Fragestellung. Außerdem heißt es auch im Alltag oft, dass wir mehr erreichen, wenn wir uns eine Sache auch zutrauen. Mit Merkels Mantra „Wir schaffen das“ ist diese Alltagserfahrung sogar als politischer Mutmacher eingesetzt geworden.
Fraglicher scheint mir, ob die Studie dazu geeignet ist, Empfehlungen für die Motivierung von Beschäftigten abzuleiten. Zur Probandenauswahl heißt es in der Studie:
„Over the course of some years, contact information of service employees who had expressed their willingness to take part in a scientific study were collected (via social networks, personal contacts, and public advertisements). For the purpose of this study, these employees were approached and asked to participate in this diary study.“
Die so gewonnenen Probanden, überwiegend Frauen mittleren Alters aus verschiedenen Berufen, insgesamt 71, bekamen dann über 10 Arbeitstage zweimal täglich per E-Mail einen Fragebogen, nachmittags und abends. Ergebnis: Wer glaubt, über unbegrenzte Willenskraft zu verfügen, war weniger erschöpft. Solche Einstellungen sollten daher gefördert werden, empfehlen die Autor/innen.
Eine Beobachtungsstudie mit selbstselektierten Probanden über kurze Beobachtungszeit. Wer weiß, ob nicht nach 100 Tagen alles ganz anders aussieht und nach 2 Jahren die, die ihre Willenskraft für unbegrenzt hielten, einen Burnout haben? Oder was bei einer nichtselbstselektierten Gruppe herausgekommen wäre, oder gar bei einem RCT? Mich würde ja interessieren, wie ein Studienarm mit Probanden abschneiden würde, die Globuli zur Steigerung der Willenskraft bekommen.
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