Heute berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass sich das Kanzleramt in die Debatte um die Grenzwerte einschaltet. Die Bundesregierung wolle nun eine Klärung durch die Leopoldina (die nationale Wissenschaftsakademie), deren Präsident Hacker bereite eine Arbeitsgruppe vor. Was das für das Vertrauen der Bundesregierung in das Umweltbundesamt und eine geregelte Arbeit der Koalition auf der Grundlage der Ressortzuständigkeiten bedeutet, darüber darf spekuliert werden. Vielleicht muss die Leopoldina bald auch zu Angelegenheiten des Kraftfahrt-Bundesamtes Stellung nehmen?
Der Vorgang hat das Potential, die Situation endgültig zu chaotisieren, denn Erich Wichmann hatte am Sonntag bei Anne Will berichtet, dass die WHO ihre routinemäßige Überprüfung der Richtwerte voraussichtlich im Laufe des Jahres abschließen wird. Vor allem zu den wissenschaftlich ermittelten Richtwerten und weniger zu den daran anknüpfenden politisch verhandelten Grenzwerten wird sich wohl auch die Leopoldina positionieren. Man läuft damit Gefahr, am Ende wie beim Glyphosat, wo IARC und Efsa/BfR mit ihren unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Bewertungen des Krebsrisikos kamen, auch bei den Luftschadstoffen unterschiedliche Bewertungen zwischen wissenschaftlich wirklich ernstzunehmenden Institutionen zu haben. Das wird mutmaßlich nicht die Punkte betreffen, die Dieter Köhler für sein „politisches Wiederaufnahmeverfahren“ (Joachim Müller-Jung am 24.1.2019 in der FAZ) genutzt hat, da dürfte eher Einigkeit bestehen, vermutlich nicht einmal die Einschätzung, ob die geltenden Grenzwerte angemessen sind, sondern irgendwelche andere Punkte, wenn es dumm kommt, mit dann ganz neuer Nahrung für den Interessenstreit.
Bleibt zu hoffen, dass die Leopoldina unter dem enormen politischen Druck und den an sie gerichteten Erwartungen genug Eigengewicht entfalten kann, um halbwegs unabhängig zu werten. Ich bin gespannt, wer in die Arbeitsgruppe berufen wird, da wird das Hauen und Stechen vermutlich schon losgehen. Welche Rolle werden dabei z.B. Gremien wie das WHO-Kooperationszentrum Lufthygiene beim Umweltbundesamt spielen, oder die Kommission Umweltmedizin und Environmental Public Health beim Robert Koch-Institut? Kann man es sich z.B. leisten, Herrn Köhler mangels einschlägiger Kompetenz aus der Arbeitsgruppe herauszuhalten oder muss man ihn, um sich nicht dem Vorwurf der Einseitigkeit in diesem Streit auszusetzen, trotzdem berufen? Was ist mit industrienahen Vertretern wie z.B. dem Mitautor des 2-Seitenpapiers, Prof. Koch? Werden wir auch hier wieder Herrn Greim begegnen?
Und wie geht es danach weiter? Welchen Stellenwert wird die Bewertung der Leopoldina für die WHO oder die Europäische Kommission haben?
Popcorn? Haareraufen? Om?
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