Der Punkt ist nicht ganz unwichtig: Andere Methoden, z.B. die homöopathische Arzneimittelprüfung, könnten durchaus akzeptabel sein – wenn sie denn vernünftigen Einwänden standhalten würden. Ein grundsätzlich anderes Wissenschaftsverständnis zöge das aber noch nicht nach sich. Die Methoden der Psychologie sind – gegenstandsbedingt – auch andere als die der Physik. Die Psychologie beansprucht deswegen aber nicht, auf einem grundsätzlich anderen Wissenschaftsverständnis zu beruhen, das gegen gemeinsame Rationalitätsansprüche durch einen Binnenkonsens geschützt sei. Hinzu kommt, dass die Homöopathieverfechter anders und doch gleich sein wollen, d.h. sie beanspruchen, eine ganz andere Wissenschaft zu betreiben, aber wenn es gelegen kommt, möchten sie doch auf herkömmliche Studien verweisen, die die Wirksamkeit der Homöopathie belegen würden. You cannot have the cake and eat it.
Heute gibt es wissenschaftlich keinen Platz mehr für den Binnenkonsens in der Wirkungsforschung und schon gar keinen Anspruch darauf, eine andere Form der Wissenschaft zu haben, die sich rational nicht ausweisen kann und deren einziges Argument ein radikal skeptizistisches Argument ist: Es könnte doch auch alles ganz anders sein. Wie gesagt, warum dann nicht auch Astrologie?
Die Zukunft: Meinungsfreiheit statt Wissenschaftsfreiheit?
Es hilft dabei auch nicht, voluntaristisch mit dem Begriff „wissenschaftlicher Konsens“ umzugehen und so zu suggerieren, man habe doch das Recht, sich außerhalb dieses Konsenses zu bewegen. Dieses Recht hat man, aber das ist dann Meinungsfreiheit und nicht Wissenschaftsfreiheit. Der Schutz der Wissenschaftsfreiheit schließt nicht ein, dass man ohne gute Gründe einfach alles zu „Wissenschaft“ erklären kann. Die Grenzen sind nicht einfach und nicht eng zu ziehen, aber es gibt sie. Der Bonner Jura-Professor Klaus Gärditz sagt dazu:
„Die Grenzen sind allerdings überschritten, wenn der Ausbildungs- und Achtungsanspruch, der allen Studierenden gleichermaßen zukommt, verletzt wird, zum Beispiel durch Herabsetzung oder Ausgrenzung einzelner Personen oder Gruppen. Etwa der Versuch, Studentinnen mit religiös getragenem Kopftuch herablassend aus dem Hörsaal zu ekeln, verletzt Dienstpflichten. Obgleich wissenschaftstheoretisch voraussetzungsvoll, gibt es immer auch methodisch evident Unvertretbares, das hinter basale Rationalitätserwartungen der Zeit zurückfällt (Beispiele: Wünschelrutengang, Gesundbeten, Kreationismus, Homöopathie, Astrologie). Auch wenn Betroffene subjektiv hieran glauben, wird daraus keine geschützte Wissenschaft.“
In einer freiheitlichen Gesellschaft mag die Homöopathie als skurriles Element der individuellen Lebensführung auch künftig durchgehen, wie der Glaube an die flache Erde, aber der Binnenkonsens hat keine Berechtigung mehr, falls er denn je eine hatte. Das Argument des Wissenschaftspluralismus ist in diesem Zusammenhang junk epistemology, oder in den Worten von Klaus Gärditz: „methodisch evident Unvertretbares“.
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