Durchschnitte und Verteilungen
Deutschland geht es im Durchschnitt gut. Vor allem, wenn man zum Vergleich in manche Regionen Südeuropas schaut, wo die Dritte Welt in der Ersten ist. Ein Besuch in Palermo, jenseits der Touristenecken, ist da beispielsweise ein echter Augenöffner. Wir leben gut und gerne in unserem Land, wie es der Wahlkampfslogan der Union bei der letzten Bundestagswahl propagierte, aber das gilt nicht für alle. Deutschland hat auch seine Palermos, versteckter, vereinzelter, verschämter. Wir haben im westeuropäischen Vergleich einen großen Niedriglohnsektor, wenig Wohneigentum und im Vergleich mit westeuropäischen Nichtkrisen-Ländern eine hohe Einkommens- und Vermögensungleichheit. Ein Resultat: 10 Jahre Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den oberen und unteren Einkommensgruppen.*
Nun kann man argumentieren, das sei eben der Preis für die exportgetragene Wirtschaftsstärke des Landes und besser man habe einen Job mit wenig Geld als gar keinen. Das ist erst einmal nicht von der Hand zu weisen. Aber man sollte aufpassen, dass die sozialen Unterschiede nicht zu groß werden und der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht zu sehr unter Druck kommt. Dafür gibt es zwar soziale Sicherungsnetze, für Rentner die Grundsicherung im Alter, eine Art Sozialhilfe light, aber diese Netze sind manchmal überholungsbedürftig. Alles ändert sich, so ist das Leben.
Die Grundrente
Die SPD hat nun einen Vorschlag für eine sog. „Grundrente“ gemacht. Rentner/innen, die nach 35 Beitragsjahren eine Rente unter 896 Euro brutto haben, sollen einen Zuschlag von bis zu 447 Euro bekommen. Sie hätten dann mehr als die Grundsicherung im Alter, die jedem zusteht, der die Bedürftigkeitskriterien erfüllt. Anders als bei der Grundsicherung soll es nach dem Willen der SPD bei der Grundrente keine Bedürftigkeitsprüfung geben.
Im Prinzip ist natürlich auch die Union dafür, dass Menschen, die lange gearbeitet haben, im Alter nicht am Hungertuch nagen müssen. Aber in dem Fall kann sie ihre instinktive Neigung dagegen, dass die kleinen Leute scheinbar einfach Geld geschenkt bekommen, noch dazu von der SPD, nicht überwinden. Nicht so viel Geld und nur mit Bedürftigkeitsprüfung, damit es nicht so viele bekommen, das wäre ihr lieber.
Ein Argument ist, dass es sonst zu viel kostet. Bisher weiß aber keiner wirklich, was die Grundrente kostet. Der SPD-Sozialminister Heil geht davon aus, dass es ein „mittlerer einstelliger Milliardenbetrag“ sein wird. Das hätte dann VW allein mit seinen Dieselstrafen in den USA – zwischen 25 und 30 Mrd. Dollar – ein paar Jahre bezahlen können. VW hat das recht locker genommen. Da haben sie vor zwei Jahren mehr gejammert, als sie sich an einem 250 Mio.-Mobilitätstöpfchen in Deutschland beteiligen sollten. Wem das zu sehr Äpfel und Birnen ist, dem mag ein rentennäherer Vergleich weiterhelfen: Die „Mütterrente“ Seehofers kostet ca. 3,5 Mrd. Euro jährlich.
Vielleicht sollte man mit dem Kostenargument bei der Grundrente warten, bis gute Berechnungen vorliegen. Mit guten Berechnungen meine ich nicht die Hiobs-Botschaften des „Rentenexperten“ Raffelhüschen, der jede Form der Absicherung der gesetzlichen Rente schlecht redet, weil das seiner Mission, die private Vorsorge durch kapitalgedeckte Zusatzversicherungen als Weg ins Paradies zu bewerben, zuwiderlaufen würde. Er schickt dann vor seinen Berechnungen auch schon mal die Sekretärin nach Hause und kommt von ganz allein auf irrsinnige Summen.
Friede den Hütten, Krieg den Palästen?
Richtig witzig war FDP-Lindner, der ja immer ein Herz für die Bedürftigen hat. Er findet es ungerecht, wenn es keine Bedürftigkeitsprüfung gibt. Im ARD-Morgenmagazin am 5.2.2019 kam es zu folgendem Dialog:
„Frage: Und dieser Fall, der doch immer wieder in der Politik konstruiert wird, da ist also eine Friseuse, die hat den Millionär geheiratet und die kriegt jetzt eine Rente. Das ist doch eigentlich völlig an den Haaren herbeigezogen.
Lindner: Nein, das ist es nicht, solche Fälle gibt es.
Frage: Aber die sind doch eher selten.
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