„Der WHO vertraue ich nicht aufgrund der Diskussion über die krebsfördernden Eigenschaften von Fleisch, die indikationslose Herabsetzung der Blutdruckgrenzen oder des gestern veröffentlichen Berichts über Lautstärkerichtlinien der WHO, der komplett ohne Zahlenmaterial auskommt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich blind auf die Aussagen der WHO verlassen, weil gerade keine anderen Zahlen da waren.“
Hier kommt der Vorwurf mangelnder Vertrauenswürdigkeit der WHO ins Spiel. Dass die WHO manchmal zu viel Rücksichten auf politische Interessen nimmt, kann man schwerlich bestreiten. Aber hat sie es hier getan? Und in welcher Form, wenn doch angeblich der „deutsche Gesetzgeber“ sich blind auf die Aussagen der WHO verlassen habe? Auch dieses Argument würde in die andere Richtung genauso funktionieren: Wie vertrauenswürdig sind Autoindustrie und Verkehrsminister Scheuer? Abgesehen davon ist der deutsche Gesetzgeber hier gar nicht aktiv geworden, die Umweltgrenzwerte sind europäische Grenzwerte. Andere Daten als die der WHO waren übrigens auch da, z.B. von der amerikanischen Umweltbehörde.
„Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, legte die WHO den Grenzwert pro Kubikmeter fest. Wieso wird dann eigentlich auf “pro Kilometer” herum geritten? Das sind doch völlig verschiedene Maßeinheiten.“
Hier werden Grenzwerte für die Emission (was darf ein Auto abgeben) mit denen der Immission (was darf in der Luft sein) verwechselt.
„Es bleibt der Fakt, dass Stickoxide in gewisser Konzentration Atemwege reizen können, aber eben niemanden umbringen. In der Sache hat Köhler nach wie vor Recht und den Finger auf die Wunde gelegt.“
Der Kommentator konstatiert einen „Fakt“ – Stickoxide reizen die Atemwege, und stellt dem eine Behauptung gegenüber – sie bringen niemanden um. Das soll vermutlich eine glaubwürdige Mittelposition nahelegen. Davon abgesehen, dass Behauptungen belegt werden sollten: Was wäre eigentlich, wenn der Kommentator recht hat? Sollte man bei Atemwegsreizungen alleine keinen Grenzwerte festlegen, sondern nur bei Todesfällen?
„Der Kommentar macht leider den gleichen Fehler, den er der von Dr. Köhler vertretenen Aussage von Lungenfachärzten vorwirft: er vermischt unzulässig Daten und Fakten.“
Über diesen Kommentar habe ich lange nachgedacht und ihn trotzdem nicht verstanden. Vielleicht ist es eine Freudsche Fehlleistung und der Kommentator wollte statt „Fakten“ eigentlich „Behauptungen“ sagen, war aber selbst überzeugter von dem SPIEGEL-Artikel, als ihm lieb war?
„Schwer lungenkranke Menschen beginnen bei 400-500 Mikrogramm leichte Reaktionen zu zeigen. Bei gesunden Menschen beginnen erste Reaktionen auf NOx bei 10.000 bis 15.000 mikrogramm. Deshalb ist z.B. in der Schweiz der Grenzwert für Industriearbeitsplätze (es sei erwähnt, dass durchaus 65jährige Asthmatiker in der metallverarbeitenden Industrie oder Autowerkstätten arbeiten) bei irgendwas um 6.000 mikrogramm. In Deutschland sterben angeblich massenweise Menschen weil an vielbefahrenen Hauptstrassen ein Wert von 40 mikrogramm überschritten wird. Das ist derart peinlich dass es da keiner weiteren Worte mehr bedarf.“
Hier ist wieder die Frage danach angesprochen, ob man das Vorsorgeprinzip ernst nimmt und ob auch lungenkranke Menschen (oder Kinder, Asthmatiker, Alte …) Anspruch auf Schutz ihrer Gesundheit haben. Wie schon gesagt, kann man Grenzwerte nicht bei den Schwellen festlegen, bei denen man toxikologisch akute Reaktionen beobachtet.
Des Weiteren kommt das bekannte Argument mit den Arbeitsplatzgrenzwerten, und zwar mit den besonders hohen Werten in der Schweiz, also einem gezielt ausgesuchten Vergleichsland. Meist wird darauf geantwortet, dass es am Arbeitsplatz um die arbeitsmedizinisch überwachte Exposition gesunder Menschen für den Einzelstoff NO2 an 8 Stunden am Tag geht, während Umweltgrenzwerte lebenslang und 24 Stunden am Tag auch Kinder und Kranke schützen sollen und zudem die Indikatorfunktion von NO2 für Stoffgemische nicht außer Acht gelassen werden darf.
Man könnte aber auch einmal fragen, warum die Leute diesen Grenzwert, der doch wie alle Arbeitsplatzgrenzwerte politisch unter Abwägung gesundheitlicher Aspekte und der Kosten für die Unternehmen festgelegt wurde, nicht für viel zu hoch halten? Wessen Interessen vertreten also die Leute, die so argumentieren? Und warum halten sie ausgerechnet diesen Grenzwert für wissenschaftlich belastbar, die Umweltgrenzwerte aber nicht?
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