Der folgende Text ist recht lang geworden. Aber nur Trump hätte es geschafft, das Thema im Umfang eines Tweets abzuhandeln. Und natürlich alle, die in den Kommentarspalten das gleiche Talent zeigen. Die brauchen den Text auch nicht zu lesen und dürfen gleich ihre Meinung dazu sagen.

Risikokompetenz und Interessenkonflikte

Dass Menschen keine interessenfreien Rechenautomaten sind, die Risiken neutral bewerten, ist bekannt. Wer daran Zweifel hat, mag den Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahneman lesen, da geht es vor allem um Urteilsheuristiken und wie sie in die Irre führen können, oder das „Kleine Einmaleins der Skepsis“ von Gerd Gigerenzer. Dass auch die Wissenschaft selbst keine neutrale, quasi übermenschlich interessensfreie Veranstaltung ist, ist ebenfalls klar. Deswegen ist es guter Brauch, in wissenschaftlichen Publikationen, vor allem in den großen Medical Journals, Interessenkonflikte anzugeben. Bei den Wirtschaftswissenschaften oder in der Politikwissenschaft, den Wissenschaften, die primär mit Interessen zu tun haben, vermisst man das manchmal noch.

Aber zurück dazu, wie wir als normale Leute mit Risiken und den Studien dazu umgehen. Wenn unsere Interessen berührt sind, z.B. wenn Rauchverbote oder Fahrverbote drohen, argumentieren wir heute zwar gerne mit Aussagen von Wissenschaftlern oder Daten aus Artikeln, aber wir folgen dabei oft nicht wissenschaftlichen Regularien. Vor allem wird häufig darauf verzichtet, die eigene Argumentation selbstkritisch zu prüfen. Man sucht lieber Bestätigung für die eigene Meinung, weil sie Teil der Lebensführung ist, in die man sich eingerichtet hat und die man nicht so einfach aufgibt.

Dabei gehen Unwissen, Missverständnisse und gewollte Einseitigkeiten manchmal enge Verbindungen ein. Mehr Risikokompetenz, wie es z.B. Gerd Gigerenzer seit Jahren fordert, wäre wünschenswert. Ein paar typische Denkfehler und kränkelnde Argumente will ich im Folgenden anhand von Leserkommentaren zu einem SPIEGEL-Artikel über die Dieselgeschichte veranschaulichen. Bei den Zitaten habe ich die Schreibfehler stehen lassen, die Nicks der Kommentatoren weggelassen, darauf kommt es auch nicht an, man hätte genauso jeden anderen Artikel und die Kommentare dort nehmen können.

Spaziergang durch eine Kommentarspalte im SPIEGEL

„Die WHO hatte keine belastbaren Beweise. Die WHO legte per Pi mal Daumen was fest. Da haben keine Fachleute geprüft.“

Dieses Argument hört man oft. Es ist eine unzulässige Verallgemeinerung der Tatsache, dass epidemiologische Studien keine exakten, nach naturwissenschaftlichen Gesetzen ablaufende Vorhersagen liefern. Daraus macht der Kommentator, es gehe nur um Pi mal Daumen und die WHO-Bewertungen hätten keine Fachleute geprüft. Abgesehen davon, dass Pi mal Daumen besser ist als Nichts, fragt sich, wer „die WHO“ ist, wenn keine Fachleute beteiligt waren. Sitzen in den Arbeitsgruppen der WHO etwa keine Fachleute?

Das „Pi mal Daumen“-Argument könnte man übrigens genauso gut auf Dieter Köhlers seltsame Vergleiche anwenden. Er versucht ja mit grob geschätzten Vergleichen, also Pi mal Daumen, Zweifel an den Studiendaten zu wecken.

„Der Grenzwert von 40 Mikrogramm ist nicht von tausenden Wissenschaftlern ermittelt, sondern von der WHO 1997 geschätzt wurden. Man nahm an, dass eine dauerhafte Exposition in dieser Höhe keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. Genau wie der 200 Mikrogramm Einstundenwert enthalten diese Werte Sicherheitsfaktoren in Höhe von 2.“

Das Argument einer WHO ohne Fachleute kehrt hier wieder. Hinzu kommt eine Verwechslung von politisch festgelegten „Grenzwerten“ und den wissenschaftlichen Empfehlungen der WHO, die bei der Grenzwertfestsetzung berücksichtigt werden, neben anderen Erwägungen wie z.B. der technischen Machbarkeit und den Kosten. Des Weiteren wird das Vorsorgeprinzip nicht verstanden. „Sicherheitsfaktoren“ für Langzeitbelastungen sind unverzichtbar, man kann Grenzwerte ja nicht so festsetzen, dass bei der Überschreitung schon kurzfristig gesundheitliche Folgen zu erwarten sind.

„Der Grenzwert ist nicht wissenschaftlich ermittelt, sondern willkürlich durch epidemiologische Untersuchungen festgelegt worden. Und als Laie und Bürger habe ich bei Gesetzen das Recht, dass sie präzise sind und auf Grund von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu stande kommen.“

Das Argument, die Grenzwerte seien nicht wissenschaftlich ermittelt worden, kommt hier in einer interessanten Variante, weil epidemiologische und wissenschaftliche Untersuchungen als Gegensätze dargestellt werden – so als ob ein Fahrrad kein Fahrzeug sei. Richtig ist, dass die Epidemiologie die Präzision, die der Kommentar – mutmaßlich für die Grenzwerte, nicht so sehr für „Gesetze“ an sich – fordert, meist nicht liefern kann. Aber soll man dann das Bad mit dem Kinde ausschütten und so tun, als wüsste man gar nichts? Das Einfordern unerfüllbarer Erwartungen an die wissenschaftliche Evidenz ist übrigens ein klassisches Element des Denialismus, der Leugnung wissenschaftlicher Evidenz.

„Der WHO vertraue ich nicht aufgrund der Diskussion über die krebsfördernden Eigenschaften von Fleisch, die indikationslose Herabsetzung der Blutdruckgrenzen oder des gestern veröffentlichen Berichts über Lautstärkerichtlinien der WHO, der komplett ohne Zahlenmaterial auskommt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich blind auf die Aussagen der WHO verlassen, weil gerade keine anderen Zahlen da waren.“

Hier kommt der Vorwurf mangelnder Vertrauenswürdigkeit der WHO ins Spiel. Dass die WHO manchmal zu viel Rücksichten auf politische Interessen nimmt, kann man schwerlich bestreiten. Aber hat sie es hier getan? Und in welcher Form, wenn doch angeblich der „deutsche Gesetzgeber“ sich blind auf die Aussagen der WHO verlassen habe? Auch dieses Argument würde in die andere Richtung genauso funktionieren: Wie vertrauenswürdig sind Autoindustrie und Verkehrsminister Scheuer? Abgesehen davon ist der deutsche Gesetzgeber hier gar nicht aktiv geworden, die Umweltgrenzwerte sind europäische Grenzwerte. Andere Daten als die der WHO waren übrigens auch da, z.B. von der amerikanischen Umweltbehörde.

„Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, legte die WHO den Grenzwert pro Kubikmeter fest. Wieso wird dann eigentlich auf “pro Kilometer” herum geritten? Das sind doch völlig verschiedene Maßeinheiten.“

Hier werden Grenzwerte für die Emission (was darf ein Auto abgeben) mit denen der Immission (was darf in der Luft sein) verwechselt.

„Es bleibt der Fakt, dass Stickoxide in gewisser Konzentration Atemwege reizen können, aber eben niemanden umbringen. In der Sache hat Köhler nach wie vor Recht und den Finger auf die Wunde gelegt.“

Der Kommentator konstatiert einen „Fakt“ – Stickoxide reizen die Atemwege, und stellt dem eine Behauptung gegenüber – sie bringen niemanden um. Das soll vermutlich eine glaubwürdige Mittelposition nahelegen. Davon abgesehen, dass Behauptungen belegt werden sollten: Was wäre eigentlich, wenn der Kommentator recht hat? Sollte man bei Atemwegsreizungen alleine keinen Grenzwerte festlegen, sondern nur bei Todesfällen?

„Der Kommentar macht leider den gleichen Fehler, den er der von Dr. Köhler vertretenen Aussage von Lungenfachärzten vorwirft: er vermischt unzulässig Daten und Fakten.“

Über diesen Kommentar habe ich lange nachgedacht und ihn trotzdem nicht verstanden. Vielleicht ist es eine Freudsche Fehlleistung und der Kommentator wollte statt „Fakten“ eigentlich „Behauptungen“ sagen, war aber selbst überzeugter von dem SPIEGEL-Artikel, als ihm lieb war?

„Schwer lungenkranke Menschen beginnen bei 400-500 Mikrogramm leichte Reaktionen zu zeigen. Bei gesunden Menschen beginnen erste Reaktionen auf NOx bei 10.000 bis 15.000 mikrogramm. Deshalb ist z.B. in der Schweiz der Grenzwert für Industriearbeitsplätze (es sei erwähnt, dass durchaus 65jährige Asthmatiker in der metallverarbeitenden Industrie oder Autowerkstätten arbeiten) bei irgendwas um 6.000 mikrogramm. In Deutschland sterben angeblich massenweise Menschen weil an vielbefahrenen Hauptstrassen ein Wert von 40 mikrogramm überschritten wird. Das ist derart peinlich dass es da keiner weiteren Worte mehr bedarf.“

Hier ist wieder die Frage danach angesprochen, ob man das Vorsorgeprinzip ernst nimmt und ob auch lungenkranke Menschen (oder Kinder, Asthmatiker, Alte …) Anspruch auf Schutz ihrer Gesundheit haben. Wie schon gesagt, kann man Grenzwerte nicht bei den Schwellen festlegen, bei denen man toxikologisch akute Reaktionen beobachtet.

Des Weiteren kommt das bekannte Argument mit den Arbeitsplatzgrenzwerten, und zwar mit den besonders hohen Werten in der Schweiz, also einem gezielt ausgesuchten Vergleichsland. Meist wird darauf geantwortet, dass es am Arbeitsplatz um die arbeitsmedizinisch überwachte Exposition gesunder Menschen für den Einzelstoff NO2 an 8 Stunden am Tag geht, während Umweltgrenzwerte lebenslang und 24 Stunden am Tag auch Kinder und Kranke schützen sollen und zudem die Indikatorfunktion von NO2 für Stoffgemische nicht außer Acht gelassen werden darf.

Man könnte aber auch einmal fragen, warum die Leute diesen Grenzwert, der doch wie alle Arbeitsplatzgrenzwerte politisch unter Abwägung gesundheitlicher Aspekte und der Kosten für die Unternehmen festgelegt wurde, nicht für viel zu hoch halten? Wessen Interessen vertreten also die Leute, die so argumentieren? Und warum halten sie ausgerechnet diesen Grenzwert für wissenschaftlich belastbar, die Umweltgrenzwerte aber nicht?

„Ich stehe 10-12 Stunden an meinem Arbeitsplatz bei mehreren hundert mikrogramm Stickoxyden in der Luft, dann fahre ich über die Hauptstrasse nach Hause bei Spitzenwerten von 45-55 mikrogramm Stickoxyden bis ich in meiner Wohnung ankomme wo es überhaupt keine klaren Grenzwerte gibt. In Todesgefahr schwebe ich aber offensichtlich nur an der Hauptstrasse. Es erschliesst sich mir einfach nicht, wie man diese 40 mikrogramm der WHO nicht als totalen Humbug sehen kann.“

Der Kommentar zieht aus dem Argument mit dem Arbeitsplatzgrenzwert eine logisch falsche Schlussfolgerung. Das Mortalitätsrisiko steigt natürlich nicht nur auf der Straße, sondern auch an den belasteten Arbeitsplätzen.

„Allein die Zahl von angeblich 70 000 Studien sagt einem doch schon, dass die Zusammenhänge nicht eindeutig sind. Aus den Statistiken bekomme ich nur Korrelationen und keine Kausalzusammenhänge heraus. Ob jetzt die Anwohner einer Straße häufiger erkranken, weil sie schlechter Luft einatmen oder weil die Wohlhabenderen, die sich eine bessere Gesundheitsfürsorge leisten können, von vornherein nicht dort wohnen, verrät einem keine Statistik. (…) Wenn bei zahllosen Alltagsfällen der NOx-Grenzwert um ein Vielfaches überschritten wird (Kerze: 100 µg/m3; Gasherd: bis 4000 µg/m3), dann kann ein Überschreiten von 40µg/m3 wohl keine echten Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.“

Während die einen monieren, es gäbe keine Studien, wird hier stattdessen die große Zahl der Studien als Argument genutzt. Beides geht offensichtlich. Aber viele Studien mit Ergebnissen in der gleichen Richtung unterstreichen nach den Kriterien von Bradford Hill, dass nicht nur Korrelation, sondern Kausalität vorliegt. Dass Confounder wie der Sozialstatus zu berücksichtigen sind, gehört zum kleinen Einmaleins der Epidemiologie und muss, wenn keine numerische Berücksichtigung möglich ist, zumindest in der Diskussion mitbedacht werden.

Des Weiteren kommt hier das von Dieter Köhler und Mitstreitern stark gemachte Argument mit den Kerzen und Gasherden. Dabei geht es aber um kurzzeitige Spitzenbelastungen, nicht um eine langfristige Durchschnittsbelastung. Wer auf der Autobahn einmal 240 fährt, wird das aller Wahrscheinlichkeit nach auch überleben, wer es oft macht, hat weniger gute Aussichten. Und dass es in anderen Fällen noch schlimmer ist, wäre ohnehin kein gutes Argument.

„Die unwesentlichen Rechenfehler vom Lungenarzt Köhler heben die Hauptargumentation ja nicht auf. Es geht ja hier um die NOx Grenzwert und nicht um das Zigerettenrauchen. 50 als Grenzwert wurde nicht gewählt, weil dann ja keine Fahrverbote zu folgern wären, da kommt 40 den Ideologen schon gelegener. Wieviel Rechenfehler stecken wohl in der Berechnung der angeblichen Tausenden von Stickoxid Toten, die es ja in keiner Statistik gibt.“

Dieser Kommentar verteilt die Anforderungen an die erforderliche Exaktheit ungleich. Nachdem Köhler sowieso keine Studiendaten vorgelegt hat, sondern nur Milchmädchenrechnungen (oder die oben anders verwendete „Pi mal Daumen-Methode“?), gesteht man ihm auch noch zu, dass er Fehler machen darf, ohne dass das seine Argumentation beeinträchtigt, während die – unstrittige – Möglichkeit von Fehlern in den Studien die Evidenz gänzlich unterminiert? Auch das ist eine Form von „motivated reasoning“.

Laien und Wissenschaftler

Rekapituliert man den Verlauf solcher Kommentarschlachten im Internet, so fällt auf, dass es kaum einen Fortschritt in der Herausarbeitung von tragfähigen Argumenten gibt. Zwar beziehen sich viele Kommentaren aufeinander, aber das sind meist nur kurze Schlagabtausche und kurz danach im gleichen Thread oder in einem anderen kommen die gleichen Argumente wieder. Die Dinge drehen sich im Kreis. Es geht mehr um Revierkämpfe als darum, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Dinge vernünftig zu lösen sind. Das ist bei Themen wie Impfen, Homöopathie, Glyphosat oder Nichtraucherschutz nicht viel anders.

Und die Wissenschaft? Sie kann in manchen Fällen auch im Sumpf der Interessenkonflikte versinken. Lobbyisten haben das regelrecht als Strategie entwickelt. Das berühmteste Beispiel ist wohl die Tabakindustrie, die das in einem Strategiepapier explizit formuliert hatte:

„Doubt is our product since it is the best means of competing with the ‚body of fact‘ that exists in the mind of the general public. It is also the means of establishing a controversy.“

In anderen Konfliktfeldern, in denen Public Relations-Experten unterwegs sind, läuft es nicht anders. Frank Luntz, Berater des früheren US-Präsidenten Bush, hat in Sachen Klimawandel beispielsweise ganz analog argumentiert:

„Voters believe that there is no consensus about global warming within the scientific community. Should the public come to believe that the scientific issues are settled, their views about global warming will change accordingly. … Therefore, you need to continue to make the lack of scientific certainty a primary issue in the debate.”

Diese Strategien zielen nicht auf die Wissenschaft, sie zielen auf die öffentliche Diskussion. Dabei sind geeignete Wissenschaftler unverzichtbar. Das müssen nicht gekaufte Mietmäuler sein. Auf solche Mietmäuler war die Tabakindustrie angewiesen, weil beim Rauchen die wissenschaftliche Evidenz derart überwältigend war, dass sich kaum jemand ohne Bezahlung an der Produktion von Zweifeln beteiligen wollte. In der Folge standen nicht wenige Vertreter auch der deutschen Epidemiologie, Lungenheilkunde und Arbeitsmedizin auf der Paylist der Tabakindustrie.

In anderen Fällen ist das nicht nötig, es reicht, überzeugten Zweiflern zu ausreichend Öffentlichkeit zu verhelfen. Vermutlich ist in der Dieseldebatte Dieter Köhler so ein Fall. Solche Instrumentalisierungen sind tückisch, weil natürlich auch dann, wenn Wissenschaftler ein klar erkennbares Interesse verfolgen, manche ihrer Argumente diskussionswürdig sein können. Damit meine ich jetzt nicht Dieter Köhler, aber z.B. Peter Morfeld und seine Methodenkritik an der Berechnung attributabler Sterbefälle. Eine zu unbedachte Argumentation mit vorzeitigen Sterbefällen und statistischen Toten hilft ja in der Tat nicht weiter. Aber was folgt daraus für die Debatte insgesamt? Wird dann die ganze Evidenz zu „Pi mal Daumen“ oder sollten wir gar so tun, als wüssten wir nichts? Freie Fahrt für die Industrie?

Eingangs hatte ich Gerd Gigerenzer und sein Bemühen um mehr Risikokompetenz angesprochen. Er ist einer der drei Autoren der „Unstatistik des Monats“. Dort ist gerade erneut das Dieselthema unter Bezug auf den im „Gesundheitswesen“ erschienen Artikel von Peter Morfeld aufgegriffen worden. Die Chance, daraus einen Zugewinn an Risikokompetenz zu machen, darüber nachzudenken, was Morfelds Kritik für die Evidenzlage konkret bedeutet, haben die Autoren aber versäumt. Übrig bleibt die Produktion von Zweifeln. Ihre Aversion gegen Regulation im Umweltbereich war wohl zu stark. Auch Wissenschaftler sind eben nur Menschen.

Kommentare (58)

  1. #1 Alisier
    17. Februar 2019

    Ok, ich lese es nicht, aber danke für den Text.
    Richtig schön lang, immer wieder gerne.
    Sternchen.

  2. #2 Alisier
    17. Februar 2019

    “Mietmäuler” ist ein schöner Ausdruck.
    Und wie wir mit der inflationären Produktion von Zweifel umgehen sollen, weiß wahrscheinlich noch keiner so richtig.
    Eine richtig gute, effektive Taktik gegenüber den Fakenews und Zweifeln Produzierenden wäre gut.
    Immerhin zeigst du wie man sauber argumentiert.
    Und das ist schon was.

    • #3 Joseph Kuhn
      17. Februar 2019

      @ Alisier:

      ““Mietmäuler” ist ein schöner Ausdruck.”

      Der ist aber nicht von mir, ist vor allem im Pharmabereich gängiger Jargon.

  3. #4 Ludger
    17. Februar 2019

    Die Wissenschaft tut, was sie kann. Aber sind die politischen Reaktionen auf die Ergebnisse angemessen? Ich habe da so meine Zweifel. Im obigen Text fiel mir ein Satz besonders auf:( bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen den Straßenluftgrenzwerten und den maximal zulässigen Arbeitsplatzkonzentrationen )

    Dabei geht es aber um kurzzeitige Spitzenbelastungen, nicht um eine langfristige Durchschnittsbelastung.

    Durchschnittsbelastungen der Luft oder der Leute? Kein Mensch hält sich an einer solchen belasteten Kreuzung länger auf und im benachbarten Wohnzimmer gibt es diese Messwertüberschreitungen nicht. Wenn man die Luft insgesamt besser haben will, braucht es sowieso andere Maßnahmen als ein Dieselfahrverbot: Citymaut und mit dem Geld Fahrradwege mit Vorfahrtberechtigung.
    Interessenkonflikt: keiner
    (Wir haben einen Benziner als Familienauto, ca 10.000 km/Jahr, gehört meiner Frau, ich erreiche alle wichtigen Stellen zu Fuß, bin Rentner und wohne in einer Kleinstadt)

    • #5 Joseph Kuhn
      17. Februar 2019

      @ Ludger:

      “Aber sind die politischen Reaktionen auf die Ergebnisse angemessen? Ich habe da so meine Zweifel.”

      Da bin ich bei Ihnen. Man hätte z.B. viel früher den ÖPNV ausbauen müssen.

      “Dabei geht es aber um kurzzeitige Spitzenbelastungen, nicht um eine langfristige Durchschnittsbelastung.”

      Der Satz bezog sich nicht auf die Diskrepanz zwischen Umwelt- und Arbeitsplatzgrenzwerten, sondern auf die Belastungen durch Kerzen und Gasherde.

  4. #6 Alisier
    17. Februar 2019

    Ich plädiere für gezieltes Zweifel säen in die andere Richtung. Eine gezielte Desinformationskampagne gegen Trump auf Basis von Fakenews der anderen Art hat z.B. noch keiner gewagt.
    Fakten und Fairness funktionieren nicht. Also wird genauso drauf losgelogen. Irgendwas wird schon hängen bleiben……
    Ganz so ernst meine ich es nicht, aber die klassischen Reaktionen fruchten nun mal kaum.

  5. #7 Joseph Kuhn
    17. Februar 2019

    Zum Kotzen:

    Köhler ist mutmaßlich kein Mietmaul, aber, man gestatte mir mal den harten Ausdruck, eine Dreckschleuder. Er hat sein Papier nach den taz-Vorwürfen revidiert und heute erneut online gestellt: https://www.lungenaerzte-im-netz.de/fileadmin/pdf/Stellungnahme__NOx_und__Feinstaub.pdf

    Darin ist immer noch der Satz: “Eine genauere Analyse der Daten zeigt, dass diese extrem einseitig interpretiert wurden, immer mit der Zielvorstellung, dass Feinstaub und NOx schädlich sein müssen.”

    Die “genauere Analyse” der Daten gibt es nicht und mit dem Satz, die Daten seien “extrem einseitig” interpretiert worden, “immer mit der Zielvorstellung”, Abgase müssten schädlich sein, wiederholt er seinen Vorwurf, die gesamte Wissenschaft dazu sei korrupt. Eine Ungeheurlichkeit, ich verstehe nicht, dass die Lungenärzte diesem Pamphlet zum zweiten Mal Öffentlichkeit verschaffen.

  6. #8 rolak
    17. Februar 2019

    ‘Mietmaul’ ist ja schon ganz oben von Alisier angemessen belobigt worden, woher auch immer es stammen mag. Bei dem imho mindestens so schönen Konstrukt ‘Mietmal‘ dürfte die Quelle klar sein :•)
    Jetzt hat er aber sicherheitshalber für geschlagene drei Sekretärinnen Co-Autoren gesorgt.

    Schönen Dank für die Dreckschleuder, weckt Erinnerungen

    • #9 Joseph Kuhn
      17. Februar 2019

      @ rolak:

      Ätsch, schon korrigiert. Ohne Sekretärin!

    • #10 rolak
      17. Februar 2019

      Schade.
      Also das mit dem ‘korrigiert’.
      Allein diese Bilderwelten: Denkmal, wes Brot ich eß, heute hier-morgen dort, ‘some of them want to be abused’, hier die Preisliste, … Zu&zu schön.

  7. #11 uwe hauptschueler
    17. Februar 2019

    Die WHO hat Empfehlungen zu NOX Grenzwerten abgeben. Ob die Abteilung der WHO, die diese Empfehlungen abgeben hat genau so seriös ist wie die, die entschieden hat TCM als Heilmethode anzuerkennen, wer will das feststellen?
    vgl.https://scienceblogs.de/bloodnacid/2018/10/12/die-who-erkennt-tcm-an-ein-gefaehrlicher-widerspruch/

  8. #12 ralph
    17. Februar 2019

    Heute mal kein Widerspruch. (“It gscholta isch gnuag globt” sagt der Schwabe von der Alb).
    Es stellt sich dem Normalo aber immer auch die Frage der effizienten Mittelverwendung im grösseren Kontext. Mit welchem Aufwand (in Euro und sinnvoll eingesetzter bzw. nicht fahrlässig verkürzter Lebenszeit der Bürger) lässt sich denn nachhaltig am meisten für Alle erreichen? Das lässt sich natürlich nicht berechnen, es ist eher so ein Bauchgefühl*, welches sich dann, mangels Reflexion durchaus auch in pseudo logischen, wissenschaftlich nicht haltbaren Kommentaren artikuliert, aber dennoch bezüglich eines übergeordnete Kontextes berechtigt sein kann.
    *Bauchgfühl, im Sinne Gigerenzers.

    Ludger hat oben ein paar einleuchtend sinnvolle Massnahmen erwähnt. Ich halte das von der SPD lancierte Recht auf Heimarbeitsplätzt an einigen Wochentagen für sehr gut und überfällig. Ich schätze ein Grossteil des Pendlerverkehrs ist längst überflüssig.

    • #13 Joseph Kuhn
      18. Februar 2019

      @ ralph:

      “Bauchgefühl … auch in pseudo logischen, wissenschaftlich nicht haltbaren Kommentaren artikuliert … bezüglich eines übergeordnete Kontextes berechtigt sein kann.”

      Das Bauchgefühl, dass z.B. kleinräumige Fahrverbote zweifelhafte Maßnahmen sind, teile ich. Aber kann man so diskutieren, dass man den Kommentatoren irgendein berechtigtes Bauchgefühl hinter ihrem expliziten Unsinn zugesteht, diese aber darauf bestehen, dass genau das stimmt, was sie konkret sagen? Die Methode, “ich sage Dir, was Du wirklich sagen wolltest”, funktioniert meist nicht so gut.

      Ich gestehe z.B. auch Homöopathen gerne das falsch artikulierte “Bauchgefühl” zu, dass eine sanfte Medizin wünschenswert ist, oder Rauchern, dass der Staat die Menschen nicht auf Schritt und Tritt gängeln soll. Aber was tun, wenn sie trotzdem darauf beharren, dass Globuli wirken und man damit auch Krebs behandeln kann, oder Tabakrauch nicht weiter gefährlich ist und man deswegen auch Kinder zurauchen darf?

  9. #14 Joseph Kuhn
    17. Februar 2019

    Die Risikokompetenz eines Ministerpräsidenten:

    Der VW-Aufsichtrat Weil, manchmal gefühlt wohl nur im Nebenberuf Ministerpräsident von Niedersachsen, sagt heute im Tagesspiegel :

    “Ich habe noch keine überzeugende Antwort gehört, warum nach den Regeln der Arbeitssicherheit ein Mensch am Arbeitsplatz 950 Mikrogramm Stickoxid ausgesetzt sein darf, im Straßenverkehr im Jahresmittel aber nur 40 Mikrogramm. Am Arbeitsplatz verbringen Menschen viel Lebenszeit, auf derselben Straße sind nur wenige ständig unterwegs.”

    Ob das ehrliche Dummheit ist oder bewusste Produktion von Zweifeln, ich weiß es nicht. Bei der SPD weiß man ja nie. Aber man sieht, so richtig kennt sich die SPD mit Arbeitern und Arbeitsschutzvorschriften nicht mehr aus. Wenn das mit “derselben Straße” jemand versteht, bin ich für eine Erläuterung dankbar.

    Eine conflict of interest declaration gibt es von Weil übrigens auch: “Ich sehe keinen Interessenkonflikt”.

  10. #15 Laie
    17. Februar 2019

    @Alisier #6
    Ihre Idee ist wirklich genial, damit verpassen sie der objektiven Wissenschaft den Stempel der Unglaubwürdigkeit, ohne irgendwas Sinn Volles erreicht zu haben.

  11. #16 Joseph Kuhn
    18. Februar 2019

    Update:

    Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) hat zur Debatte Stellung genommen, die Ärztezeitung fasst gut zusammen. Dabei werden die meisten oben genannten Aspekte kurz und bündig angesprochen. Der letzte Punkt der Stellungnahme betrifft die mediale Dynamik: Die klassischen Reaktionsmuster der Wissenschaft seien ” vollkommen ins Hintertreffen geraten” und man müsse über Alternativen nachdenken.

  12. #17 libertador
    18. Februar 2019

    “Am Arbeitsplatz verbringen Menschen viel Lebenszeit, auf derselben Straße sind nur wenige ständig unterwegs.”

    Wenn die Grenzwerte an einer Straße überschritten werden, ist es unwahrscheinlich, dass jemand ständig genau auf dieser Straße ist. Es sei dann nicht so schlimm, wenn der Grenzwert auf einer Straße überschritten wären, weil man sich auf der einzelnen Straße nur kurz aufhalte.

  13. #18 shader
    18. Februar 2019

    Danke für die Fleißarbeit von Herrn Kuhn. Und erschreckend, was da Herr Weil von sich gibt.

    Eines darf man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen. Die 40 µg hat die EU als Grenzwert festgelegt und der deutsche Gesetzgeber hat das so übernommen. Wer einen höheren Grenzwert haben will, der muss die politische Mehrheit dafür finden. Letztendlich ist es eine politische Frage, welchen Grenzwert man nun bindend nimmt.

    @libertador: “Wenn die Grenzwerte an einer Straße überschritten werden, ist es unwahrscheinlich, dass jemand ständig genau auf dieser Straße ist. Es sei dann nicht so schlimm, wenn der Grenzwert auf einer Straße überschritten wären, weil man sich auf der einzelnen Straße nur kurz aufhalte.”

    Nicht wenn man an dieser Straße wohnt.

  14. #19 Ludger
    18. Februar 2019

    Bei der verlinkten Stellungnahme der “weiteren Lungenforscher” aus der ÄrzteZeitung fällt mir der 4. Satz auf:

    4. Es gebe keine Methode, die es einem Arzt ermögliche, an einem lungenerkrankten Patienten festzustellen, inwieweit Komponenten der Luftverschmutzung zu der Erkrankung beigetragen haben.

    M.a.W.: Die Epidemiologen werten Sterbehäufigkeiten nur nach der Anzahl und nicht nach der Todesursache aus. Und woher wissen sie, dass die Todesfälle durch Stickoxid und Feinstaub hervorgerufen wurden und nicht z.B. durch Herzinfarkt infolge Straßenlärm oder Suizid wegen Trostlosigkeit? Oder kann man diese Ursachen ebenfalls mit Stickstoffdioxidwerten als Surrogatparameter abdecken?

  15. #20 shader
    18. Februar 2019

    @Ludger, denselben Vorwurf könnte man auch beim Rauchen machen und behaupten, Epidemiologen können die Sterbehäufigkeiten nicht nach ihren Ursachen aufsplitten. Denn Lungenkrebs oder COPD können selbst bei einem Raucher durch andere Ursachen entstanden sein. Also wenn man die Methodik Epidemiologie anzweifelt, dann müsste man genauso die Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Rauchens anzweifeln.

  16. #21 Ludger
    18. Februar 2019

    @ shader

    […] dann müsste man genauso die Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Rauchens anzweifeln.

    Nein, müsste man nicht. Die Folgen des Tabakrauchs sind umschriebene Krankheitsbilder, die sich im Tierversuch reproduzieren lassen. Die Stärke der Exposition lässt sich durch die Angabe der Schachteln / Tag und der Expositionsdauer genau quantifizieren. Bei der NO2-Belstung gibt es statistische Vergleiche zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Epidemiologisch gehts nicht besser. Die epidemiologischen Ergebnisse reichen sicher auch aus, um deutlich für eine Luftverbesserung in Städten zu sorgen, haben aber nicht die Beweiskraft wie beim Tabakrauch. Sind Dieselfahrverbote die angemessene politische Entscheidung? Man misst Stickoxide und schließt auf die Feinstaubbelastung; Dieselfahrzeuge haben aber Filter! Ein langfristiger Plan (z.B. über die Jahre langsam zunehmende Citymaut für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und Fahrradschnellstraßen mit Vorrang vor dem Autoverkehr ) wäre mir lieber.

  17. #23 shader
    18. Februar 2019

    @Ludger: “Die Folgen des Tabakrauchs sind umschriebene Krankheitsbilder, die sich im Tierversuch reproduzieren lassen.”

    Das trifft auch für NO2 zu. Siehe “4.1 Kausalitätsbetrachtungen” unter https://vm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/PM_Anhang/Luftreinhaltung_Wichmann_2018_Risiken_Stickstoffdioxid_Expertise.pdf

    “Sind Dieselfahrverbote die angemessene politische Entscheidung?”

    Darüber kann man tatsächlich diskutieren. Letztlich ist es ja eigentlich egal, wie die Kommunen die Senkung der NOx-Werte hinbekommen. Aber viele Städte haben es mit anderen Methoden nicht ausreichend hinbekommen.

    Im übrigen wird häufig Stickoxide mit dem Thema Feinstaub vermischt. Es gibt in Deutschland nur eine Stadt, die immer wieder die Grenzwerte überschreitet und das ist Stuttgart. Und da gibt es keine Fahrverbote deswegen, sondern nur eine Empfehlung, auf das Auto zu verzichten.

  18. #24 Joseph Kuhn
    19. Februar 2019

    Was haben wir damals gelacht …

    … als Alice Weidel (was ist eigentlich aus der geworden, man hört gar nichts mehr von ihr?) am 22. August 2017 in einer Pressemitteilung bekannt gab:

    „Diese Stickoxid-Grenzwerte im Freien sind inzwischen auf einen unrealistisch niedrigen Wert herabgesetzt worden. 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft sind an vielbefahrenen Verkehrskreuzungen zulässig. Am Arbeitsplatz gilt ein Grenzwert von 950 Mikrogramm. Diese Diskrepanz zeigt, wie absurd die aktuelle Dieselpanik ist.”

    Nun zeigt das zwar eher, wie dumm man daherreden kann, oder wie verlogen, aber gut, ist halt AfD. Doch dann erzählt, als ob der Quatsch zwischenzeitlich nicht hundertmal richtig gestellt worden wäre, der SPD-Ministerpräsident Weil am Sonntag den gleichen Mist (siehe Kommentar #14). Da könnte einem natürlich langsam das Lachen vergehen, aber die Laune sollte man sich von den Leuten nicht auch noch verderben lassen. Auch wenn die Leute bis Trumps Kabarettreife noch etwas üben müssen.

  19. #25 Stephan
    19. Februar 2019

    #24
    Ich hoffe nicht, daß “der Quatsch” “zwischenzeitlich” richtiggestellt (richtig gestellt wurde er mit Sicherheit nicht) wurde, das wäre ja Komplettunsinn.
    Inwiefern ist denn inzwischen die Sache mit den 40mg/m3 und der MAK von 950 mg/m3 richtiggestellt worden? Mir ist (noch) nichts bekannt.

  20. #26 Joseph Kuhn
    19. Februar 2019

    @ Stephan:

    “Mir ist (noch) nichts bekannt.”

    Soll das Ironie sein, weil Sie “richtigstellen” oder “richtig stellen” eigenwillig so verstehen, als ob die Werte richtiggestellt oder richtig gestellt worden seien?

    Oder fragen Sie ernsthaft nach dem Unterschied zwischen den zwei Werten? Dann müsste ich darauf hinweisen, dass googeln zu den heutigen Kulturtechniken gehört. Dass ich nicht erwarte, den langen Blogbeitrag zu lesen (der den Punkt explizit anspricht), hatte ich ja eingangs schon gesagt.

  21. #27 Ludger
    19. Februar 2019

    @shader
    Danke für den Link
    Expertise von Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. H.-Erich Wichmann Direktor d. Instituts für Epidemiologie i.R. Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt und o. Professor für Epidemiologie i.R., Ludwig Maximilians Universität, München
    Daraus als Zusammenfassung von Seite 19:

    Die Abschätzungen der EEA zum Feinstaub sind als gerechtfertigt anzusehen und entsprechen dem Wissensstand. Die Abschätzungen zum NO2 hingegen sind am ehesten als Hinweis auf negative gesundheitliche Wirkungen des Gemischs verkehrsabhängiger Schadstoffe zu bewerten, für das NO2 als Indikator angesehen werden kann, nicht aber als realistische Abschätzungen für Auswirkungen von NO2als Gas.

    Weiter oben im Text stand, dass Feinstaub von Dieselfiltern effektiv abgefangen wird.
    Und auf Seite 16:

    Insbesondere sind keine ausreichenden Belege für Effekte auf die Mortalität durch die Langzeitexposition gegenüber dem Gas NO2 allein gegeben. Anders ausgedrückt, es gibt keine ausreichenden Belege, dass Maßnahmen zur Reduktion der Langzeitexposition gegenüber dem Gas NO2 allein sich nennenswert auf die Mortalität auswirken würden.

    M.a.W.: Ein isoliertes Dieselfahrverbot wäre ein Kurieren an Symptomen, ohne die Gesundheitsbelastung der Bevölkerung durch Luftschadstoffe messbar zu verbessern.

  22. #28 shader
    19. Februar 2019

    @Ludger, Sie scheinen nur das lesen zu wollen, was vielleicht in ihr Weltbild passt. Die Aussage in der Zusammenfassung ist hingegen eindeutig: “Die Datenlage für NO2 ergibt klare Belege für Auswirkungen auf das Auftreten von Asthma und die
    Verschlechterung des Zustands von Asthmatikern, ferner für andere Atemwegserkrankungen.”
    und “Unabhängig davon ist die Tatsache, dass in Deutschland an verkehrsnahen Messstationen die Grenzwerte für NO2 regelmäßig und z.T. erheblich überschritten werden, aus gesundheitlicher Sicht nicht akzeptabel und macht die Durchführung geeigneter Reduktionsmaßnahmen dringend erforderlich

  23. #29 Thomas
    19. Februar 2019

    Weiß jemand wie die Beweislage bei Schwefeldioxid bzgl. der Gesundheitsbeeinträchtigung aussieht?
    Die WHO gibt für SO2 einen Richtwert von 25 µg/m³ an, der Grenzwert in der EU liegt aber bei 125 µg/m³. Quelle: https://www.sciencemediacenter.de/fileadmin/user_upload/Fact_Sheets_PDF/__SMC-Factsheet_Grenzwerte_Luftverschmutzung_2017-01-27.pdf
    Da der Grenzwert für NO2 immer wieder als politisch motiviert angezweifelt wird, würde mich die Erklärung dieser Diskrepanz interessieren. Ist die Beweislage bei SO2 so schlecht, dass der Grenzwert daher so hoch angesetzt wurde oder wird hier Rücksicht auf Braunkohlereviere genommen?

    • #30 Joseph Kuhn
      19. Februar 2019

      @ Thomas:

      Ich kann dazu nichts sagen. Vielleicht kümmert sich keiner mehr um den SO2-Grenzwert, weil das Thema mehr oder weniger erledigt ist? Das UBA schreibt: “Da die SO2-Konzentrationen bundesweit sehr deutlich unter den geltenden Grenzwerten zum Schutz der menschlichen Gesundheit liegen, sind heute durch SO2 verursachte Gesundheitsprobleme in Deutschland nicht mehr zu befürchten.”

      Ob Herr Köhler auch diese Aussage bezweifelt, ist nicht bekannt 😉

  24. #31 Ludger
    19. Februar 2019

    Zitat von shader:

    Sie scheinen nur das lesen zu wollen, was vielleicht in ihr Weltbild passt.

    Immerhin lese ich, z.B. Seite 10, Kasten 3:

    Die Analyse ergibt, dass nach einer 30 minütigen Exposition gegenüber 200 bis 300 ppb (ca. 400 bis 600 μ g/m³) NO2 bzw. nach einer 60 minütigen Exposition gegenüber 100 ppb (ca. 200 μ g/m³) NO2 bei einem statistisch signifikanten Anteil der Asthmatiker die Empfindlichkeit der Atemwege ansteigt. Nach einer 60 minütigen Exposition gegenüber 100 ppb (ca. 200 μ g/m³) NO2 zeigt sich ferner bei einem statistisch signifikanten Anteil der Asthmatiker ein klinisch relevante Halbierung der Dosis des Provokationsmittels. Die Studie belegt somit eine Verschlechterung des Gesundheitszustands von Asthmatikern bei umweltrelevanten NO2-Konzentrationen. [Hervorhebung durch mich]

    Das heißt: Es gibt wenige aber mehr als zufällig viele Asthmatiker, die nach 30 Minuten Exposition auf 15-fach höhere Stickstoffdioxidwerte als dem Grenzwert entspricht mit ihren Bronchien reagieren. Klar, NO2 ist ein Reizgas und verbindet sich auf feuchten Schleimhäuten mit Wasser zu Salpetriger Säure. Dieselben Effekte würde man mit Essigaerosol auslösen können. Dann müsste man auch Essigreiniger verbieten.
    Ich bleibe dabei: Feinstaub ist der Schadstoff, NO2 ist nur ein Surrogatparameter. Feinstaub kommt von Benzinern und von Pelletheizungen, kaum von Dieselfahrzeugen. Ein isoliertes Dieselfahrverbot wäre nutzlose Symbolpolitik weil hinsichtlich der menschlichen Gesundheit wirkungslos.

  25. #32 shader
    19. Februar 2019

    @Thomas: “Da der Grenzwert für NO2 immer wieder als politisch motiviert angezweifelt wird, würde mich die Erklärung dieser Diskrepanz interessieren. Ist die Beweislage bei SO2 so schlecht, dass der Grenzwert daher so hoch angesetzt wurde oder wird hier Rücksicht auf Braunkohlereviere genommen?”

    Zu den SO2-Grenzwerten kann ich nichts sagen. Grundsätzlich, die WHO kann sagen, ab welcher Konzentration es keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen für einzelne Bevölkerungsgruppen gibt. Die Politik muss hingegen eine Güterabwägung vornehmen und einen Interessensausgleich bewerkstelligen. Von daher können WHO-Empfehlungen und gesetzliche Grenzwerte voneinander abweichen, müssen aber nicht.

  26. #33 shader
    19. Februar 2019

    @Ludger: “Dieselben Effekte würde man mit Essigaerosol auslösen können. Dann müsste man auch Essigreiniger verbieten.”

    Zum einen, Asthmatiker und COPD-Patienten empfiehlt man auch im Haushalt, keine stark säurehaltigen Putzmittel zu verwenden. Zum anderen, Essigreiniger werden an vereinzelten Orten angewendet und verflüchtigen sich nach einiger Zeit. Die NOx-Belastung herrscht in ganzen Straßenzügen oder Stadtteilen über Jahre.

    “Ich bleibe dabei: Feinstaub ist der Schadstoff, NO2 ist nur ein Surrogatparameter.”

    Wirklich beeindruckend, wie einseitig sie vorgelegte Studien interpretieren, die auch zu einem völlig anderem Schluss kommen. Aber was soll’s, die Grenzwertdebatte hängt ja zum Glück nicht von ihnen ab. 😉

    “Feinstaub kommt von Benzinern und von Pelletheizungen, kaum von Dieselfahrzeugen. Ein isoliertes Dieselfahrverbot wäre nutzlose Symbolpolitik weil hinsichtlich der menschlichen Gesundheit wirkungslos.”

    Nochmal deutlich, die Dieselfahrverbote werden nicht wegen Feinstaub ausgesprochen.

  27. #34 Ludger
    19. Februar 2019

    shader: “Nochmal deutlich, die Dieselfahrverbote werden nicht wegen Feinstaub ausgesprochen.”

    Das ist eine politische Entscheidung und sie ist unsinnig, weil sie den Menschen nicht nützt und die Falschen trifft.
    Noch ein Zitat aus der o.a. Expertise (Seite 4):

    Dieselrußfilter sorgen für eine erhebliche Reduktion der Freisetzung von groben, feinen und ultrafeinen Partikeln. Damit werden gleichzeitig die an diese Partikel angelagerten toxischen Stoffe herausgefiltert. Ferner hat sich die Einführung von Umweltzonenals eine wirkungsvolle Maßnahme zur Verringerung der Partikelbelastung erwiesen.
    Schlussfolgerung
    NO2:
    Die Exposition gegenüber hohen Belastungsspitzen von NO2 kann zum Auftreten von Asthma und der Verschlimmerung von Asthmasymptomen führen. Daher sind Maßnahmen zur Verringerung derartiger Kurzzeitbelastungen dringend geboten. In Hinblick auf Effekte der Langzeitexposition gegenüber NO2 ist die Datenlage weniger eindeutig, dennoch haben WHO/EU und US-EPA Richtwerte/ Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung vor Langzeitbelastungen durch NO2 festgelegt. Eine quantitative Abschätzung von Effekten des Gases NO2auf die Mortalität erscheint schwierig, da eine Abgrenzung von Auswirkungen anderer verkehrsabhängiger Schadstoffe nicht überzeugend gelingt. Am ehesten lässt sich NO2 als Indikator für verkehrsabhängige Schadstoffe verstehen. Daher ist es aus gesundheitlicher Sicht nicht ausreichend, nur die Freisetzung des Gases NO2 aus Kraftfahrzeugen zu verringern.
    Feinstaub: Demgegenüber sind die gesundheitlichen Auswirkungen der Feinstaubbelastung in Hinblick auf die Kurzzeit- und Langzeitexposition als gesichert anzusehen.

    Ob die Akutbelastung eines Asthmatikers durch das reine Gas NO2 ein Problem darstellt, ist primär keine epidemiologische Frage. Das kann nur ein Lungenfacharzt messen und beurteilen. Dafür braucht man nämlich die Bodypletysmographie https://de.wikipedia.org/wiki/Bodyplethysmographie

  28. #35 shader
    19. Februar 2019

    “Ob die Akutbelastung eines Asthmatikers durch das reine Gas NO2 ein Problem darstellt, ist primär keine epidemiologische Frage. Das kann nur ein Lungenfacharzt messen und beurteilen. Dafür braucht man nämlich die Bodypletysmographie https://de.wikipedia.org/wiki/Bodyplethysmographie

    @Ludger, die Symptomatik eines Asthmatiker wird durch NO2 verstärkt. Langfristig werden die Parameter beim Lungenfunktionstest schlechter, wenn die Symptomatik weiter anhält. Das ist unstrittig. Ich weiß nicht, warum Sie nun gezielt Asthmatikern über lange Zeiträume einer größeren NO2-Dosis aussetzen wollen, um dann beim Lungenfunktionstest das nachzumessen, was schon vorher klar war.

  29. #36 Ludger
    19. Februar 2019

    shader: “Ich weiß nicht, warum Sie nun gezielt Asthmatikern über lange Zeiträume einer größeren NO2-Dosis aussetzen wollen, um dann beim Lungenfunktionstest das nachzumessen, was schon vorher klar war.”

    Es geht mir nicht um die chronische Belastung mit dem reinen Gas. Das ist eine völlig theoretische epidemiologische Fragestellung, die in der Realität gar nicht vorkommt, und dabei ist gar nichts klar ( siehe Zitat in Post 33). Mir geht es um das Risiko von Asthmakranken, wenn sie in Stuttgart für kurze Zeit über eine NO2 belastete Straße gehen oder fahren. Man zeltet dort ja nicht und in den Wohnungen sind die Werte andere als an der Straße. Es handelt sich also um eine kurze Belastung allerdings mit Stickoxid und Feinstaub. Profitiert der Asthmakranke, der für kurze Zeit einem erhöhten Mix an Umweltgiften mit Stickoxid und Feinstaub ausgesetzt ist, wenn man die Stickoxide durch Dieselfahrverbote isoliert absenkt und den Feinstaub lässt? Vielleicht steigt die Feinstaubbelastung durch Dieselfahrverbote sogar noch an, weil die Leute auf moderne Benziner umsteigen? Die Frage, inwieweit eine isolierte NO2-Normalisierung bei gleichbleibender Feinstaubbelastung den Asthmakranken wirklich nützt, kann durch Pneumologen beantwortet werden. Es geht um die Frage, ob die in Post 30 zitierte durch Stickoxid ausgelöste gemessene Zunahme “der Empfindlichkeit der Atemwege” einen Krankheitwert hat. Man kann mit der Bodypletysmographie nämlich auch Veränderungen im Atemwiderstand messen, bevor sie Krankheitswert haben.
    Zusammengefasst: die Fixierung auf Stickoxide verschleppt die Lösung der Luftverschmutzungsproblematik in Städten. Ein allgemeines Dieselfahrverbot in belasteten Städten wäre eine solche Scheinlösung, genau so wie die Sperrung der beiden rechten Spuren für Dieselfahrzeuge neben einer Stickoxidmessanlage, wie in manchen Städten praktiziert.
    Wir brauchen: Verminderung des Verkehrs in Städten, Filter für Benziner, Katalysatoren für Diesel, Filter für Pelletheizungen usw.

  30. #37 Joseph Kuhn
    19. Februar 2019

    @ Ludger:

    “Ich bleibe dabei: Feinstaub ist der Schadstoff, NO2 ist nur ein Surrogatparameter.”

    Sie sagen doch selbst, dass NO2 ein Reizgas ist und Atemwegsprobleme verursacht. Das nennt man nicht “Surrogatparameter”. Und Sie können nicht Grenzwerte so festsetzen, dass gerade mal die akuten Reaktionen von Asthmatikern vermieden werden.

    “Es geht mir nicht um die chronische Belastung mit dem reinen Gas. Das ist eine völlig theoretische epidemiologische Fragestellung, die in der Realität gar nicht vorkommt”

    Starke These. Daraus, dass die Evidenz für die Langzeiteffekte auf die Mortalität schwach ist, schließen Sie, dass es gar keine Langzeiteffekte gibt. Also gleich ganz weg mit dem Grenzwert? Ich glaube, das würde nicht einmal Köhler wollen.

    Am besten schreiben Sie Ihre Gedanken mal ans Deutsche Lungenforschungszentrum, die wissen vermutlich nicht, wovon sie bei ihren 8 Punkten reden. 😉

  31. #38 Ludger
    19. Februar 2019

    Hallo Herr Kuhn!
    Noch immer im Stadium von Post 7? Sie haben offnbar meine Zitate von Professor Wichmann nicht gelesen, insbesondere das von #27. Ich wiederhole es gerne für Sie:

    Professor Wichmann:
    ” Die Abschätzungen zum NO2 hingegen sind am ehesten als Hinweis auf negative gesundheitliche Wirkungen des Gemischs verkehrsabhängiger Schadstoffe zu bewerten, für das NO2 als Indikator angesehen werden kann, nicht aber als realistische Abschätzungen für Auswirkungen von NO2als Gas.”

    Das nennt man m.E. Surrogatparameter.

    • #39 Joseph Kuhn
      19. Februar 2019

      @ Ludger:

      1. Herr Wichmann bewertet sehr vorsichtig. Das zeichnet ihn gegenüber seinen weniger vorsichtigen Exegeten aus. Kurz vor der von Ihnen zitierten Stelle schreibt er: “Die in einigen epidemiologischen Studien gefundenen Zusammenhänge mit der Mortalität werden als weniger eindeutig eingestuft. Insbesondere ist NO2 in diesen Studien möglicherweise als Indikator für andere verkehrsabhängige Schadstoffe wie ultrafeine Partikel und elementaren Kohlenstoff etc. anzusehen”. Die Hervorhebungen sind von mir. Das ist der Hintergrund für die von Ihnen zitierte Passage. Denken Sie einmal darüber nach, was da steht.

      2. Die von Ihnen zitierte Expertise von Herrn Wichmann ist vom Februar 2018. Inzwischen ist eine neue Übersichtsarbeit erschienen, ich hatte sie Ihnen extra in Kommentar #22 verlinkt (es geht um die vom Committee on the Medical Effects of Air Pollutants), hätte mir aber vielleicht denken können, dass Sie nicht reinschauen. Herr Wichmann kennt diese Übersichtsarbeit, ist gegenüber ihrer Wertung der Effekte von NO2 skeptisch, aber nicht ablehnend wie Sie. Auch das könnten Sie nachlesen, im Editorial Wichmanns für die aktuelle Ausgabe von “Umwelt – Hygiene – Arbeitsmedizin”, hatte ich auch irgendwo in den Köhlergeschichten schon mal verlinkt.

      3. Ein “Surrogatparameter” wäre NO2, wenn es selbst keine gesundheitlichen Effekte hätte. Der Streit geht aber nur darum, ob es langfristig alleine als Gas die Mortalität relevant erhöht, oder ob es da eher eine “Indikatorfunktion” für Stoffgemische hat, was eine eigene Mitwirkung natürlich nicht ausschließt.

      Sie kurven wie ein Eisläufer in Pirouetten durch das Thema, ich weiß überhaupt nicht, worauf Sie hinauswollen und mir scheint, Sie wissen das auch nicht mehr.

      Falls Sie sagen wollen, NO2 allein wird wohl nicht für 6.000 vorzeitige Sterbefälle verantwortlich sein, dann haben Sie Recht, aber das hat meines Wissens eh niemand behauptet. Falls Sie sagen wollen, Feinstaub sei, was die in der Luft vorkommende Menge angeht, weitaus gefährlicher als NO2 alleine, dann haben Sie Recht, aber auch da hat meines Wissens niemand etwas anderes behauptet. Falls Sie sagen wollen, Dieselautos mit Partikelfilter würden per se kein Feinstaubproblem mehr darstellen, haben Sie nicht Recht, wie alle Autos produzieren sie auf vielfältigem Wege Feinstaub. Falls Sie sagen wollen, Dieselfahrverbote, zumindest kleinräumige, würden weder für die Feinstaubproblematik noch für die NO2-Problematik viel bringen, haben Sie vermutlich Recht, aber das ist eine empirische Frage, die nicht schon durch Behauptung wahr wird. Und falls Sie meinen, man brauche gar keinen NO2-Grenzwert, weil die langfristigen Mortalitätseffekte unklar sind, dann erzählen Sie das bitte Herrn Köhler, aber das wird auch er nicht wollen.

  32. #40 shader
    19. Februar 2019

    @Ludger: “Es geht mir nicht um die chronische Belastung mit dem reinen Gas. Das ist eine völlig theoretische epidemiologische Fragestellung, die in der Realität gar nicht vorkommt”

    Ich verstehe nicht ganz, was sie mit “reinen Gas” meinen. Reines Gas hieße doch, zu 100% in der Atemluft, aber das ist wohl nicht gemeint. Und natürlich haben wir in manchen Innenstädten eine chronische Belastung von NO2. Also wie kommen Sie auf die Idee zu sagen, dass das in der Realität nicht vorkommt?

    ” Mir geht es um das Risiko von Asthmakranken, wenn sie in Stuttgart für kurze Zeit über eine NO2 belastete Straße gehen oder fahren.”

    Mag sein, dass es Ihnen darum geht, aber darauf beziehen sich die Grenzwerte nicht, sondern auf die dauerhafte Belastung von Menschen, die in dem Gebiet wohnen.

    ” Die Frage, inwieweit eine isolierte NO2-Normalisierung bei gleichbleibender Feinstaubbelastung den Asthmakranken wirklich nützt, kann durch Pneumologen beantwortet werden.”

    Vielleicht haben Sie auch einfach nicht gelesen, was ich geschrieben habe. In deutschen Städten werden die Grenzwerte für Feinstaub eingehalten, bis auf einige Wintermonate in Stuttgart.

  33. #41 shader
    19. Februar 2019

    Aber um nicht nur die SPD in Form von Herrn Weil dumm dastehen zu lassen, die CDU in Baden-Württemberg hat in ihrer Schöntaler Erklärung geschrieben: “Daher ist der ohne wissenschaftliche Grundlage entstandene Grenzwert für NOx neu festzulegen.”

    Ich kann mir nicht helfen, aber das liest sich so ähnlich wie das AfD-Wahlprogramm über den Klimawandel, wo man behauptet: “Die Aussagen des Weltklimarats (IPCC), dass Klimaänderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert.”

    Leugnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Politik. Damit müssen wir uns im 21.Jahrhundert im Land der Denker und Dichter rumschlagen. Na danke.

  34. #42 Ludger
    20. Februar 2019

    So, ich glaube, dass die Unterschiede unserer Positionen klar sind.
    Mich würde abschließend interessieren, wie Herr Wichmann sich entscheiden würde, hätte er zwei Optionen zur Auswahl:
    1. Dieselfahrverbot, was zweifellos auch zu einem bestimmten Prozentsatz x eine Verkehrsbegrenzung zur Folge hätte.
    2. Verkehrsbeschränkung um den Prozentsatz x ohne Berücksichtigung der Motorart z.B. durch Citymaut oder durch Fahrverbote an geraden oder ungeraden Tagen je nach Endnummer des Nummernschildes.
    Sie können ihn ja mal fragen, Herr Kuhn, wenn Sie ihn in der Kantine treffen.

  35. #43 shader
    20. Februar 2019

    Wie Herr Wichmann sich über die Fahrverbote äußert, kann man nachlesen. Er gab u.a. ein ZEIT-Interview, über das auch andere Zeitungen berichteten:

    https://www.hasepost.de/epidemiologe-wichmann-hoeheres-gesundheitsrisiko-durch-fahrverbote-114907/

    ” Wenn die Politik lockerere Grenzwerte festsetze, müsse sie „gute Argumente vorlegen, warum sie von den neuen WHO-Erkenntnissen abweichen möchte. Sie muss dies schließlich vor den Bürgern rechtfertigen“.”

  36. #44 Ludger
    20. Februar 2019

    @shader
    Den Originalartikel habe ich gelesen und hatte ihn schon irgendwo hier zitiert. Dort geht um die Schädlichkeit von Vermeidungsstrategien von Dieselfahren nach Sperrrung einzelner Straßen. Mich würde aber Wichmanns Einstellung dazu interessieren, ob er die heute üblichen Diesel-PKW hinsichtlich der Luftverschmutzung für schädlicher hält als die heute üblichen “Benzin”-PKW mit Ottomotor und welche Konsequenzen sich aus der Einschätzung ergeben.

  37. #45 shader
    20. Februar 2019

    Da werden Sie ihn schon selber fragen müssen.

  38. #46 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    @ Ludger:

    shader hat ja netterweise verlinkt, was Herr Wichmann vor ein paar Tagen zu Fahrverboten gesagt hat: Man muss schauen, ob es etwas bringt und aufpassen, dass die Belastung danach nicht noch größer ist. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist eine ganz andere Fragestellung als die nach den gesundheitlichen Effekten von Luftschadstoffen.

    Zu Ihren Fragen würde er vermutlich sagen, das seien komische Fragen, weil nicht klar ist, was die Zielvariablen sind (geht es z.B. auch um CO2, um die Durchschnittsemmission pro Fahrzeug oder die kumulative Belastung durch Flotten bei real gefahrenen Kilometern usw.?), er sei schließlich Epidemiologe und nicht Hermeneutiker.

    BTW: Wie kommen Sie eigentlich auf Idee, ich würde Herrn Wichmann in der Kantine treffen? Wir kennen uns zwar und ich schätze seine Kompetenz sehr, aber Grenzwert-Verschwörungstreffen in der Kantine pflegen wir nicht abzuhalten 😉

  39. #47 Ludger
    20. Februar 2019

    @ JK
    wg. Kantine: Eine Metapher, Sie arbeiten ja quasi in benachbarten Einrichtungen.
    Die “akademisch” geführte Diskussion hat doch einen Auslöser, nämlich die gerichtlich ausgesprochenen Fahrverbote und die Reaktion der Menschen darauf. Die Politik muss angemessen reagieren. Ganz praktisch: bei welcher politischen Entscheidung gibt es die geringsten Kollateralschäden?

  40. #48 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    @ Ludger:

    “Ganz praktisch: bei welcher politischen Entscheidung gibt es die geringsten Kollateralschäden?”

    Bei einem vernünftigen Gesamtkonzept für die Luftreinhaltung und die Mobilität, sowohl im ländlichen Raum als auch in der Städten. Die Produktion von Zweifeln an der wissenschaftlichen Evidenz zu den gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung ist kein sinnvoller Teil eines solchen Gesamtkonzepts.

  41. #49 Ludger
    20. Februar 2019

    […]Zweifeln […] kein sinnvoller Teil eines solchen Gesamtkonzepts

    Zweifel gehört zur Wissenschaft. Zum Gesamtkonzept gehört aber auch die Wichtung der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dafür muss man in diesem Fall die überragende Einstufung von Sickstoffdioxid infrage stellen. Wenn man nur auf NO2 abhebt und sich auf Dieselfahrverbote beschränkt, oder Rechtsfahrverbote für Diesel-PKW einführt, wird man kein Gesamtkonzept bekommen. Wenn Sie mir unterstellen wollen, ich wolle durch eine Vernebelungstaktik den Status quo erhalten, dann haben Sie meine diversen Schlussstatements nicht beachtet. Also noch mal die Frage: Sind Diesel-PKW gefährlicher für die Umwelt als “Benzin”-PKW. Wenn die Wissenschaft das nicht beantworten kann, hat sie nur halbe Arbeit geleistet.

  42. #50 shader
    20. Februar 2019

    @Ludger: “Dafür muss man in diesem Fall die überragende Einstufung von Sickstoffdioxid infrage stellen. Wenn man nur auf NO2 abhebt und sich auf Dieselfahrverbote beschränkt, oder Rechtsfahrverbote für Diesel-PKW einführt, wird man kein Gesamtkonzept bekommen.”

    Jetzt vermischen Sie kräftig die wissenschaftliche Fragstellung mit der politischen Fragestellung. Um es deutlich zu machen, die Epidemiologie ist nicht Schuld, dass in der Politik kein gutes Gesamtkonzept zur Mobilität in Großstädten angeboten wird.

    “Sind Diesel-PKW gefährlicher für die Umwelt als “Benzin”-PKW. Wenn die Wissenschaft das nicht beantworten kann, hat sie nur halbe Arbeit geleistet.”

    Wenn Sie eine genaue Antwort haben wollen, müssen Sie schon genaue Begriffsdefinitionen nachliefern. Wen meinen Sie konkret mit “Umwelt”? Das kann je nach Kontext die Flora und Fauna sein, aber auch die Menschen unmittelbar vorort. Nach was wollen Sie die Gefährlichkeit beurteilen? Geht es um die Belastungen der menschlichen Gesundheit, um Ressourcenverbrauch, um CO2-Emissionen?

  43. #51 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    @ Ludger:

    “Wenn Sie mir unterstellen wollen, ich wolle durch eine Vernebelungstaktik den Status quo erhalten”

    Warum sollte ich, oder wo hätte ich? Das kommt mir jetzt so vor wie bei Watzlawicks “Die Geschichte mit dem Hammer”. Ich unterstelle Ihnen lediglich, dass Sie wild durchs Thema kreisen. Jetzt sind Sie bei der Frage, ob “Diesel” oder “Benziner” schlimmer für “die Umwelt” seien. Ich weiß nicht, ob jemand eine Antwort auf so eine Frage geben kann, ich weiß auch nicht, was das mit Köhlers Sprüchen zu tun oder mit den Grenzwerten. Es gibt schließlich weder einen Dieselgrenzwert noch einen Benzinergrenzwert.

    Was ich definitiv sagen kann: Diesel ist an der Tankstelle billiger als Benzin – und das, obwohl beide Wörter sechs Buchstaben haben. Der Preisunterschied ist also wissenschaftlich überhaupt nicht belegt. Ich werde ein Papier aufsetzen und von 100 Germanisten unterschreiben lassen!

  44. #52 Joseph Kuhn
    20. Februar 2019

    Die Risikokompetenz der Medienmeute:

    Das am Ende des Blogbeitrags angesprochene Morfeld-Papier ist in den Medien angekommen:

    Tagesschau: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/umweltbundesamt-103.html

    NDR: https://www.presseportal.de/pm/69086/4197911

    SWR: https://www.swr.de/swraktuell/Mathematiker-werfen-Umweltbundesamt-Rechenfehler-vor,umweltbundesamt-schadstoffwerte-100.html

    Focus: https://www.lvz.de/Nachrichten/Politik/Diesel-Debatte-Mathematiker-werfen-Umweltbundesamt-falsche-Rechnung-bei-Grenzwertenvor

    Bildzeitung: https://www.bild.de/geld/wirtschaft/wirtschaft/diesel-debatte-hat-sich-eine-uba-studie-bei-diesel-toten-verrechnet-60247090.bild.html

    Ostsee-Zeitung: https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Politik/Diesel-Debatte-Mathematiker-werfen-Umweltbundesamt-falsche-Rechnung-bei-Grenzwertenvor

    Leipziger Volkszeitung: https://www.lvz.de/Nachrichten/Politik/Diesel-Debatte-Mathematiker-werfen-Umweltbundesamt-falsche-Rechnung-bei-Grenzwertenvor

    Dass irgendeiner der Journalisten das Morfeld-Papier nachvollziehen kann, wage ich zu bezweifeln. Aber zu schön ist es doch, die nächste Sau durchs Dorf zu treiben.

    Zur Hilfe beim Verständnis: Morfelds Methodenkritik ist weder neu noch sollte sie zu dem Fehlschluss verführen, deswegen gäbe es keine Evidenz zu den Folgen von Luftschadstoffen. Morfeld kritisiert nur die Berechnung der vorzeitigen Sterbefälle, nicht die der verlorenen Lebensjahre!

    Die Reaktion des UBA war allerdings schwach. Man prüfe die Formel. Sollen sie halt Frau Peters fragen.

  45. #53 rolak
    20. Februar 2019

    […]Zweifeln […] kein sinnvoller Teil eines solchen Gesamtkonzepts

    ^^das ist ja wohl die übelste inhaltliche Verfälschung via Zitatprokrustrierung seit Langem – im Original war es noch

    Die Produktion von Zweifeln an der wissenschaftlichen Evidenz zu den gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung ist kein sinnvoller Teil eines solchen Gesamtkonzepts

  46. #54 Uli Schoppe
    20. Februar 2019

    Ihr drückt euch aber alle vor der notwendigen Konsequenz: Lasst endlich mal einen Konzern bluten auch wenn er verblutet. Der ganze too big to fail Müll ist doch auch wieder nur Kosten sozialisieren.

  47. #55 bote19
    21. Februar 2019

    Der Grenzwert, wenn er einmal fest gelegt ist ist ein gutes Argument, über das man nicht mehr streiten kann. Deswegen gibt es zu Grenzwerten keine sinnvollere Alternative.
    Wenn man dann noch zur Verstärkung die WHO oder die EU heranziehen kann, dann wirkt das doppelt.

    Der Teufel steckt aber in der Höhe der Grenzwerte. Und die hängt von der Interessenlage der Betroffenen ab.
    Stuttgart, das hier genannt wurde steckt in der Zwickmühle, dass gleich zwei Konzerne die Harmlosigkeit von Abgasen beweisen wollen. Jetzt will man die gemessenen Werte senken, indem man mehr Messtellen baut, auch an Plätzen , wo die Verkehrsdichte nicht so hoch ist. Klingt logisch, oder ?

  48. #56 M. Hahn
    22. Februar 2019

    Danke für diesen Text Herr Kuhn.
    All diese traurigen Kommentare vom Mount stupid
    https://ritholtz.com/2018/04/mount-stupid-2/
    zu sezieren, bringt Ihnen wie´s aussieht Freude oder doch wenigstens Frustabbau. Darum, und um Ihren Schreibstil (immer ein Gewinn beim Lesen), beneide ich Sie.
    Unnötige Bemerkung, zumal hier unten im Kommentarsumpf. Aber wird man doch noch mal sagen dürfen.