In anderen Konfliktfeldern, in denen Public Relations-Experten unterwegs sind, läuft es nicht anders. Frank Luntz, Berater des früheren US-Präsidenten Bush, hat in Sachen Klimawandel beispielsweise ganz analog argumentiert:
„Voters believe that there is no consensus about global warming within the scientific community. Should the public come to believe that the scientific issues are settled, their views about global warming will change accordingly. … Therefore, you need to continue to make the lack of scientific certainty a primary issue in the debate.”
Diese Strategien zielen nicht auf die Wissenschaft, sie zielen auf die öffentliche Diskussion. Dabei sind geeignete Wissenschaftler unverzichtbar. Das müssen nicht gekaufte Mietmäuler sein. Auf solche Mietmäuler war die Tabakindustrie angewiesen, weil beim Rauchen die wissenschaftliche Evidenz derart überwältigend war, dass sich kaum jemand ohne Bezahlung an der Produktion von Zweifeln beteiligen wollte. In der Folge standen nicht wenige Vertreter auch der deutschen Epidemiologie, Lungenheilkunde und Arbeitsmedizin auf der Paylist der Tabakindustrie.
In anderen Fällen ist das nicht nötig, es reicht, überzeugten Zweiflern zu ausreichend Öffentlichkeit zu verhelfen. Vermutlich ist in der Dieseldebatte Dieter Köhler so ein Fall. Solche Instrumentalisierungen sind tückisch, weil natürlich auch dann, wenn Wissenschaftler ein klar erkennbares Interesse verfolgen, manche ihrer Argumente diskussionswürdig sein können. Damit meine ich jetzt nicht Dieter Köhler, aber z.B. Peter Morfeld und seine Methodenkritik an der Berechnung attributabler Sterbefälle. Eine zu unbedachte Argumentation mit vorzeitigen Sterbefällen und statistischen Toten hilft ja in der Tat nicht weiter. Aber was folgt daraus für die Debatte insgesamt? Wird dann die ganze Evidenz zu „Pi mal Daumen“ oder sollten wir gar so tun, als wüssten wir nichts? Freie Fahrt für die Industrie?
Eingangs hatte ich Gerd Gigerenzer und sein Bemühen um mehr Risikokompetenz angesprochen. Er ist einer der drei Autoren der „Unstatistik des Monats“. Dort ist gerade erneut das Dieselthema unter Bezug auf den im „Gesundheitswesen“ erschienen Artikel von Peter Morfeld aufgegriffen worden. Die Chance, daraus einen Zugewinn an Risikokompetenz zu machen, darüber nachzudenken, was Morfelds Kritik für die Evidenzlage konkret bedeutet, haben die Autoren aber versäumt. Übrig bleibt die Produktion von Zweifeln. Ihre Aversion gegen Regulation im Umweltbereich war wohl zu stark. Auch Wissenschaftler sind eben nur Menschen.
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