Glaubenssachen werden von Glaubenswächtern verteidigt. Für Glaubenswächter ist Kritik an den Glaubenssachen Blasphemie. Das darf es nicht geben. Die Homöopathie ist so eine Glaubenssache. Zwar betonen die Homöopathen gerne, dass sie wissenschaftlich arbeiten würden und simulieren auch das wissenschaftliche Arbeiten durch seltsame Artikel oder seltsame Tagungen. Aber das, was Wissenschaft essentiell ausmacht, sich der Kritik zu stellen, das mögen sie bekanntlich gar nicht.
Basta-Statements wie das von Hartmut Schröder, es genüge, wenn Patienten zufrieden sind, „(e)inen Streit darüber zu führen ist nicht zielführend“, mag man belächeln und den Kopf über die Absurdität solcher Argumente schütteln. Weniger lustig sind juristische Versuche, Homöopathiekritikern das Wort durch Anwaltsschreiben zu verbieten.
Der Homöopathiehersteller Hevert hat kürzlich Gerd Glaeske, Pharmazie-Professor in Bremen, eine Unterlassungserklärung abgerungen, weil dieser öffentlich in einer pauschalen Weise von der Unwirksamkeit homöopathischer Mittel gesprochen hatte. Bei zugelassenen homöopathischen Mitteln, die es auch gibt, vor allem niedrigpotenzierte Mittel mit Wirkstoffgehalt, geht das Arzneimittelrecht aber von einer Wirksamkeit aus, auch wenn die Belege dafür aus wissenschaftlicher Sicht nicht sehr überzeugend sein mögen. Eine juristische Spitzfindigkeit, mit der es hier gelungen ist, die Debatte von der wissenschaftlichen auf die juristische Bühne zu verlagern. Während die Homöopathen den schrillsten Unfug verbreiten dürfen, selbst dass sie CERN gestoppt hätten, kann eine nicht ganz präzise Formulierung Homöopathiekritikern anwaltlichen Ärger einbringen. Ob sich Hevert vor Gericht damit hätte durchsetzen können, weiß ich nicht, aber wer hat schon die Zeit, das Geld und die Nerven, das auszuprobieren?
Jetzt versucht Hevert den Wissenschaftsjournalisten Bernd Kramer, der immer wieder mal über Esoterik und Alternativmedizin schreibt, unter Druck zu setzen. Auf twitter zeigt Kramer einen Ausschnitt des Hevert-Schreibens:
„Pauschale, die Homöopathie abwertende Äußerungen in jeder Form“ seien zu unterlassen, weil das geschäftsschädigend sein könnte. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wenn diese Argumentation juristisch durchginge, würden sich nicht nur geschäftstüchtige Astrologen und Geistheiler freuen, dann könnte die evidenzbasierte Medizin einpacken, weil sie immer wieder die Geschäfte der Pharmariesen schädigt. Bücher wie die von Peter Gøtzsche oder Ben Goldacre über die Pharmaindustrie dürften nicht mehr erscheinen, Robert Proctor könnte sein Werk „Golden Holocaust“, eine ebenso faktenreiche wie harte Anklage gegen die Tabakindustrie, einstampfen lassen und wehe, es schreibt noch mal jemand über überhöhte Dieselabgase. Dann antwortet nicht mehr Dieter Köhler, sondern eine Anwaltsfirma.
Was mag wohl in den Köpfen der Freunde der sanften Medizin vorgehen, wenn sie zu diesen Mitteln greifen? Und wo bleibt eigentlich die Reaktion der Wissenschaft und des Wissenschaftsjournalismus, wenn „methodisch evident Unvertretbares“ mit moralisch evident unvertretbaren juristischen Mitteln durchgesetzt werden soll?
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