Prolog
Vor zwei Tagen habe ich darüber berichtet, dass der Homöopathiehersteller Hevert offensichtlich austestet, inwieweit er die Diskussion um die Wirksamkeit der Homöopathie auf die juristische Bühne bringen kann. Dies droht sowohl die wissenschaftliche Diskussion als auch die Diskussion unter (potentiellen) Patient/innen zu erschweren. Nicht jeder hat wie Hevert genug Geld für komplizierte juristische Verfahren.
Der Bremer Pharmazie-Experte Gerd Glaeske hat gegenüber den Anwälten von Hevert eine Unterlassungserklärung abgegeben, die sich auf eine juristische Spitzfindigkeit des Arzneimittelrechts bezog, eine besondere Fassung des Wirksamkeitsnachweises bei zugelassenen homöopathischen Arzneimitteln. Glaeske hatte in einem Fernsehinterview gesagt, bei homöopathischen Mitteln fehle grundsätzlich ein Wirksamkeitsnachweis. Fasst man den Begriff „Wirksamkeitsnachweis“ arzneimittelrechtlich, ist diese Aussage so pauschal nicht richtig, warum, wird gleich noch deutlich. Darauf bezog sich der Unterlassungsanspruch Heverts und die Unterlassungserklärung Glaeskes. Der Homoöopathie-Ninja Becker hatte dann vor kurzem Glaeskes Unterlassungserklärung öffentlich gemacht, ohne auch nur ansatzweise auf die Spezifik des Streitgegenstands einzugehen. Und Becker zitiert dazu den Geschäftsführer von Hevert mit folgenden Worten:
„Hevert-Arzneimittel wird zukünftig noch entschlossener gegen Homöopathie-Kritiker vorgehen und Personen juristisch angehen, wenn sie falsche Aussagen über die Homöopathie verbreiten und damit Rufschädigung betreiben, was geschäftsschädigende Auswirkungen für uns haben kann.“
Glaeske an Hevert
Daraufhin hat Glaeske Hevert direkt angeschrieben. Aus diesem Brief will ich zwei Passagen zitieren, die eben jenen spezifischen Aspekt, um den es bei der Unterlassungserklärung ging, vielleicht noch etwas klarer als in meinem ersten Blogbeitrag werden lassen:
“In meinem Schreiben an die Anwaltskanzlei habe ich dargestellt, dass nach den Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) auch für homöopathische Arzneimittel dann ein Wirksamkeitsnachweis vorliegen muss, wenn für dieses Mittel vom pharmazeutischen Unternehmer eine indikationsbezogene Anwendung beansprucht wird. Ansonsten müsste das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einer Zulassung widersprechen. Alle anderen homöopathischen Mittel, im Übrigen bei weitem die Mehrzahl, die keinen Indikationsanspruch tragen, werden ohne Wirksamkeitsnachweis schlicht und ergreifend registriert.
Nun ist allerdings der Wirksamkeitsnachweis nach § 25 für Homöopathika mit Indikationsanspruch vor allem eine Entscheidung einer Zulassungskommission, bestehend aus Sachverständigen, auf der Basis von vorhandener Literatur, Monographien der früheren Kommission D oder auch vereinzelt vorgelegter Publikationen, die aber mitnichten den Anforderungen an einen adäquaten durchgeführten Wirksamkeitsnachweis entsprechen. Dazu passt übrigens der Hinweis im BfArM-Jahresbericht 2017/2018 im Zusammenhang mit dem Hinweis auf Homöopathika mit einem Indikationsanspruch bei schwereren Krankheiten: “Bislang wurde jedoch noch kein homöopathisches Arzneimittel durch das BfArM zugelassen, bei dem sich der Antragssteller auf eine zum Beleg der Wirksamkeit geeignete Studie berufen hätte. (Seite41: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/BfArM/Publikationen/Jahresbericht2017-18.pdf)”
Hevert an Glaeske
Hevert hat darauf geantwortet, auch aus diesem Schreiben will ich zwei aufschlussreiche Passagen zitieren:
„Ihre Schilderungen in Bezug auf die Zulassung/Registrierung homöopathischer Arzneimittel sind im Großen und Ganzen zutreffend. Tatsächlich sind auch die Anforderungen des Wirksamkeitsnachweises für Mittel, für die ein Indikationsgebiet angegeben wird, nicht so hoch, wie sie es für konventionelle Arzneimittel üblicherweise sind.“
Das ist nicht nur ein erstaunliches Eingeständnis, es bringt auch die Absurdität des juristischen Streits in unnachahmlicher Weise zum Ausdruck: Hevert möchte nicht, dass Glaeske sagt, es gäbe keinen Wirksamkeitsnachweis für homöopathische Mittel und räumt dann selbst die schwache Evidenzbasis ein. Es geht noch weiter:
„Sie machen zu Recht geltend, dass die Zulassung bestimmter homöopathischer Arzneimittel durch das BfArM nicht notwendigerweise dafürspricht, dass diese Produkte auch in der Anwendung einen Nutzen für Patienten bringen. Gerade die therapeutische Wirksamkeit der Homöopathie ist aber auf Grundlage einer breiten Evidenz belegt (…).“
Den Passus darf man auch zweimal lesen und man sollte dabei den Wechsel von der Aussage über Arzneimittel zur Aussage über die Homöopathie, also das Setting insgesamt, nicht übersehen.
Erratisches Finale
Der Schluss des Briefs besteht aus einer sehr merkwürdigen Aufforderung:
„Gerne möchte ich Sie einladen, Hevert oder einzelne Hevert-Arzneimittel in breiter Form öffentlich zu nennen. Unser Unternehmen und unsere Produkte sind in Relation zu großen OTC Marken so unbekannt, dass wir uns auch von negativer Berichterstattung einen positiven Umsatz- und Distributionseffekt erwarten. (…) Auch Doc Morris ist damals durch die negative PR der Apothekerschaft erst bekannt geworden.“
Dieser Absatz riecht nicht nur wegen des Hinweises auf Doc Morris nach Becker, er spiegelt insgesamt dessen Denke wider. Da ist wohl zusammengewachsen, was zusammengehört. Aber dessen ungeachtet gefällt mir die Einladung Heverts, Negativwerbung zu machen, also die Homöopathie und ihre Produkte zu kritisieren. Hevert sollte daher konsequenterweise seine Anwaltsgelder sparen.
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