Das Deutsche Ärzteblatt ist offizielles Organ der Ärzteschaft, es wird von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegeben. In den letzten Jahren hat sich die Qualität der Beiträge dort in erfreulicher Weise verbessert, die Fachartikel erfüllen inzwischen die Ansprüche einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Daneben gibt es Beiträge zu aktuellen Themen, um die Leser/innen über relevante Entwicklungen, z.B. die Impfpflicht, auf dem Laufenden zu halten.
Freiheit im Internet, Freiheit beim Ärzteblatt?
Das Ärzteblatt lässt, ebenso erfreulich, eine offene Diskussion zu den Beiträgen zu. Beim Thema Impfen sind seit längerer Zeit vermehrt Kommentare von Impfgegnern festzustellen. Warum nicht, sie genießen genauso Meinungsfreiheit wie Flacherdler oder Leute, die glauben, die Mondlandung sei gefakt. Ich habe mich beim Ärzteblatt gerade an einer Diskussion um die Impfpflicht beteiligt. Mitunter ging es sachlicher zu, mitunter polemischer, da bin ich bekanntlich auch nicht immer zartfühlend. Trotzdem war es durchaus keine unfruchtbare Debatte, sondern eine, in der auch wenig diskutierte Daten zur Sprache kamen und, darauf will ich hinaus, eine Debatte, die einmal mehr die Faktenresistenz mancher Impfgegner und ihren Zynismus offensichtlich werden ließ.
Auch beim Ärzteblatt kann man anonym kommentieren, die Kommentarredaktion ist ersichtlich „liberal“ und wie so oft im Internet führt das dazu, dass Kommentatoren das für Narrenfreiheit halten, sich zum Narren machen, aber auch alle Hemmungen verlieren. So behauptet z.B. einer, der über Jahre beim Ärzteblatt unter dem Pseudonym „Pro-Natur“ kommentiert, allen Ernstes, in der „Vorimpfära“ hätte jeder überlebt:
Diese Behauptung ist evidenter Unsinn: In den gut „durchseuchten“ Jahren 1924 bis 1938 gab es in Deutschland fast 37.000 Masernsterbefälle, 1950 bis 1970 trotz aller Verbesserungen der Lebensumstände und allen medizinischen Fortschritten immer noch fast 4.000. Hardcore-Impfgegner leugnen das, wenn es passt, und akzeptieren es ungeniert, wenn es passt, nämlich wenn sie suggerieren wollen, dass die Impfung nichts mit dem Rückgang der Masernsterbefälle zu tun hätte, weil diese – völlig unstrittig – bereits vor Einführung der Impfung deutlich zurückgegangen sind. Impfgegnerlogik eben. Nebenbei hat er mich auch noch der Korruption bezichtigt, ich sei „beauftragt … ein minderwertiges Produkt zu verkaufen“. Ein Standardargument dieser Leute – wer für das Impfen ist, muss gekauft sein. Natürlich hat mich niemand gekauft, ich bin mein eigen.
Der gleiche Kommentator hatte vorher bereits indirekt zu Masernpartys aufgefordert. Masernpartys sind als Körperverletzungen strafbar. Der Kommentator würde das, könnte man ihn persönlich damit konfrontieren, natürlich nicht als Aufforderung verstanden wissen wollen, sondern als Voraussage über das Verhalten seinesgleichen zum Umgang mit der Impfpflicht. An Bauernschläue fehlt es den Leuten ja nicht.
Was tun?
Soll man über so etwas hinwegsehen, nach dem Motto, so ist das Internet halt? Hier im Blog tauchen ja auch immer wieder seltsame Kommentatoren auf und zum Internet gehört schließlich, dass es ein Freiraum und manchmal eine intellektuelle Müllhalde ist. Aber wie weit sollte dieser Freiraum gehen und sollten für das Ärzteblatt dabei keine anderen Regeln gelten als auf einem x-beliebigen Forum?
Die WHO hat vor kurzem Impfgegner zu einer „globalen Gefahr“ erklärt und die EU hatte angekündigt, gegen Falschinformationen von Impfgegnern vorgehen zu wollen. Ich meine, das Ärzteblatt als Organ der Ärzteschaft sollte hier nicht in die entgegengesetzte Richtung marschieren. So sehr eine kontroverse Diskussion zum Impfen auch im Ärzteblatt möglich sein muss, als Sprachrohr der Impfkritik sollte sich das Ärzteblatt nicht missbrauchen lassen. Die Kommentarspalten dort sind eben kein x-beliebiges Forum. Und natürlich will ich mich auch nicht als Auftragsschreiber oder gar als käuflich beleidigen lassen. Ich weiß nicht, welche redaktionellen Grundsätze das Ärzteblatt für seine Kommentarspalte hat, ich habe es jedenfalls einmal aufgefordert, solche Kommentare künftig zu unterbinden. Damit die Impfgegner was für ihren Vorwurf haben, die „Schulmedizin“ würde die Wahrheit unterdrücken, auch einer ihrer Klassiker.
Fortsetzung folgt.
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