Jährlich sterben in Deutschland etwa 120.000 Menschen vorzeitig infolge des Rauchens. Bei den Jugendlichen ist das Tabakrauchen im Moment zwar außer Mode: Während nach Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den 1990er Jahren in der Altersgruppe 12-17 fast jeder Dritte Zigaretten geraucht hat, waren es 2016 gerade mal noch 8,3 %. Aber bei den Erwachsenen, vor allem den jungen Erwachsenen, sieht es anders aus. In der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre rauchten noch 29,8 %.
Wer einmal damit angefangen hat, kommt nicht immer ganz einfach auch wieder davon los. Nikotin ist ein potentes Suchtmittel. Aber nach geltendem Recht sind Arzneimittel zur Raucherentwöhnung lediglich Mittel zur Steigerung der Lebensqualität. In § 34 (1) SGB V heißt es:
„Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.“
Eine aparte Zusammenstellung. Vor diesem Hintergrund hat das Landessozialgericht Schleswig-Holstein 2017 (L 5 KR 62/15) die Klage einer an einer chronischen Lungenerkrankung leidenden Frau auf Kostenübernahme für die medikamentöse Raucherentwöhnung abgelehnt. Auch ein Anspruch auf eine Verhaltenstherapie wurde verneint, weil Verhaltenstherapie zur Raucherentwöhnung nicht durch die Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses abgedeckt ist. Die Kassen finanzieren allerdings anteilig Raucherentwöhnungskurse nach § 27 SGB V bei bestehender Erkrankung, insofern müsste in diesen Fällen auch die begleitende medikamentöse Therapie finanziert werden, es steht dann ja nicht nur die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund, die den Ausschluss nach § 34 SGB V begründet. Warum das hier nicht gegriffen hat, weiß ich nicht. Raucherentwöhnungskurse nach § 20 SGB V, also Kurse zur Prävention von Erkrankungen, richten sich nur an Gesunde. Darüber, ob eine Entwöhnung nicht immer ein Abhängigkeitsproblem anzeigt, kann man natürlich streiten.
Das Bundessozialgericht hat vorgestern die Revision der Klägerin zurückgewiesen (B 1 KR 25/18 R), das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein hat also Bestand. Das ist rechtlich richtig, aber sachlich falsch. Im geltenden Recht spiegelt sich die jahrzehntelange Verharmlosung des Tabakkonsums wider. Das sollte man endlich ändern, es muss ja nicht gleich die Finanzierung der E-Zigarette als Hilfe zur Raucherentwöhnung sein, wie das manche Leute zur Freude von Philip Morris & Co. fordern.
Nur nebenbei: § 34 (1) SGB V, der Paragraph, der die Finanzierung von Arzneimitteln durch die Krankenkassen regelt, ist auch jener, der der Kostenübernahme von Homöopathika die Tür öffnet: „Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.“ Aber daran will der Gesetzgeber ja auch nichts ändern – die viele Wählerstimmen sind überzeugende „geistartige Kräfte“, wenn auch andere als die von Hahnemann phantasierten.
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