Für das Freiräumen sollen nach Lütz die ärztlichen Psychotherapeuten zuständig sein. Sie sollen als „gatekeeper“ die Patientenströme lenken und den anderen Psychotherapeut/innen dann über eine Verordnung „verbindlich“ zuweisen. Damit käme man, so Lütz, von 5 Monaten auf drei Wochen runter. Bei drei Wochen ist man aber bei der Akutbehandlung schon jetzt. Dafür wäre der Vorschlag von Lütz das Ende des Erstzugangsrechts der Patient/innen zur ambulanten Psychotherapie, also der freien Arztwahl, und dagegen wehren sich die Psychotherapeut/innen zu Recht. Deswegen ist die Bundespsychotherapeutenkammer für Lütz auch ein rotes Tuch: sie würde nur Lobbyismus betreiben. 200.000 Bürger/innen, die eine Petition gegen Spahns voreilige Regulierungspläne unterschrieben haben, haben den Lobbyismus unterstützt.
Wer braucht Psychotherapie, wer was anderes und wie soll es geregelt werden?
Wie gesagt, gegen eine bessere Steuerung in der Psychotherapie spricht nichts, erst recht nichts gegen eine bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung, wenn man Lützens Anliegen einmal vernünftig reformuliert. Kooperation und Vernetzung sind wegweisende Begriffe in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung. Gesetzlich Versicherte haben nach § 11 (4) SGB V sogar einen Anspruch auf Versorgungsmanagement, „insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung.“ Aber wie wäre das klug zu organisieren? Müssten tatsächlich die ca. 6.000 ärztlichen Psychotherapeut/innen die Abklärung des Therapiebedarfs für Millionen Patient/innen vornehmen, kämen sie wohl schnell ans Ende ihrer Kapazitäten und nicht wenige würden als reine Diagnostiker auch die Lust an ihrem Beruf verlieren. Dieses Modell ist eine Totgeburt, und das nicht, weil die Bundespsychotherapeutenkammer dem Lobbyismus frönt.
Manfred Lütz hat auch sonst einige Ideen von sich gegeben, die von Gedankenfäule befallen sind, z.B. dass die Psychotherapeutendichte Freiburgs auf den Bund hochgerechnet dazu führen würde, dass in 10 Jahren alle Bundesbürger eine Therapie hätten und die Therapeuten dann arbeitslos wären. Als Faschingsgag wäre das plump, als Argument in der Psychiatrieplanung ist das nur abwegig. Ganz davon abgesehen, dass die Lebenszeitprävalenz einer ernsten psychischen Störung bei ca. 50 % liegt, d.h. jeder Zweite muss in seinem Leben damit rechnen, einmal von einer psychischen Störung betroffen zu sein. Im Laufe eines Jahres, ich habe die Zahlen des RKI schon oft genannt, leidet etwa jeder Dritte unter einer psychischen Störung, viele davon werden zu spät behandelt.
Es gibt eben einen hohen Versorgungsbedarf in der Gesamtbevölkerung, nicht nur für die Patient/innen von Herrn Lütz.
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