Der Klimawandel und unser Umgang damit
Nein, nicht wirklich. Nur sein Geist geht dort schon länger um. Gerade macht in den sozialen Medien und darüber hinaus ein Achgut-Beitrag über einen Artikel im Psychotherapeutenjournal, der Zeitschrift der Bayerischen Psychotherapeutenkammer, Furore. In dem Artikel geht es darum, inwiefern der Klimawandel und seine Folgen von manchen Menschen regelrecht verdrängt werden, wie das zu erklären ist und was man daraus für Konsequenzen ziehen sollte, insbesondere auch, welches politische Engagement Psychotherapeuten zeigen sollten.
Bei Achgut wurde das so zurechtgebogen, der Artikel erkläre Klimaleugner zu Psychopathen und das sei die gleiche Methode wie die Psychiatrisierung von Oppositionellen in der Sowjetunion. Selbst „bürgerliche“ Medien wie die WELT folgen dieser Lesart und scheuen dabei auch nicht vor eindeutigen Falschzitaten zurück.
Darauf will ich hier nicht mehr eingehen, das Verhältnis von politischem Verhalten und Psychiatrie habe ich gerade erst diskutiert. Dabei hatte ich mich auch auf den Artikel im Psychotherapeutenjournal bezogen. Dass man nicht ohne Weiteres politische Einstellungen psychiatrisch deuten darf, ist selbstverständlich. Zunächst einmal sind weder Dummheit noch Leugnung des wissenschaftlichen Sachstands Krankheitssymptome. Und Zweifel vorzubringen an manchen Aussagen zum Klimawandel oder an Vorschlägen, wie mit dem Klimawandel umzugehen ist, schon gar nicht. Was mir allerdings nicht klar war, als ich meinen Blogbeitrag schrieb, war das Ausmaß an Ressentiment und purem Hass, das der Achgut-Beitrag zur Folge hatte, seien es die Kommentare dort oder andernorts.
“Hohes sprachliches und intellektuelles Niveau”
Bei Achgut gibt es eine Netiquette. Darin heißt es:
„Auch Zuschriften, die andere Personen verletzen sollen, veröffentlichen wir nicht. Bei sonstigen Beschimpfungen bitten wir um ein der „Achse des Guten“ gemässes, hohes sprachliches und intellektuelles Niveau – sonst heißt es auch hier: leider nein.“
Beachtet wird das nicht, höchstens das der Achse “gemässe” sprachliche Niveau. Die Kommentare auf Achgut zum Beitrag im Psychotherapeutenjournal sind eine einzige Hetzkampagne. Harmlos sind noch Kommentare, die Psychotherapeuten pauschal für bekloppt erklären, weil sie sonst ja was anderes studiert hätten, oder Kommentare, die fordern, Fabian Chmielewski, der Autor des Artikels im Psychotherapeutenjournal, gehöre in die Klapse. Manchmal auch in die „Klappse“, Schreibfehler sind ja ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass man es mit Wutbürgern zu tun hat. Angesichts dessen, dass die Leute sich gegen die Psychiatrisierung ihrer Meinung verwehren – im Prinzip ja zu Recht -, schon paradox genug. Aber die Achgut-Leserschaft entblödet sich nicht, darüber hinaus widerliche Nazivergleichen zu bemühen:
• Eine Gabriele Schulze schrieb beispielsweise: “Wird Hadamar schon eingerichtet?”
• Ein Gottfried Meier: “Ich bin überzeugt, dass dieser Fabian Chmielewski prädestiniert gewesen wäre, in unserer dunkelsten Zeit ein willfähriger Helfer zu sein.”
• Einem E.Albert kamen “immer wieder Parallelen in den Sinn: von den Nürnberger Rassegesetzen bis zur willkürlichen Festsetzung von Regimegegnern in der DDR, von Begriffen, wie “lebensunwertes Leben” bis “Volkszersetzer”.”
• Ein Gert Hans Wengel meint: “zu der totalitären Ansicht der Nazis, dass Juden Bakterien sind, die den an sich gesunden deutschen Volkskörper krank machen, ist es kein allzu großer Schritt mehr.”
Eben jenes Milieu, das sich sofort lautstark beschwert, wenn man im Zusammenhang mit der AfD Nazivergleiche anstellt, tut sich umgekehrt damit ganz leicht. Auf Achgut ist das besonders merkwürdig, weil man Henryk Broder, dem Hausherrn des Blogs, bestimmt nicht erklären muss, was Hadamar ist und was dort geschehen ist. Es gibt in der Kommentarspalte zum Beitrag von Fabian Chmielewski keinen einzigen Kommentar, der eines seiner Argumente aufgreift. Es geht vielen nur darum, brutalstmöglich gegen ihn Position zu beziehen. Die Meute folgt einer Duftmarke, keiner Argumentation. Am Werke sind da keine „Klimawandelzweifler“, wer so agiert, kennt keine Zweifel, der kennt nur die Gewissheit der Feindschaft und Feinde gilt es auszuschalten.
Worte und Taten
Das kann gefährlich werden. Nicht umsonst diskutieren wir anlässlich des Mordes an Walter Lübcke oder des Anschlags in Halle gerade auch, welche Wirkungen Worte auf politische Wirrköpfe ausüben können, zu welchen Taten sie Anlass geben können. Inzwischen hat einer aus der Szene der Besorgten, die so sorglos mit ihren Worten umgehen, Heiko Schrang, auf Youtube einen Aufruf zur Tat online gestellt, den Link erspare ich mir. Natürlich fordert er nicht explizit dazu auf, gegen Fabian Chmielewski oder andere Psychotherapeuten gewalttätig zu werden, aber wer weiß, wie die sehr Besorgten, die so wütend darüber sind, dass sie angeblich für verrückt erklärt wurden, seinen Aufruf verstehen. Wer glaubt, er stehe moralisch auf der Seite des Widerstands gegen Hadamar, fühlt sich leicht zu irgendeiner Tat aufgerufen. Der Kommentar auf Achgut hat es dann natürlich so nicht gemeint. Biedermann und Brandstifter, ein Vexierbild.
Ich fürchte, die Radikalisierung des öffentlichen Diskurses ist noch nicht abgeschlossen, da steht uns noch einiges bevor. In manchen Kreisen gilt die immer schrillere, die immer extremere Sprache als Beweis der Stärke. Die Ermahnung, sich zu besinnen, was Worte anrichten können, wird da vermutlich als Versuch der Verbalkastration wahrgenommen. Ob die Leute nur ein Rad abhaben oder mehr, sei dahingestellt.
Das Psychotherapeutenjournal war sich übrigens bewusst, dass der Artikel von Fabian Chmielewski auch kritische Reaktionen hervorrufen wird. Im Editorial heißt es:
„Ein streitbarer Text gewiss, aber gerade in seiner Zuspitzung und Parteinahme ein geeigneter Anstoß für die nötige Debatte um die gesellschaftspolitische Verantwortung unserer Berufsgruppe und für die Diskussion um die Möglichkeiten – und Grenzen – des Engagements in unseren Rollen als Psychotherapeuten und Bürger.“
Das wird man doch noch sagen dürfen. Oder auch nicht, wenn es nach der Achse des Guten geht.
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Edit: Über das der Achse “gemässe” sprachliche Niveau musste ich länger nachdenken. Den Halbsatz habe ich ergänzt.
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