Alle Jahre wieder, kommt das Christuskind. Die Skeptiker nebenan ziehen erwartungsgemäß wieder einmal über die Weihnachtsbräuche her und beschäftigen sich damit, was man Kindern antworten soll, wenn sie fragen, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Klar, man kann naturwissenschaftlich hinterfragen, wie der Weihnachtsmann funktionieren müsste, gäbe es ihn. Aber das ist doch Abiturientenscherzniveau. Fast so albern wie die Frage, ob Dubium C 30 gegen Bitterkeit wirkt.
Jetzt mal ernsthaft: Es gibt weihnachtliche Probleme, die nach echten Lösungen verlangen. Beispielsweise Weihnachtsstress. Dagegen empfiehlt die Carstens-Stiftung mit ihren bewährten, aus dortiger Sicht also evidenzbasierten Rezepten in ihren „TOP 10 zur Weihnachtszeit“ abwechselndes Atmen durch das linke und rechte Nasenloch. Das jeweils andere Nasenloch dazu verschließen. Ganz einfach. Wenn man es mit der nötigen Gelassenheit macht, wirkt es vermutlich. Der Tipp, zur Vitamin-D-Produktion mal an die frische Luft zu gehen, klingt dagegen erst mal ganz vernünftig. Daher ist nicht ganz nachvollziehbar, warum die Carstens-Stiftung so etwas empfiehlt.
Möglicherweise steht dahinter der Konkurrenzkampf unter Anbietern sinnloser Mittel, hier also die Abwehr der meist unnötigen pharmakologischen Vitamin-D-Substitution. Kunden, die Produkte kaufen, die man nicht braucht, müssen schließlich im eigenen Marktsegment gebunden werden. Für sie gibt es in den TOP 10 auch noch den Hinweis auf Okoubaka D3 gegen weihnachtliches Völlegefühl. Ganz wichtig: „Nicht nur im akuten Fall: 3x täglich eine Tablette vor den Mahlzeiten kann auch vorbeugend eingenommen werden.“ Präventive Homöopathie. Wenn das der Hahnemann wüsste. Auch beim Weihnachtskater hat die Carstens-Stiftung Rat: „Das Schüßler Salz Nr. 9 (Natrium phosphoricum) im Wechsel mit Nr. 7 (Magnesium phosphoricum) wird hier oft empfohlen.“ Klingt nachvollziehbar, Rollmops hat sich schließlich zur Rekonstitution eines alkoholbedingt gestörten Elektrolythaushalts auch bewährt. Der Salzgehalt der Schüßler-Salze ist allerdings anders als beim Rollmops homöopathischer Natur, daher wären Wirksamkeitsnachweise interessanter als die Information, dass Nr. 9 und Nr. 7 „oft empfohlen“ werden. Das glaube ich unbesehen gerne.
Eine wichtige Frage lässt die Carstens-Stiftung genauso offen wie die Skeptikerbewegung. Was sagt man Kindern, wenn sie fragen, ob der Weihnachtsmann der Papa vom Christkind ist? Gentests gibt es dazu nicht, die Mutter des Kindes macht vaterschaftsrechtlich fragwürdige Angaben und vor dem Hintergrund dessen, dass sich rein logisch aus falschen Prämissen alles ableiten lässt, ist es auch sonst keine einfach zu beantwortende Frage. Und dass der Storch das Christkind gebracht hat, glaubt bestimmt kein Mensch.
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Nachtrag: Der letzte Absatz macht mir unter Evidenzgesichtspunkten echt Probleme. Vielleicht sollte man die Storchenhypothese als Lösung des Rätsels der Jungfrauengeburt doch nicht so einfach beseiteschieben, siehe z.B. Höfer et al. (2004). Dass es sich bei der Geschichte nur um einen Übersetzungsfehler handelt, wie der Mediävist Kurt Flasch meint, ist schließlich auch nicht durch RCTs belegt.
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