Ob wir Angst davor haben, dass das Virus viele Todesopfer in der Bevölkerung verursacht, also mit einer hohen Mortalität einhergeht, und dass es uns nicht gelingt, es effektiv einzudämmen? So wie weltweit z.B. die Tuberkulose, die Masern oder – auch bei uns immer wieder – die Influenza? Dann hätten wir berechtigte Sorge. Seit sich das neue Corona-Virus ausbreitet, hat die Influenza bei uns wohl schon eine ganze Reihe von Menschen getötet, unauffällig, ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Wir wissen es nicht und den meisten von uns ist es egal. Obwohl die „Zielgruppe“ des neuen Corona-Virus vermutlich der gleiche Personenkreis ist.
Ob wir Angst davor haben, dass es im Erkrankungsfall viele Todesfälle verursacht, also eine hohe Letalität hat und wie praktisch alle Viruserkrankungen nicht gut behandelbar ist? Zu Recht hat uns das bei den wiederholten Ebola-Ausbrüchen umgetrieben. Die Letalitätsrate lag da, je nach Population und den konkreten Umständen, bei bis zu 80 %. Das scheint beim neuen Corona-Virus nicht der Fall zu sein. Vielleicht liegt die Letalität in einer ähnlichen Größenordnung wie die der Influenza? Wir werden sehen.
Haben wir also Angst davor, das neue Virus könnte so sein, wie andere Infektionskrankheiten, die wir kennen und vor denen wir uns nicht weiter fürchten? Zu Recht oder zu Unrecht? Oder haben wir Angst vor dem Gespenst der Epidemiologie, dem unbekannten Unsichtbaren? Zu Recht oder zu Unrecht? Hätte die Sache mit BSE oder der Schweinegrippe nicht auch ganz anders ausgehen können, als so vergleichsweise harmlos, wie es aus heutiger Sicht kam, und wie es die mit genug hindsight bias gesegneten Leute schon immer wussten? Komischerweise ist das unbekannte Unsichtbare in anderen Fällen nicht die Quelle von Angst vor Krankheit, sondern Quelle der Hoffnung auf Heilung. Der Mensch ist schon ein seltsames Wesen.
Sicherheit und Ignoranz
Das gilt auch für sein Verhalten gegenüber Gefahren, die ihm so gemächlich begegnen, dass Zeit wäre, überlegt darauf zu reagieren. Seit mindestens 30 Jahren reden wir über den menschengemachten Klimawandel. Wäre der Klimawandel ein Virus, ein neues, unbekanntes Virus, das droht, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, herbeizuführen, würden wir dann zu chinesischen Maßnahmen greifen? Lassen wir es mit dem Klimawandel nur deshalb so weit kommen, weil wir uns, wie der berühmte Frosch im langsam erhitzenden Wassertopf, daran gewöhnt haben und nicht herausspringen, bis es zu spät ist? Allein danach zu fragen, kann unbequem werden. Das Bewirtschaften von Ängsten ist ein Markt, der eigenen Regeln folgt.
Eins ist jedenfalls ziemlich sicher: Das neue Corona-Virus wird nicht das Ende der Welt bringen. Wir müssen wachsam sein, aber der Klimawandel sollte uns mehr Angst machen.
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Zum Weiterlesen:
• Ortwin Renn: Das Risikoparadox. Warum wir uns vor dem Falschen fürchten. Frankfurt 2014.
• Joseph Kuhn, Manfred Wildner (Hrsg.) Gesundheitsdaten verstehen. 2. Aufl., Bern 2019.
• Das RKI zum neuen Corona-Virus: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html
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