Die Zukunft geht uns alle an. Daher müssen auch alle darüber mitreden können. Das gilt für den Ausstieg aus dem Shutdown bzw. die Fortführung von Seuchenbekämpfungsmaßnahmen ebenso wie für die Wege der ökonomischen Bewältigung der Krise.
Der Baden-Württembergische Ministerpräsident Kretschmann hat sich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung so positioniert, dass die Staatsschulden innerhalb von 10 Jahren abgebaut werden müssten und daher die meisten von uns nach der Coronakrise ärmer sein werden. Die „Wirtschaft“ soll ja nicht belastet werden.
Als realpolitische Prognose mag das zutreffen. Aber man muss sich damit nicht schicksalsergeben abfinden oder das gar als alternativlosen makroökonomischen Weg mit unvermeidlichen sozialen Verwerfungen vorzeichnen. In den „Freiburger Diskursen“ hat der Ökonom Guenther Grunert gerade ein Interview gegeben, das die Annahmen, die hinter solchen Strategien stehen, kritisch reflektiert. Er bezieht sich dabei nicht explizit auf Kretschmann, man kann das Interview aber lesen wie eine Antwort auf den schwäbischen Hausmann. Möglicherweise hatte der nämlich bei seiner Äußerung nicht im Blick, dass Staatsfinanzen anders funktionieren als private Sparkonten.
Ich habe zwar vor Jahrzehnten ein paar Semester Betriebswirtschaftslehre studiert (u.a. bei dem später einflussreichen wirtschaftsliberalen Geldtheoretiker Otmar Issing), bin aber natürlich kein Fachmann für volkswirtschaftliche Fragen. Mit anderen Worten: Ich kann bei dem Thema nicht wirklich fachkompetent mitreden. Das wird vielen anderen genauso gehen. Die meisten von uns sind auch keine Virologen, keine Spezialisten für epidemiologische Modellierung oder für Infektionsschutz. Aber wir alle müssen trotzdem mitreden, wenn es um die Frage „wie weiter“ geht. Dazu brauchen wir breite – und auch kontroverse – Debatten, wissenschaftlich gut beraten natürlich.
Um noch einmal den Ethikrat zu zitieren: „Die Corona-Krise ist die Stunde der demokratisch legimitierten Politik“. Lassen wir uns das nicht aus der Hand nehmen. Auch nicht von den Wissenschaftler/innen, die für eine demokratisch legitimierte Politik so unverzichtbar sind wie das Wasser für die Blumenwiese – oder den alten Kaktus aus Stuttgart. Es ist unsere Zukunft.
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