Der rechte Populismus hat es gerade nicht leicht. Zwar ist mit dem Lockdown eine Situation eingetreten, von der Prepper immer geträumt haben, aber ihre Klopapiervorräte haben sie aufgefüllt und darüber hinaus steckt der rechte Populismus in ideologischen Verwirrungen. Ausgerechnet Merkel hat die Grenzen geschlossen. Nicht zuletzt, damit nicht aus Ischgl und der Lombardei noch mehr Infektionen eingeschleppt werden, weil dort u.a. AfD-Freinderl Mist im Umgang dem Virus gebaut haben. Und dann fordert die AfD auch noch die Einreise osteuropäischer Erntehelfer. Merkel hilf!
Gut, die Stunde der rechten Populisten wird früh genug wieder schlagen. Gerade probieren sich Populismuslehrlinge von links in dem Metier. Die Tagesschau hat einen Tweet des Bundestagsabgeordneten Victor Perli von den Linken aufgegriffen. Der schreibt dort:
„Obacht! Die #Leopoldina, deren marktradikale Strategie in der #CoronaKrise (u.a. Steuersenkungen für Superreiche und Konzerne) gerade fast überall verbreitet wird, wollte uns vor ein paar Jahren noch erklären, dass 1300 Kliniken überflüssig sind.“
Klinikschließungen sind ein emotional hochbesetztes Thema. Die AfD hatte 2016 im Zusammenhang mit der geplanten Schließung der Geburtshilfestation in Wolgast gezeigt, wie man das populistisch nutzen und Wahlkampferfolge erzielen kann. Warum also jetzt nicht mal gegen die Überlegungen zur Klinikreform polemisieren: Jedem sein kleines Krankenhaus um die Ecke, ein Menschenrecht!
Nur leider geht es bei der Frage, welche Krankenhausstruktur Deutschland braucht, um ganz verschiedene Dinge. Die Wohnortnähe von Geburtshilfestationen ist primär eine ökonomische Frage. Die Wohnortnähe spezialisierter Operationen, z.B. bei Herzinfarkt oder Schlaganfall, ist primär eine Frage, wo man in welcher Menge die dafür nötige technische Ausstattung und erfahrenes Personal vorhalten soll. Erfahrung kommt durch Mindestmengen. Es macht z.B. keinen Sinn, wohnortnah alle möglichen Operationen anzubieten, wenn das Personal keine Möglichkeit hat, ausreichend Erfahrung zu sammeln. Das ökonomische Problem, dass teure Technik bei wenigen Operationen nicht ausgelastet ist, kommt obendrauf. Für mehr Herzinfarkte zu sorgen, damit jedes Krankenhaus genug Fälle hat, kann die Lösung nicht sein.
Wenn man also möchte, dass Schlaganfälle nicht in spezialisierten Stroke Units, sondern wohnortnah von Teams behandelt werden, die das ab und zu mal machen, dann sollte man das so sagen. Und zwar mit allen Konsequenzen: Das populistische Rezept „Alles überall für Alle“ würde dafür sorgen, dass die Versorgung überall schlechter wird, mehr Menschen sterben und dafür auch noch mehr Geld nötig wäre. Intensivbetten sind in den letzten Jahren übrigens gegen den Trend des Bettenabbaus mehr geworden. Niemand will die intensivmedizinische Versorgung schwächen, im Gegenteil.
Victor Perli hätte z.B. fordern können, dass die Regierung ein gutes Konzept für die künftige Organisation der intensivmedizinischen Versorgung vorlegt, mit den nötigen Pflegeressourcen, mit der nötigen Infrastruktur in der Peripherie, mit Vorsorge für künftige Pandemien, und wie das alles in ein gesundheitspolitisches Gesamtkonzept einzubetten ist, das den Krankenhäusern ein vernünftiges Wirtschaften ermöglicht und gleichzeitig keine Anreize in Richtung unnötiger Behandlungen setzt. „Einzubetten“ ist in dem Zusammenhang kein bloßes Wortspiel. Spezialisierte Versorgungseinrichtungen können nicht als medizinindustrielle Großfabriken mit Nichtsdrumrum in die Landschaft gesetzt werden.
Darüber müsste man natürlich nachdenken, auch nachlesen, was es dazu schon gibt. Da ist es einfacher, mal einen populistischen tweet rauszuhauen. Trump fährt damit ja auch ganz gut. Vermutlich hat Victor Perli dabei nicht gegen besseres Wissen getwittert, er hat wohl schlicht keine Ahnung von Gesundheitspolitik. Er ist Haushaltspolitiker und hat sich mit Mieten, Verkehr und Sicherheitspolitik beschäftigt, wobei auch da öffentlich nicht viel von ihm zu hören war. Wem Popularität fehlt, neigt vielleicht eher zu Populismus. Vertrauen schafft das nicht.
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