Am 2.2.2020 hatten die Skeptiker nebenan auf einen Beitrag der Ärztin Dr. Daphné von Boch in der Anthroposophenzeitschrift „Erziehungskunst“ aufmerksam gemacht. Der Beitrag hat den Titel „Der Kampf um die Impfungen“, er ist nach wie vor online.

Dort kann man beispielsweise lesen:

„Der Körper jedes Menschen ist aus einem ganz individuellen Eiweiß aufgebaut. (…) Das eigene individuelle Eiweiß wird aber erst im Laufe der Kindheit entwickelt. Bei der Geburt ist der Körper des Neugeborenen noch aus dem Eiweiß der Mutter gebildet. Dieses muss mit der Zeit aufgelöst und ausgeschieden werden. Erst danach kann das Kind sein eigenes, individuelles Eiweiß bilden – das seinem eigenen Ich, seinem ganz individuellen geistigen Wesen entspricht. Um das mütterliche Eiweiß aufzulösen und auszuscheiden sind die Kinderkrankheiten da.“

„Mütter wussten früher: Kinderkrankheiten, die nicht nach außen schlagen können, schlagen nach innen. Das aufgelöste Eiweiß muss unter allen Umständen ausgeschieden werden. Kann es nicht durch die Haut, muss es durch die Lunge: Es tritt eine Lungenentzündung auf.“

„Impfungen sind nicht ganz ungefährlich. Im Umkreis meiner Praxis wird immer wieder von Menschen berichtet, die bisher gesund waren und nach einer Impfung unter chronischer Müdigkeit, epileptischen Anfällen, Austismus nach der Masern-Mumps-Röteln-Impfung (Wakefield 2016) u.a. leiden, weniger von einem durch Masern geschädigten Kind.“

„Könnte es sein, dass manche Impfungen gerade bei Säuglingen, die noch kein fertig ausgebildetes Immunsystem und Gehirn haben, eine Tendenz zur Verfestigung des Gehirns bewirken? Diese Frage wurde trotz der Todesfälle nicht geklärt.“

Die Autorin ist Mitglied der Ärztekammer Baden-Württemberg. In der Berufsordnung der Ärztekammer Baden-Württemberg heißt es in § 2 (3):

„Eine gewissenhafte Ausübung des Berufs erfordert insbesondere die notwendige fachliche Qualifikation und die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse.“

Ich habe daraufhin die Ärztekammer Baden-Württemberg angeschrieben und gefragt, wie sich die Ausführungen von Dr. Daphné von Boch mit der zitierten Bestimmung der Berufsordnung vereinbaren lassen. Man hat mir dann mitgeteilt, dass die Bezirksärztekammer Südbaden zuständig sei und man meine Anfrage dorthin weitergeleitet habe. Dann war Funkstille, Corona kam und ich habe die Geschichte vergessen. Bis heute ein Brief der Bezirksärztekammer Südbaden kam:

„Ihrer Bitte um eine berufsrechtliche Bewertung des Vorgangs können wir aus Rechtsgründen nicht entsprechen. Gemäß § 55 Abs. 2 Satz des Heilberufe-Kammergesetzes des Landes Baden-Württemberg können wissenschaftliche Ansichten und Handlungen niemals den Gegenstand eines Berufsgerichtsverfahrens darstellen. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung sind wissenschaftliche Ansichten und Handlungen im Rahmen der Berufsaufsicht nicht zu überprüfen und zu bewerten. Die Auseinandersetzung darüber ist vielmehr der wissenschaftlichen Diskussion in den medizinischen Fachkreisen zugewiesen.“

Die Frage, ob die Ärztekammer die Ausführungen von Frau Dr. Daphné von Boch allen Ernstes für „wissenschaftliche Ansichten“ hält, einschließlich der Bezugnahme auf den in Großbritannien mit Berufsverbot belegten Betrüger Wakefield, muss man wohl nicht stellen. Konsequenterweise sollte die Ärztekammer Baden-Württemberg § 2 (3) ihrer Berufsordnung streichen. Weitere resignative Gedanken über die Rolle der Ärztekammern bei der Qualitätssicherung ärztlicher Tätigkeit erspare ich mir – das gefährdet sonst meine samstägliche Ausgeglichenheit und bringt mein individuelles Eiweiß in Wallung.

Kommentare (29)

  1. #1 meregalli
    1. August 2020

    Ist schon ein Schmankerl, dieses Souffle!

  2. #2 borstel
    1. August 2020

    Autschn! Ich kann ja verstehen, was den Gesetzgeber von BaWü dazu gebracht haben wird, diesen Paragraphen so zu formulieren, aber es wird damit das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Nach dieser Logik ist es aus meiner Sicht unmöglich, einem Nazi-Arzt berufsrechtlich beizukommen, wenn er einen Ausländer oder jemanden mit nicht ganz so weißer Hautfarbe diskriminiert – der besagte Absatz verbietet nämlich auch die Verfahrenseinleitung aufgrund “politischer Ansichten”.
    Übel daran ist vor allem, daß die Landesärztekammer es auch nicht für nötig zu halten scheint, beim Landesgesetzgeber auf eine Änderung dieses Gummiparagraphen hinzuwirken.

    Und es zeigt, wie irrwitzig der deutsche Föderalismus ist: Weder das Heilberufsgesetz des Landes, in dem ich lebe, noch das Gesetz des Landes, in dem ich arbeite (und dessen Kammer ich damit angehöre), haben eine solch irritierende Einschränkung in die Abschnitte zur Berufsgerichtsbarkeit aufgenommen. Rechtsgleichheit in Deutschland? Fehlanzeige!

    • #3 Joseph Kuhn
      2. August 2020

      @ borstel:

      Die entscheidende Frage ist, ob § 55 (2) des BW-Heilberufe-Kammergesetzes hier überhaupt einschlägig ist. Was “wissenschaftliche Ansichten und Handlungen” sind, muss ja gegenüber “unwissenschaftlichen Ansichten und Handlungen” abgrenzbar sein.

      Die Antwort der Kammer adelt die Ansichten der guten Frau implizit zu wissenschaftlichen Ansichten – obwohl genau das der Kritikpunkt ist. Wüsste man, dass die Kammer das in vollem Bewusstsein getan hat, zeugte dies von einer ordentlichen Portion Chuzpe. Aber wie gesagt, vielleicht ist es besser, dass man nicht weiß, was die Bezirkskammer Südbaden von den seltsamen Ansichten von Frau v. Boch hält, bevor einem noch das individuelle Eiweiß gerinnt.

  3. #4 Udo Endruscheit
    Essen
    2. August 2020

    Du wirst doch jetzt nicht koagulieren, Joseph???

  4. #5 Kinseher Richard
    2. August 2020

    off topic
    In Schweden wurde in der Grippe-Saison 2009/2010 für einen Teil der Impfungen ein fehlerhaft hergestellter Influenza-Impfstoff verwendet – wodurch es bei mehreren Hundert Menschen zu einer irreversiblen neurologischen Störung kam (Narkolepsie).

    Mangelnds Vertrauen in Impfstoffe könnte ein Grund sein, warum man in Schweden jetzt bei Covid-19 auf Durchseuchung setzt.

  5. #6 rolak
    2. August 2020

    Da schau, nach langen Jahren schmerzlichen Vermissens ist endlich die bisher fehlende Ergänzung zum GummiParagraphen gefunden worden: die HartgummiFormulierung:

    Wie können nichts zur Wissenschaftlichkeit der Aussage sagen, denn wenn sie wissenschaftlich ist, dürfen wir das nicht.

    Da droht die enorm gute B-Note fürs elegante ThemenAusweichen unbeachtet zu bleiben…

    kin

    ..kommt aus dem Englischen und bedeutet bekanntermaßen ‘Verwandschaft’ bzw ‘Sippe’ – und so trägt der -seher nicht nur seine Eigensicht ‘Prophet’, sondern auch sein EinzigMittel confirmation bias im Namen, ein wwwAnalogon der Mimikri (eigentlich ja mimimi-kri).
    Hier wieder zu bewundern: K. erblickt nur Wortpartikel (hier ‘impf*’), zu denen K. höchst schwafelig nichts zu sagen hat. Gibt es nichts Bedrohliches dazu, so wird es erfunden (Schaden wg ‘Teil .. fehlerhaft hergestellt’) oder massiv überzeichnet. Gerne wird auch die Realität auf links gekrempelt (‘Schweden [setzt] jetzt bei Covid-19 auf Durchseuchung’).

  6. #7 Stephan
    2. August 2020

    @JK
    “Konsequenterweise sollte die Ärztekammer Baden-Württemberg § 2 (3) ihrer Berufsordnung streichen. ”

    Nein. Sich auflösen.

  7. #8 echt?
    2. August 2020

    Die Uni Tübingen wollte ja auch Dr. Hamer die Promotion nicht wegen Unwürdigkeit entziehen, obwohl dies nach der Promotionsordnung zulässig war.

  8. #9 Susanne Aust
    Schopfheim
    2. August 2020

    Zu dieser Dame gibt es auch diesen interessanten Artikel:

    https://anthroposophie.blog/2020/02/12/waldorfpadogik-und-impfung/

    • #10 Joseph Kuhn
      2. August 2020

      @ Susanne Aust:

      Guter Artikel. Zumal zwei Bilder zum Trend der Masern und der Maserntoten mit in Guttenbergsch mühevollster Kleinarbeit erstellter Beschriftung aus einem Blogbeitrag von mir sind – die Übernahme ist nachträglich natürlich gerne genehmigt*, bevor das noch einem Abmahnanwalt auffällt 😉

      Der Artikel macht noch einmal deutlich, dass im Prinzip jeder Satz von Frau v. Boch Nonsens ist. Aber wie schrieb einst schon Heinrich Hoffmann, Psychiater und Autor des Struwwelpeter: “Meine lieben Freunde, unser Herrgott hat sonderbare Kostgänger auf seiner Erde, und wunderliche Käuze gibt’s in allen Ständen und Berufen; aber die bunteste Gesellschaft finden wir doch unter uns Ärzten!” (Herzog-Hoinkis/Seifert: Allerlei Weisheit und Torheit. Ein Heinrich-Hoffmann-Lesebuch. Mabuse 2019, S. 107).

      Dies duldsam akzeptierend scheint die Maxime der Bezirksärztekammer Südbaden zu sein. Möge es so sein, von einem Karnevalverein würde man ja auch nicht erwarten, dass er die Wissenschaftlichkeit von Jeckenvorträgen prüft.

      ———
      * und inzwischen auch ordentlich als Übernahme gekennzeichnet.

  9. #11 Kerberos
    2. August 2020

    @echt,
    dafür wäre die Fakultät zuständig, nicht die Uni.
    Und wenn ich an die Ausstattung “meiner” Fakultät
    von damals denke, kann ich mir vorstellen, daß
    die sich nie auf die damit fast sichere Prozessiererei
    einlassen können.
    -1 Dekan, Ehrenamt (Mummenschanz sagte man in den 60ern)
    – 1 Dekanatsassistent, Nebenjob
    – Etat??
    Kerberos

  10. #12 echt?
    2. August 2020

    Nö, die wollten einfach nix machen. Die wollten nicht noch einen Rechtsstreit mit dem Scharlatan und haben offensichtlich auf die biologische Lösung gesetzt. Deshalb erinnere ich von Zeit zu Zeit daran.

  11. #13 borstel
    2. August 2020

    @ JK: Völlig einverstanden, die Kammer macht es sich hierbei viel zu einfach, ob aus falsch verstandenem Pluralismus, Angst vor einem Shitstorm oder Sympathie für die “Kollegin”, sei einmal dahingestellt.
    Abgesehen davon sind ja Versuche, solchen “Kollegen” das Handwerk zu legen, auch in anderen Kammerbezirken ohne Erfolg gewesen, meist mit der Argumentation: “Fällt unter das Recht auf freie Meinungsäußerung, und solange nicht nachgewiesen ist, daß Dr. XYZ einen Patienten tatsächlich so behandelt und dazu noch ihm geschadet hat, können wir nix tun …”

    @ Stephan: Ich kann ja Deine Reaktion verstehen, aber würde trotzdem gerne wissen wollen, was Du anstelle der Kammer setzen willst? Aus meiner Sicht hat es deutliche Vorteile und ist ein großes Privilig zugleich, daß die Freien Berufe keine direkte staatliche Aufsicht haben, sondern sich selbst verwalten dürfen. Daß wir uns dieses Rechts als würdig erweisen sollen, und daß dies durch die windelweiche Entscheidung der südbadischen Kammer nun gerade nicht geschehen ist, bestreite ich ja gar nicht.

  12. #14 Uli Schoppe
    Mönchengladbach
    2. August 2020

    @borstel
    Das die Selbstverwaltung so offensichtlich gar nicht funktioniert führt zu welchem Schluss?

  13. #15 borstel
    2. August 2020

    Ergänzend: Frau Dr. von Boch hat ihren vollkommenen Unsinn auch in das Schweizer anthroposophische Qualitätsblatt “Der Europäer” aus dem Perseus-Verlag eingestellt: https://donotlink.it/mwrLv. In dieser Zeitschrift verbreitet sich auch ein gewisser Elias Davidsson, der im übrigen zu 100% das üble Klischee vom “jüdischen Selbsthaß” erfüllt. Wie auch immer, dieses bösartige Pamphlet wäre durchaus einen Psiram-Eintrag wert. Davidsson jedenfalls hat es schon dorthin geschafft.

  14. #16 Uli Schoppe
    Mönchengladbach
    2. August 2020

    @borstel
    Das ändert nun aber gerade gar nichts an der Tatsache das man denen die Selbstverwaltung besser wegnimmt und die Spinner abwürgt. Selbst tun sie das ganz offensichtlich nicht.

  15. #17 borstel
    2. August 2020

    @ Uli Schoppe: Die Selbstverwaltung funktioniert durchaus; sei es in der Organisation der (ärztlichen) Weiterbildung, der Einrichtung von Versorgungswerken, der Aufsicht über die Ausbildung Medizinischer Fachangestellter oder in Hinblick auf Kenntnisnachweis im Strahlenschutz. Und das sind jetzt nur einige Punkte, die mir spontan einfallen.

    Und selbst, was das Standesrecht angeht (und wir können uns jetzt trefflich darüber streiten, ob ein solches Separatrecht überhaupt noch zeitgemäß ist), ist die Kammer kein zahnloser Tiger: Es werden bundesweit diverse Verfahren geführt, die bis zum Entzug der Approbation reichen – aber eben nicht in Bezug auf den Komplex, den uns Joseph Kuhn hier präsentiert.

    Daher die Gegenfrage: Was wäre denn Dein Vorschlag? Direkte Unterstellung der Ärzteschaft unter eine Behörde? Gar keine Aufsicht? Ein privatrechtliches Quasimonopol, wie es bei FMH, AMA und BMA üblich ist?

  16. #18 Uli Schoppe
    Mönchengladbach
    2. August 2020

    @borstel
    So richtig klar bin ich mir da auch nicht. Vieleicht wäre es ein Weckruf wenn man der Ärzteschaft in Aussicht stellt das Ihr demnächst eine Behörde Vorschriften macht wenn sie die Vollspacken nicht unter Kontrolle bekommt? Ich halte eigentlich gar nichts von Repression, bei mir bricht nur Verzweiflung aus wenn ich mir ansehen muss wie hier in einer Gruppe die an und für sich zu einem großen Teil aus vernünftigen Menschen besteht solche SpinnerInnen gedeckt werden. Ich bin da wirklich ein bischen hilflos und verzweifelt.

  17. #19 Uli Schoppe
    2. August 2020

    Und auch wenn das gehässig rüber kommt: Die Weiterbildung zum Homöopathen funktioniert auch weiterhin größtenteils super.

  18. #20 Stephan
    2. August 2020

    Selbstverständlich muß die Ärztekammer aufgelöst werden und die Ärzteschaft unter unabhängige (staatliche) Kontrolle gestellt werden. So wie es in allen Fachgebieten der Fall ist, die mit Gefahren für Leib und Leben sowie die Gesellschaft verbunden sind.
    Beispiel 1: Bergbehörde, ohne deren Zusage darf im Bergbau kein Spaten angefaßt werden.
    Beispiel 2: Hoch- und Tiefbau, Elektrotechnik, Maschinenbau, Chemie, StVO. Hier gibt es knallharte Gesetze und Vorschriften, die von staatlichen Fachorganen vorgegeben und überprüft werden. Ganz trivial: die DIN-Vorschriften.
    Beispiel 3, etwas weit hergeholt; Jahresbetriebspläne und gleichrangige Unterlagen, die zur Einholung der Betriebserlaubnis meist zweijährig eingereicht werden müssen.
    Eine Frau Boch würde bei in der Medizin existierenden Aufsichtsorganen achtkantig rausfliegen. Welch Segen für die Menschheit!
    Bereits die Impfpflicht würde eine ganze Sparte der Pop-Literatur trockenlegen.

    • #21 Joseph Kuhn
      2. August 2020

      @ Stephan:

      Ärzte unterliegen natürlich nicht nur der Kontrolle der Kammer, sondern auch einer Vielzahl staatlicher Vorschriften, schauen Sie mal in ein Buch über Medizinrecht, oder Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen, falls sie gesetzlich Versicherte behandeln. Auch die von Ihnen genannten Betriebe etwa im Hoch- und Tiefbau usw. sind übrigens Mitglieder einer Kammer: der Industrie- und Handelskammer oder der Handwerkskammer. Der Unterschied ist, dass hier Betriebe Mitglied sind, bei Ärzten, Rechtsanwälten, Psychotherapeuten oder Architekten sind es die Berufsangehörigen, als freie Berufe.

      Auch der Hinweis auf eine Impfpflicht passt nicht so recht. Es gibt ja eine, die Masernimpfpflicht. Sie legt nichts trocken. So wie manche Ärzte Gefälligkeitsatteste gegen die Pflicht zum Maskentragen ausstellen, stellen manche auch Gefälligkeitsatteste über Kontraindikationen gegen eine Masernimpfung aus, die zweifelhaft sind. Die Gesundheitsämter können das gar nicht in jedem Zweifelsfall überprüfen, sowenig wie andere Ämter jedem Hinweis auf Verstöße gegen Umweltvorschriften oder Arbeitsschutzvorschriften im Hoch- und Tiefbau oder in der Chemie nachgehen können.

      Die Welt ist kompliziert, oder, um noch einmal den berühmten Spruch von Henry Louis Mencken zu bemühen: “Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist.”

  19. #22 Spritkopf
    2. August 2020

    Die Frage, ob die Ärztekammer die Ausführungen von Frau Dr. Daphné von Boch allen Ernstes für „wissenschaftliche Ansichten“ hält, einschließlich der Bezugnahme auf den in Großbritannien mit Berufsverbot belegten Betrüger Wakefield, muss man wohl nicht stellen.

    Äh doch, genau die Frage stelle ich. Und ich würde gern von der Ärztekammer wissen, was für sie eine “wissenschaftliche Ansicht” ausmacht und insbesondere, inwieweit eine solche auf wissenschaftlicher Evidenz basiert sein muss.

    Würde beispielsweise auch der Tanz eines Schamanen ums Feuer oder die Verabreichung von bei Mitternacht auf einem Friedhof zu Pulver gemahlenen Kröten als durch “wissenschaftliche Ansicht” gestützte Therapieformen durchgehen, solange sie nur von einem Arzt verschrieben wurden, der der Ärztekammer Südbaden angehört?

    • #23 Joseph Kuhn
      2. August 2020

      @ Spritkopf:

      “Würde beispielsweise …”

      Darauf wird dir die Bezirksärztekammer Südbaden keine Antwort geben können. Das verbietet schließlich § 55 Abs. 2 Satz des Heilberufe-Kammergesetzes des Landes Baden-Württemberg. Und damit ist die Sache performativ als wissenschaftlich erklärt, weil wissenschaftlich umstritten bestritten – eine Paralogik, die der frühere Ärztekammerpräsident Karl Valentin erfunden haben muss 😉

  20. #24 rolak
    2. August 2020

    legt nichts trocken

    Deswegen paßt das Mencken-Zitat auch nicht so ganz, denn Pflichten, Regeln, Verordnungen und Gesetze funktionieren nie ganz, es wird zB bei genügend Antrieb immer dagegen verstoßen werden.

    Doch es gibt schönes Anderes von ihm, leider hier ein wenig OT:

    As democracy is perfected, the office represents, more and more closely, the inner soul of the people. We move toward a lofty ideal. On some great and glorious day the plain folks of the land will reach their heart’s desire at last, and the White House will be adorned by a downright moron.

  21. #25 borstel
    2. August 2020

    @ Uli Schoppe: Daß es frustrierend ist: Unbestritten! Daß (u.a. auch in BaWü) die Homöopathie es wieder in die WBO geschafft hat (und das teilweise mit wirklich idiotischen Begründungen, wie bspw. in einer Presseerklärung der Thüringer Ärztekammer nachzulesen), ist eine Schande! Ich muß zugeben, daß ich dennoch vorsichtig wäre, “den Staat” zu rufen. Herr Minister Spahn hat ja vor Corona ziemlich viel Unmut mit einigen seiner Projekte erzeugt, und daß nicht nur, weil sie (auch) in die Selbstverwaltung eingegriffen haben. Jedenfalls habe ich auch kein Patentrezept dafür, wie man Leuten beikommt, die einen solch irrwitzigen Blödsinn verbreiten. Es ist wirklich schade, daß es die Bezirksärztekammer nicht wenigstens darauf hat ankommen lassen, ob sie am Heilberufsgesetz scheitert oder nicht.

    @ Stephan: Ich bin vom Mantra “Privat vor Staat!” schon lange geheilt (wobei die Selbstverwaltung als staatlich überwachte Körperschaft des öffentlichen Rechts ja schon eine Quasibehörde ist). Nur sind Deine Beispiele zum Gutteil nicht geeignet, Deine Argumentation zu stützen:
    StVO – analog dazu gibt es (vom Arzneimittel- über das Betäubungsmittelgesetz bis hin zu den diversen Sozialgesetzbüchern) jede Menge staatliche Regelungen, die unmittelbar auf die Medizinalberufe Auswirkungen haben.
    DIN – ganz schlechtes Beispiel, denn das Institut ist privatrechtlich organisiert.
    Bergbau – man nehme es mir nicht übel, aber daß beim Betrieb eines Bergwerkes mehr schiefgehen kann, als bei einer Allgemeinarztpraxis (und insofern eine staatliche Behörde unmittelbar als Aufsicht vorgesetzt sein sollte), setze ich jetzt mal als gegeben voraus.

    Der Ruf nach dem (starken) Staat kann aber auch problematisch sein, wenn staatlicherseits gar kein Interesse zur Regulation irgendwelcher Wildwüchse besteht – Stichwort Heilpraktiker, Homöopathie etc. (ich gehe mal davon aus, daß eine Staatsaufsicht über Freie Berufe anstelle von Kammern nicht zur Unterdrückung unliebsamer Zeitgenossen mißbraucht würde, denn soviel Vertrauen in unsere liberale Demokratie habe ich noch). Daß also die besagte Kollegin ihre Approbation loswürde (oder zumindest eine empfindliche Strafe bezahlen müßte), ist also noch gar nicht gesagt.

    Und glaubst Du wirklich, daß eine Impfpflicht dazu führen würde, daß Impfgegner ihre Pamphlete nicht veröffentlichen?

  22. #26 borstel
    2. August 2020

    @ Spritkopf und JK:
    Wahrscheinlich ist es wirklich nur die fehlende Zivilcourage der Kammer, Blödsinn nicht als solchen zu qualifizieren. Aber es mit der Aussage: “Die Auseinandersetzung darüber ist vielmehr der wissenschaftlichen Diskussion in den medizinischen Fachkreisen zugewiesen.“ zu rechtfertigen, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Jeder Oberschüler könnte den Bochschen Unfug widerlegen. Dazu braucht es nicht ein einziges Semester eines Studiums.

  23. #27 Uli Schoppe
    3. August 2020

    @borstel
    Aber wie bekommt man die zum Handeln ^^ Ich denke nicht das da alle zu blöd sind zu bemer was das für ein Schwachsinn ist. Es wäre schon erstaunlich wenn da der Anteil der Unfähigen höher ist als in der Normalbevölkerung…

  24. #28 Joseph Kuhn
    5. August 2020

    Die Ärztekammern, Korpsgeist und Wissenschaft

    Wie würde wohl die Bezirksärztekammer Südbaden die Behauptungen von Hans Gschwender einordnen? Auch als wissenschaftlich zu klärende Fragen? Die Bayerische Ärztekammer, die ich damals um eine Bewertung gebeten hatte, war immerhin so klug zu schweigen. Sie sieht zwar keine Existenzberechtigung für Heilpraktiker, aber wenn es um Esoterik in den eigenen Reihen geht, ist die Sicht durch dichten Nebel behindert.

    Auch die Ärztekammer Thüringen hatte es seinerzeit vorgezogen, zu den Impfgegnerthesen ihres Mitglieds Stefan Melzer nicht Stellung zu nehmen.

    Die organisierte Ärzteschaft tat sich immer schwer, wenn es um ideologische Abgründe ihrer Mitglieder ging, und am abgründigsten waren vielleicht die jahrzehntelangen Verrenkungen gegenüber den Medizinverbrechen im Nationalsozialismus, Verrenkungen, die bis in die jüngste Vergangenheit fortdauerten.

  25. #29 Joseph Kuhn
    6. August 2020

    Noch ein Nachtrag:

    MedWatch ist im Mai auch schon mal über § 55 (2) des Heilberufe-Kammergesetzes BW gestolpert – ein vielseitig einsetzbares Instrument: “Wenn Ärzte Unsinn behaupten und Kammern dennoch wegschauen”.