In den letzten Monaten wurden wir in den Medien und den Verlautbarungen von Politik und Behörden immer wieder mit Kennziffern konfrontiert, die manchmal nicht einfach zu verstehen und einzuordnen sind. Einige wurden hier im Blog kurz erläutert, z.B. die Basisreproduktionszahl oder die Letalität.

Das Statistische Landesamt in Bayern hat gerade einen Beitrag veröffentlicht, der die wichtigsten Kennziffern fachlich fundiert und trotzdem gut verständlich erläutert. Der Beitrag unter dem Titel “Kennzahlen rund um die Corona-Pandemie” ist über die „Statistische Bibliothek“, dem gemeinsamen Publikationsserver der amtlichen Statistik in Deutschland, online verfügbar.

Am Ende des Artikels wird etwas launig darauf hingewiesen, dass die berühmten Passionsspiele in Oberammergau ihren Ursprung darin hatten, dass die Oberammergauer 1633 nach einem Pestausbruch eine Art Schutzgeld-Vereinbarung mit Gott getroffen hatten: Regelmäßige Passionsspiele gegen Verschonung von der Pest. Solche Deals waren damals üblich und mancherorts sollen sie es heute noch sein. Der Kommentar der Autor/innen dazu:

„Selbst wenn korrekt sein sollte, dass nach den Gebeten niemand in Oberammergau mehr an der Pest erkrankte, so ist ein kausaler Zusammenhang doch sehr unwahrscheinlich. Heutzutage würde man – hoffentlich – Korrelation und Kausalität nicht mehr so einfach miteinander vermischen. Vielmehr ist der Umgang mit der Corona-Pandemie ein gutes Beispiel dafür, dass politische Entscheidungen in heutiger Zeit oftmals auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.“

Je belastbarer diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind, auch je umfassender, was die Abdeckung der vielfältigen nichtmedizinischen Aspekte der Epidemie angeht, und je mehr die Politik darauf achtet, desto besser. Trotzdem kann Politik auch im Idealfall nie einfach nur Umsetzung von Wissenschaft sein. Sie muss immer Ziele setzen, Abwägungen vornehmen, Interessen ausgleichen. Daher ist Kritik an der Coronapolitik stets legitim, egal wie wissenschaftsbasiert sie sich präsentiert. Aber diese Kritik sollte ebenfalls wissenschaftlich up to date sein und vor allem nicht Behauptungen übernehmen, die sich wissenschaftlich geben, aber wenig Substanz haben. Wer die wichtigsten Kennziffern versteht, hat es damit etwas leichter.

Die Passionsspiele in Oberammergau wurden übrigens in diesem Jahr wegen Corona abgesagt. Sie sollen 2022 nachgeholt werden. Bleibt zu hoffen, dass jetzt nicht wieder die Pest in Oberammergau ausbricht, denn ob man im Himmel die beschwichtigenden Hinweise des Statistischen Landesamtes zu Kausalität und Korrelation zur Kenntnis nimmt, ist angesichts des gestörten Postverkehrs dorthin ungewiss.

Kommentare (14)

  1. #1 michael
    28. September 2020

    Falsche Url für “Kennzahlen rund um die Corona-Pandemie” . Statt hhttps solle es wohl https heißen.

  2. #2 ModderWater
    28. September 2020

    @Herr Kuhn
    Der Link zu den Kennzahlen enthält ein H am Anfang zuviel, Hhttps … anstatt https.

  3. #3 Alisier
    28. September 2020

    Also, da wo ich herkomme schwört man seit dem Pestausbruch von 1666 auf eine Prozession zu einer bestimmten Marienstatue.
    Danach war dann Ruhe.
    Eventuell sollte man derlei Gebräuche wiederbeleben. Denn geholfen hat es: die Pest ist nicht mehr zurückgekommen.
    Wir brauchen wieder mehr Glauben und weniger Wissenschaft. Nur so ließe sich auch Covid-19 besiegen.
    Es ist der grassierende Unglaube, der uns ins Verderben stürzt. Beten sollten wir, und nicht blind rumforschen. Dann kommen auch die guten alten Zeiten wieder in denen es echte Werte, keine Homosexualität, keine Abtreibungen und kaum Ausländer gab.
    Das in etwa scheint mir die Position der sogenannten konservativen Kreise zu sein. Und zwar völlig unabhängig davon in welchem Land sie ihrem intellektuellen Dünnpfiff freien Lauf lassen.

  4. #4 uwe hauptschueler
    28. September 2020

    die Verlinkung hat ein “h” zuviel.

  5. #5 Joseph Kuhn
    28. September 2020

    @ michael, Modderwater & uwe hauptschuler:

    Danke, ein “h” gespart und zur späteren anderweitigen Verwendung ins Alphabet zurückgegeben. Link geht jetzt.

    @ Alisier:

    Du solltest dich nicht so über die Sache mit der Kausalität und Korrelation so lustig machen. Erstens ist das ein echtes Problem, zweitens bringen das immer wieder auch Leute dann durcheinander, wenn es kein echtes Problem ist. Mehr Demut bitte! 😉

    Und zur Buße sprichst du bitte morgen beim Frühstück die 9 Kriterien von Bradford-Hill, die für eine kausale Interpretation einer Korrelation sprechen, mit tiefer und feierlicher Stimme.

    [Eigenwerbung: In unserem Büchlein “Gesundheitsdaten verstehen” habe wir dazu ein Uhrenbeispiel, das sehr nahe an David Humes These heranführt, dass es sowieso keine Kausalität, sondern nur Korrelationen gebe.]

  6. #6 Alisier
    28. September 2020

    @ Joseph Kuhn
    Na gut…..dann gibts halt morgen ein ätiologisches Frühstück.
    Es wird in der Tat Zeit, dass ich euer Buch endlich genau lese.
    Und Demut ist eh mein zweiter Vorname 🙂
    Ok….das war gelogen. Dafür rezitiere ich als selbstgewählte Buße dann etwas Nettes von Hume persönlich :
    “Hear the verbal protestations of all men: Nothing so certain as their religious tenets. Examine their lives: You will scarcely think that they repose the smallest confidence in them.”

    • #7 Joseph Kuhn
      28. September 2020

      @ Aliser:

      Ich nehme an, Hume hat hier über Trumps evangelikale Unterstützer gesprochen, nicht über uns beide?

      Wobei ich das Thema Trump hier nicht aufmachen will, er ist schließlich kein “gutes Beispiel dafür, dass politische Entscheidungen in heutiger Zeit oftmals auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren”.

  7. #8 Markweger
    29. September 2020

    Diese heutige sogenannte “Pandemie” in Bezug zur Pest zu setzen, wo wirklich eine extremste “Übersterblichkeit” war ist schon von sehr weit hergeholt.
    Die Übersterblichkeit dieser “Pandemie” ist geringer als bei jeder Grippewelle und das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt über 80 Jahre.
    Dafür sind inzwischen mindestens zwei Kinder an dieser völlig überzogenen Maskenpflicht, selbst beim Sportunterricht, gestorben. Das wird freilich unter den Teppich gekehrt.

    • #9 Joseph Kuhn
      29. September 2020

      @ Markweger:

      “Diese heutige sogenannte “Pandemie” in Bezug zur Pest zu setzen … ist schon von sehr weit hergeholt.”

      Das hat überhaupt niemand getan. Arbeiten Sie an Ihrer Lesekompetenz. Das hilft auch bei anderen Themen.

      “Die Übersterblichkeit dieser “Pandemie” ist geringer als bei jeder Grippewelle”

      Das ist schlicht und einfach falsch, wie Sie sich anhand der Daten des RKI überzeugen könnten. Es gibt Jahre mit einer Influenza-Übersterblichkeit von Null. Ich sage nur: Lesekompetenz!

      “Dafür sind inzwischen mindestens zwei Kinder an dieser völlig überzogenen Maskenpflicht, selbst beim Sportunterricht, gestorben.”

      Auch das ist falsch. Sie sollten nicht alles ungeprüft glauben, was aus der Gerüchteküche Ihrer abgründigen Netzwerke kommt. Hier ein Kommentar dazu: https://www.rnd.de/panorama/faktencheck-starben-wirklich-kinder-weil-sie-eine-maske-trugen-KLDHCWRACZAF5NEILU6T6EHPAA.html

      “Das wird freilich unter den Teppich gekehrt.”

      Sie sollten mal eine neue Platte auflegen. Unter-den-Teppich-kehren ist doch Ihr Geschäft, da wird einfach alles ausgeblendet, was nicht ins Bild passt.

  8. #10 wolfhard
    29. September 2020

    Vieleicht soltte man doch evl. sicherheitshalber die Passionsspiele in Oberammergau durchführen oder irgendwohin prozessieren (notfalls mit Mundnasenschutzbedeckung) denn https://www.swr.de/swr2/wissen/pest-der-schwarze-tod-in-der-neuen-welt/-/id=661224/did=16049480/nid=661224/16pilu/index.html ist zwar schon einwenig her aber immer noch aktuell.

  9. #11 RainerO
    29. September 2020

    Der Dumpfbräunling bestätigt (leider) wieder einmal gängige Klischees. Rechts, wissenschaftsfeindlich, Verschwörungsmythos-anfällig. Passt anscheinend gut zusammen.
    Dabei gibt es durchaus ein Zurück aus diesem Sumpf, wie ein aktueller Artikel beim Volksverpetzer zeigt.

    • #12 Joseph Kuhn
      30. September 2020

      @ RainerO:

      Eigentlich eine traurige Figur. Solche Leute sind regelrecht in Reiz-Reaktionsketten gefangen, sie reagieren auf Informationen mechanisch wie eine Maschine. Merkel: Diktatur. Presse: Lüge. Corona: Panikmache. Da hat kein Nachdenken mehr Platz, kann kein neuer Gedanke entstehen.

      In dem Fall hier war mit der Reiz-Reaktionsfolge “Corona und Pest: nicht vergleichbar” Schluss. Dabei hätte er, wenn er schon beides vergleicht, was die Autoren gar nicht getan haben, z.B. auf die Idee kommen können, dass die viel geringere Sterblichkeit bei Corona bedeutet, dass hier nicht wie bei der Pest auf ihrem Höhepunkt das Drama unübersehbar ist, sondern wissenschaftliche Analysen gefragt sind. Er hätte also in dem Punkt gerade von seinem Standpunkt aus den Autoren erst einmal zustimmen können. Vielleicht hätte er sogar noch konzedieren können, dass eine frühzeitige Seuchenbekämpfung auf der Grundlage guter Bakteriologie und Epidemiologie, hätte es die im Mittelalter schon gegeben, den Seuchenzug der Pest durch Europa hätte verhindern können.

      Aber Denken ist gefährlich, es führt auf neue Wege und das will er nicht.

  10. #13 rolak
    30. September 2020

    Ich sage nur: Lesekompetenz!

    Unbedingt wichtig bei textlicher Kommunikation – und offensichtlich Mangelware bei nicht nur Markweger. Wie nennt man diese Kompetenz eigentlich medienunabhängig – InputKompetenz, DenkfehlerMinimierung, ..?

    btw: ich liiiiiiiiebe absurdes Theater, surreale Dialoge – vielen Dank für dieses erheiternde Beispiel, in dem ein durch mangelnde Lesekompetenz Aufgefallener per zu lesendem Text in seiner Meinung beeinflusst werden soll. Grandios :•)

  11. #14 M. Hahn
    1. Oktober 2020

    @Markweger:
    “Sagen, was man denkt. Und vorher was gedacht haben.”
    (H. Rowohlt)

    Ist zwar schwerer als man denkt, aber einfach mal versuchen.
    Und aufgepasst: Denken heißt: Selber denken – gell?