Wissen Sie noch, wer das gesagt hat:

„Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“

Es war Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen im Frühjahr 2020. Für diese herzlose Bemerkung hatte er zu Recht viel Kritik erfahren.

Jetzt wird ausgerechnet über Tübingen als Vorbild beim Schutz älterer Menschen gesprochen. Man hat in Tübingen die Älteren mit FFP-2-Masken versorgt, Taxis vergünstigt, damit sie nicht im ÖPNV fahren müssen, sie sollen ihre Einkäufe auf die Zeit von neun bis elf Uhr konzentrieren und man setzt großzügig Schnelltests ein, etwa vor Besuchen in Altenheimen.

Dazu ein geläuterter Boris Palmer:

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Älteren besonders zu schützen, weil für sie die Gefahr durch Corona mit Abstand am höchsten ist.“

Von den neun Altenheimen im Tübingen ist einem SWR-Bericht zufolge derzeit nur ein Heim von Infektionen betroffen und dort nur Pflegekräfte, keine Bewohner. Das klingt wie ein Wunder, denn in vielen anderen Regionen grassiert das Virus wieder in den Heimen, als ob alle inzwischen eingeführten Hygienekonzepte samt Schutzausrüstung nichts gegen das Virus bewirken können.

Ist in Tübingen gelungen, was so viele fordern: der gezielte Schutz der Älteren? Oder hat Tübingen bisher einfach nur Glück gehabt? Gibt es von der Sozialstruktur her vergleichbare Städte ohne diese Maßnahmen, in denen ebenfalls nur wenig Ältere infiziert sind? Wenn ja, was könnten sie gemeinsam haben? Oder gibt es Städte mit vergleichbaren Maßnahmen, aber trotzdem vielen Infizierten unter den Älteren? Was unterscheidet sie von Tübingen? Mit anderen Worten: Wie verallgemeinerbar ist Tübingen?

Eine andere Stadt, die immer wieder als Vorbild genannt wurde, Jena, mit einer frühen Maskenpflicht und niedrigen Infektionszahlen, ist inzwischen vom Virus eingeholt worden. Folgt daraus, es wäre kein Vorbild gewesen? Oder wäre es ohne die frühe Maskenpflicht noch schlimmer gekommen?

Es würde sich lohnen, solche als Best Practice gehandelten Beispiele einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, in Regionalvergleichen, wie das bei Jena wiederholt geschehen ist, aber möglichst in einem kontrastiven Design und zudem über den statistischen Vergleich hinaus mit einer möglichst detaillierten Dokumentation der umgesetzten Maßnahmen. Wenn es Lehrbeispiele sind, sollte man auch davon lernen können. Sonst bleibt es eine Wundergeschichte.

————-
Zum Weiterlesen:

• EBM-Netzwerk: COVID-19 in Alten- und Pflegeheimen: Daten generieren statt modellieren!
• Mühle U et al. (2020) Protecting Vulnerable Populations from COVID-19. HealthManagement.org The Journal 20 (9).
• Penning V, Razum O (2020) Covid-19 in Gemeinschaftsunterkünften und Heimen – Strukturen, Probleme, Handlungsbedarfe. GGW 20 (4).
• Hien W, Schwarzkopf H v. (2020) Corona-Gefährdung im Erleben von Pflegekräften – eine explorative Studie mit Hinweisen auf erweiterte Gesundheitsschutzkonzepte. Bremen.
• Evans I et al. (2013) Wo ist der Beweis. Huber-Verlag.

Kommentare (66)

  1. #1 Uli Schoppe
    10. Dezember 2020

    @Joseph

    Das ist genau das was ich mit meinen Lobhudeleien auf den Förderalismus eigentlich gemeint habe: Mal hinschauen und zwar genau was denn jetzt gewirkt hat. Das ich persönlich keinen Bock auf Maske habe ist ja kein Grund dagegen. Aber wenn wir das nicht endlich mal gründlich unter Kontrolle bekommen was den jetzt wirklich wie wirkt rennen wir von der Verniedlichung Wellenbrecher zur Nächsten. Und ich sitze hier weiter mit meiner Frau und überlege mir mit ihr zusammen ob wir uns einen Besuch bei meiner Schwiegermutter leisten können. So kann das nicht bleiben.

    LG Uli

  2. #2 Uli Schoppe
    10. Dezember 2020

    Und @Joseph

    Wenn ich hier mal was Verbittertes sagen sollte: Donnerstags im Altenheim anzurufen wie man denn am Besten den Arztbesuch am Montag organisiert und dann zur Antwort zu bekommen man solle doch bis Montag warten dann sei eine Fachkraft da… Wir machen was ganz anderes falsch.

  3. #3 hto
    10. Dezember 2020

    Mir war schon am Anfang klar, dass nur das umfassende Testen die Lösung sein kann, aber dafür fehlt der Mut, bzw. wabbert die Angst zur/vor Veränderung zur wirklichen Wahrhaftigkeit OHNE …!

  4. #4 hto
    10. Dezember 2020

    Und @Kuhn

    “… und das Wunder von Tübingen”
    – Wenn das nicht Zynismus/Schadenfreude ist, dann ist das angesichts des “Surfen auf dem/im Zeitgeist” nicht angemessene Arroganz!?

    • #5 Joseph Kuhn
      10. Dezember 2020

      @ hto:

      “Zynismus/Schadenfreude … Arroganz”

      Weder noch. Es ist Ausdruck dessen, dass man noch nicht weiß, was von den Maßnahmen in Tübingen wirklich für niedrige Infektionszahlen sorgt.

      Zum Testen: Vor allem bei den Schnelltests kommt es sehr darauf an, wo man sie einsetzt und ob sie dazu führen, dass die AHA-Regeln weniger konsequent befolgt werden. Unter bestimmten Bedingungen können sie aufgrund ihrer relativ schwachen Sensitivität, siehe die Überprüfungen des Münchner Virologen Oliver Keppler, auch zum Risiko werden.

  5. #6 Gerald Fix
    11. Dezember 2020

    Palmer gilt, meinem Bekanntenkreis zufolge, als guter Oberbürgermeister. (Wahrscheinlich hält er sich bei seiner Arbeit nicht an seine Ratschläge.)

    In Tübingen könnten aber auch die Präsenz einer großen medizinischen Fakultät und einer Vielzahl von Studenten eine Rolle spielen. (Ich arbeite in Ulm selbst bei einer sozialen Einrichtung und wir wären ohne die Unterstützung von ehrenamtlichen Studenten wesentlich schlechter durchs Jahr gekommen.)

    • #7 Joseph Kuhn
      11. Dezember 2020

      @ Gerald Fix:

      Solche Aspekte wären jedenfalls in Betracht zu ziehen. Auch die “normale” Personalausstattung mit Fachkräften in den 9 Heimen, die heimärztliche Betreuung, die konkreten Besuchskonzepte usw.; außerhalb der Heime die Zahl und Wohnsituation der Älteren in den jungen Stadt Tübingen usw.

      Interessant wäre auch, wie das Infektionsgeschehen in den 9 Heimen und bei den zuhause lebenden Älteren vor Einführung der in den Medien genannten Maßnahmen war.

  6. #8 hto
    11. Dezember 2020

    @Kuhn

    Ein Wunder wäre, wenn die Politiker OHNE Druck sagen würden: Wir machen die Privatisierung des Gesundheitssektors rückgängig, stellen sehr viel mehr Personal ein und bezahlen endlich gerecht, schaffen für Krisen die Kapazitäten für entsprechend Testlabore und Impfzentren, aber vor allen für soviel Intensivbetten, daß eine Triage wirklich nur im Katastrophenfall infrage kommt.

    Ausserdem schaffen wir Gerechtigkeit, indem auch Spekulanten wie Vermieter, Versicherer und Energieversorger im Falle eines Lockdown Kürzungen, Verzicht und/oder temporäres HartzIV hinnehmen müssen, denn diese verstärken derzeit offensichtlich die Krise.

  7. #9 Grübler
    11. Dezember 2020

    Auffällig ist nun, dass weltweit die unterschiedlichsten Maßnahmen einzelner westlicher Länder oder Regionen ähnliche Ergebnisse erzielen, nämlich keine Eindämmung der Epidemie. Es scheint ja eher zufällig zu sein, welche Maßnahmen eine gewisse Zeit positive Effekte haben, aber dann im nächsten Augenblick auch versagen.

    Wäre es nicht an der Zeit sich einzugestehen, dass die Ausbreitung nicht in den Griff zu bekommen ist? Möglicherweise könnte man das sicherlich über einen unrealistischen kompletten Lockdown über Monate erreichen mit anschließend zerstörten Gesellschaften. Wäre es nicht sinnvoller, wie in Tübingen, sich auf den Schutz der besonderen Risikogruppen zu konzentrieren? “Von Asien lernen” ist für uns wohl keine Option und wäre jetzt auch zu spät.

    Die Frage, die ich mir stelle: Warum werden die bisher weltweit analysierten Infektionsketten (sollten ja inzwischen zig-Millionen sein) nicht transparent statistisch aufbereitet (z.B. im Sinne eines Date-Warehouse), um letztendlich eine nachvollziehbare Diskussionsgrundlage in Politik und Gesellschaft zu bekommen? Und dann nur diejenigen Maßnahmen umzusetzen die realistisch sind und den größten Nutzen versprechen.

    Die aktuellen Überlegungen in der Politik haben ja eher das Ziel, schlechte Maßnahmen, die bislang kaum gewirkt haben, noch weiter auszubauen, was ja per se nicht unbedingt zielführend ist.

  8. #10 shader
    11. Dezember 2020

    Zum einen, dann war die Kritik an Palmer doch zu was gut, wenn er sich nun bei den Altenheimen so ins Zeug legt. 🙂

    Zu dem Beispiel Jena. Ja, die sind jetzt bei einer Inzidenz von 136 angelangt. Die Frage ist auch, macht die Stadt zusätzlich zu den anderen Thüringer Kreisen oder Bundesländern etwas anders. Jena war ja deshalb ein besonderes Beispiel, weil man sehr früh eine Maskenpflicht durchgeführt hat. Von daher muss man auch den Zeitraum betrachten, wo das ein Alleinstellungsmerkmal zu anderen Kreisen war. Ähnlich auch bei Tschechien. Die haben sehr früh als ganzes Land die Maske eingeführt und bis zum Sommer sehr niedrige Zahlen gehabt. Und genau da fängt die Tragik an. Wenn man sehr gut durch eine Pandemie kommt, dann fängt man an, sich für unverletzlich zu halten. Das kennt man ja auch bei anderen Gesundheitsthemen im Privatbereich, wenn man jung ist, dann glaubt man nicht einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, selbst wenn man säuft und raucht. Und so ging es auch den Tschechen, die von erleichtert auf unvorsichtig und weiter auf fahrlässig umschalteten. Und ich befürchte, diese Schritte sind recht kleine, wo der Übergang stattfindet.

    Noch mal zu TB. Der Vorteil könnte sein, dass es eine kleine Anzahl an Altersheimen ist und somit auch statistischer Zufall. Es könnte aber auch sein, dass dieses kleine Extra an Maßnahmen eine gute Chance bietet, Altersheime zu schützen. Im Sinne einer evidenzbasierten Medizin sollte man das sehr schnell herausfinden (und nicht durch aufwendige Studien nach Jahren).

  9. #11 noch'n Flo
    Schoggiland
    11. Dezember 2020

    Er hatte mit seiner ursprünglichen Aussage doch recht. Aber ich weiss ja, wer die Wahrheit offen ausspricht, macht sich schnell unbeliebt.

    In der ganzen Corona-Diskussion wurde auch immer wieder der Vergleich mit den tausenden Verkehrstoten jedes Jahr gezogen, deretwegen man dennoch nicht den Strassenverkehr verbietet, weil das auf die Dauer nicht funktionieren würde. Lockdown funzt aber länger ebensowenig, dennoch hat die Politik kein Problem damit.

    Liebe Frau Merkel, lieber Herr Spahn, lieber Herr Söder: tun Sie endlich mal etwas Sinnvolles für ihre Wähler und schaffen alle Kraftfahrzeuge ab. Wieviele Menschen sie da noch retten könnten. Und der Grossteil von denen würde auch nicht ein halbes Jahr später an einer anderen Ursache versterben.

  10. #12 shader
    11. Dezember 2020

    Wie sagte Karl Valentin? Gar nicht erst ignorieren. ^^

  11. #13 Herr Senf
    11. Dezember 2020

    Die Schweizer haben doch selber eine Baustelle 😉

  12. #14 Kai
    11. Dezember 2020

    “Lockdown funzt aber länger ebensowenig, dennoch hat die Politik kein Problem damit.”

    Ein Lockdown sollte ja auch nicht lange, sondern kurz und effektiv sein. Bei letzterem scheitert es derzeit in Deutschland: trotz lockdown sind viele Menschen im Büro, im Kaufhaus, auf den Straßen, sowie zu Besuch bei Freunden. Es ist leider so, dass trotz der höheren Infektionszahlen und Todeszahlen die Menschen den zweiten lockdown nicht gleichermaßen diszipliniert angehen wie den ersten.
    Wie stark die Querdenker und ihre Desinformationskampagne da ihren Anteil haben, kann man nur spekulieren.

    Es zeigt sich aber, dass meine Vermutung, der erste lockdown war “zu streng” und weniger hätte auch gereicht womöglich doch falsch war.

  13. #15 noch'n Flo
    Schoggiland
    11. Dezember 2020

    @ Kai:

    Es zeigt sich aber, dass meine Vermutung, der erste lockdown war “zu streng” und weniger hätte auch gereicht womöglich doch falsch war.

    Nicht notwendigerweise. Die Ausgangslage war ja eine andere, das Virus noch nicht so weit verbreitet.

    Was mir im Moment auffällt ist, dass in diversen Ländern mit völlig unterschiedlich harten Massnahmen, zeitgleich die Fallzahlen wieder steigen. Auch in Ländern, in denen sie zuletzt gesunken waren (bspw. Schweiz mit bislang eher laschen Einschränkungen).

    Womöglich sind die ganzen Massnahmen viel weniger wirksam, als wir glauben. Andere Atemwegsinfekte verlaufen ja gewöhnlich auch in Wellen durch die Bevölkerung, also sind die zwischenzeitlichen Erfolge (auch im Frühjahr) gar nicht oder nur in geringem Ausmass den Einschränkungen zu verdanken, sondern ganz normaler Bestandteil dieser Krankheit.

  14. #16 Uli Schoppe
    11. Dezember 2020

    @nnF

    Naja, ob man die Aussage so uneingeschränkt! stehen lassen kann weiß ich nicht. Ich habe aber auch für das Gegenteil keine Daten.
    Ich habe aus meinen 20 Monaten Zuvieldienst noch im Hinterkopf was für zähe Hunde meine geliebten alten Säcke doch waren 😉 Wenn sie denn wollten. Dazu gehört das Wollen, und zu dem gehört zB auch nicht einsam zu sein. Was wir ja gerade an allen Ecken verhindern, also das NICHT einsam sein.Das macht mir im Moment mehr Kopfschmerz als das ich meinen Tannenbaum besser morgen früh kaufe weil die ganzen Entschuldigung Deppen das ab Montag verhindern würden wenn ich das richtig sehe. Tannenbaumhändler sind wahrscheinlich die Superspreader schlechthin, zu viel frische Luft drum herum und so ^^ Und die “Blödmänner” die ich bis jetzt gesehen habe tragen auch noch den ganzen Tag Maske. Da muss man einschreiten. Oder die ganzen kleinen Läden die peinlich auf Hygienekonzepte achten. Also Dich bitten bei 4 Grad draussen zu warten weil es sonst zu eng wird. Auch alles Supersreader. Denen muss mal einer Mores lehren.

    Und meine Frau hat mir die neueste Verordnung für Kitas vorgelesen. Zum Kotzen im Strahl bis an die nächste Wand. Nur weil niemand die Möglichkeiten genutzt hat mal auszuloten was wirklich hilft.

  15. #17 shader
    11. Dezember 2020

    @Grübler, man sollte nicht außer Acht lassen, dass solche Konzepte wie in Tübingen vielleicht auch deshalb funktionieren, weil in der Stadt eine Inzidenz von 150 und nicht 1.000 oder mehr vorliegt, wie es benachbarte Staaten leider schon erlebt haben. Wenn der Infektionsdruck von außen zunimmt, kommen auch solche Konzepte irgendwann an ihre Grenzen.

  16. #18 Herr Senf
    11. Dezember 2020

    OT “Das Wunder von Leipzig” Was hat die Szene wohl für eine Ausrede?
    Ein “bekannter” 341-Querstänker wurde 8 Tage wegen “schnupfen” beatmet.

    • #19 Joseph Kuhn
      11. Dezember 2020

      @ Herr Senf:

      Das sieht man’s doch wieder: Corona ist auch nicht schlimmer als ein Schnupfen.

      Im Ernst: Die Entwicklung in Sachsen und Thüringen ist beeindruckend. Es gab immer wieder Warnsignale mit heftigen Hotspots, aber daraus wurden wohl nicht die richtigen Schlüsse gezogen – wobei man natürlich hinterher immer klüger ist.

  17. #20 Gimpel
    11. Dezember 2020

    In Tübingen scheint es laut Tagesspiegel wohl nicht so wunderbar zu laufen:

    https://www.tagesspiegel.de/politik/aussagen-von-palmer-widerlegt-doch-kein-corona-wunder-in-tuebingen/26711542.html

  18. #21 Joseph Kuhn
    12. Dezember 2020

    Das schnelle Ende des Wunders von Tübingen?

    Ist es wirklich schon wieder vorbei mit dem Wunder von Tübingen, wie der Berliner Tagesspiegel berichtet?

    Wenn tatsächlich die Daten nicht korrekt waren, was hat Boris Palmer geritten, sich derart mit ungeprüften Daten zu exponieren?

    Und was haben wir dann da gerade noch erlebt, jenseits von Palmers Irreführung der Medien? Eine mediale Inszenierung des allgemeinen Wunsches nach Erlösung?

    Man darf gespannt sein, wie Boris Palmer das kommentiert.

  19. #22 Alisier
    12. Dezember 2020

    Naja, an Erlösung und Wunder zu glauben ist jetzt nicht gerade ungewöhnlich in dieser Zeit des Jahres……
    Es gibt Menschen, die davon überzeugt sind, dass das hilft und sogar so wichtig ist, dass dafür viele tausend Tote in Kauf genommen werden.
    Hauptsache Weihnachten feiern und vorher shoppen bis der Arzt kommt.
    Dass wir es nicht ein einziges Mal schaffen Vernunft höher zu werten als Tradition und Gewohnheit ist schon bedenklich.
    Mal abgesehen davon, dass Palmer manchmal ein ganz schönes Großmaul ist, was ihn trotzdem nicht notwendigerweise zu einem schlechten Oberbürgermeister macht.

  20. #23 shader
    12. Dezember 2020

    Naja, jetzt ohne Witz, wenn ich vor zwei Zeitungen bzgl. der Corona-Berichterstattung warnen müsste, dann sind es die Bild-Zeitung und der Tagesspiegel. Letzterer hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, von März an die niederschmetterndsten und deprimierendsten Meldungen zu Corona zu bringen. Fast jedes Paper auf den Preprintservern vor dem eigentlichen Peer-Review-Prozess der darauf hinweisen könnte, dass sich keine Immunität nach einer Infektion ausbildet, wurde dort besprochen und fatalistisch ausgelegt. Jede angebliche Reinfizierung in Südkorea und jede gemessene Reduzierung der T-Zellen nach einigen Wochen von ehemaligen Patienten wurde als Beleg betrachtet, dass es gar keine Herdenimmunität geben kann.

    Nachdem mir im Frühjahr dieser Tendenzjournalismus, die besonders schlechten Nachrichten über Corona zu verbreiten, schon aufgefallen ist, habe ich Online-Artikel, die über die Zeitung liefen, weitgehend gemieden. Und nachdem ich wieder reinschaute, viel gleich folgendes auf: “Auf Kreisebene – wozu neben der Stadt Tübingen, in der Palmer Oberbürgermeister ist, auch zwei kleinere Städte und umliegende Gemeinden gehören – sieht es insgesamt nicht sehr positiv aus”

    Die zwei angeblich kleineren Städte haben zusammen über 64.000 Einwohner. Die Stadt Tübingen hat im Landkreis einen Bevölkerungsanteil von 40%. Palmer suggestiv nun anzukreiden, dass es dann in den restlichen 60% gar nicht so toll aussieht, ist mehr als wohlfeil.

    Es kann durchaus sein, dass ggf. die anderen Zahlen vom Tagesspiegel stimmen, weckt aber bei mir wieder den Verdacht, die Masche bad news are good news weiterfahren zu wollen, wo man es mit den Aussagen und Recherche nicht ganz so genau nimmt.

  21. #24 ralph
    12. Dezember 2020

    Der “Tübinger Weg gegen Corona” ist verblüffend naheliegend und pragmatisch:
    Kostenlose Schnelltests für alle.
    Zeitfenster für die Risikogruppen für Einkäufe.
    Kostenlose FFP2-Masken für Menschen über 65 und ein Anrufsammeltaxi, damit Senioren nicht mehr die teils vollen Busse nutzen müssen.
    Umgesetzt wurde das ganze unter der Leitung der umtriebigen Notärztin Lisa Federle, mit voller Rückendeckung und Unterstützung des OBs.

  22. #25 Gimpel
    12. Dezember 2020

    @shader

    Im Artikel findet sich auch: Wie der Landkreis Tübingen mitteilte, wurden in dieser Woche für die Stadt Tübingen bis Donnerstag sieben Fälle in der Altersgruppe gemeldet – und auch in den Vorwochen gab es jeweils einige Fälle.

    Das widerlegt Palmers Behauptung. Insgesamt hat das Nachrichtenwert, für ungenaue Aussagen und mangelhafte Recherche sehe ich in diesem Fall keine Anzeichen.

  23. #26 Joseph Kuhn
    12. Dezember 2020

    @ shader:

    “Tendenzjournalismus”

    Die ursprüngliche Erfolgsmeldung kam auch über den Tagesspiegel, siehe Link im Blogbeitrag. Insofern hätte “Tendenzjournalismus” beim Tagesspiegel in dem Fall zwei entgegengesetzte Tendenzen gehabt. Der zweite, skeptische Tagesspiegel-Beitrag ist übrigens von Hinnerk Feldwisch-Drentrup von Medwatch.

    Irritierend ist vielmehr, wenn Boris Palmer, der mit Blick auf die Datenlage sicher täglich mehrmals umfassend informiert wird, mit einer “Tendenzdatenlage” in die Öffentlichkeit gegangen wäre. Deswegen bin ich gespannt, was er dazu sagt, oder zwischenzeitlich vielleicht schon dazu gesagt hat.

    Sind für Tübingen eigentlich altersspezifische Daten im Zeitverlauf veröffentlicht, vor und nach den Maßnahmen? Auf der Internetseite der Kreisverwaltung scheint es nur summarische Daten zu geben: https://www.kreis-tuebingen.de/17094149.html

    @ ralph:

    “Der “Tübinger Weg gegen Corona” ist verblüffend naheliegend und pragmatisch …”

    Siehe oben im Blogbeitrag. Falls sich das Wunder von Tübingen jetzt nicht schon von der Datenlage her erledigt hat, wäre mit geeigneten Mitteln zu prüfen, ob die von Palmer genannten Maßnahmen wirklich wirksam sind oder ob ein kausaler Zusammehang nur “naheliegend” erscheint, aber vielleicht gar nicht besteht, z.B. weil andere Städte das Gleiche ohne erkennbaren Erfolg tun.

    Auch hier ist die Gretchenfrage: Wo ist der Beweis?

  24. #27 nota.bene
    12. Dezember 2020

    Bis vor zwei Wochen gab es in meinem Kreis auch fast keine COVID-19-Fälle in Pflegeheimen, was der lokale Gesundheitsamtsleiter wohl als das Resultat seiner besonders rigorosen Hygievorgaben für Heime betrachtete – bis völlig überraschend und ohne erkennbaren Anlass die Zahlen explodierten. Ich glaube nicht an Wunder.

    • #28 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ nota.bene:

      “bis völlig überraschend und ohne erkennbaren Anlass die Zahlen explodierten”

      Und diese Möglichkeit sollte jeder in Betracht ziehen, der schon mal was von schwarzen Schwänen, von Störchen und Geburten, von Cargo Cult-Science oder davon, dass Klatschen auf dem Viktualienmarkt in München keine Löwen vertreibt, auch wenn keine da sind, gehört hat.

      “völlig überraschend und ohne erkennbaren Anlass”

      Klingt wie ein Wunder.

      “Ich glaube nicht an Wunder.”

      Mangelnde Glaubensfestigkeit könnte natürlich auch ein Grund für die explodierenden Zahlen sein. 😉

  25. #29 ralph
    12. Dezember 2020

    Jede Maßnahme, außer einer breiten Immunisierung kann das Virus nur ein wenig einbremsen, nicht aufhalten. Durch gelungene Massnahmen kauft man sich etwas Zeit, mehr nicht.
    Zitat shader:
    “Und genau da fängt die Tragik an. Wenn man sehr gut durch eine Pandemie kommt, dann fängt man an, sich für unverletzlich zu halten. ”
    Genau so ist es. Erschwerend kommt hier das intuitiv schwer erfassbare Problem des exponentiellen Wachstums hinzu. Die meisten von uns kennen die Erzählung vom Schachbrett und dem Reiskorn. Inzwischen haben wir zigtausende solcher Schachbretter sehr gut in Deutschland verteilt, aber nicht unbedingt auffällig, da auf den ersten 8 Feldern noch nicht viel passiert. Das wären dann noch weisse Flecken auf der Corona Karte, die aber in kürzester Zeit rot werden können.

    • #30 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ ralph:

      “Jede Maßnahme, außer einer breiten Immunisierung kann das Virus nur ein wenig einbremsen”

      So ist es. Aber beim Maßnahmenbündel in Tübingen sind viele Fragen offen:
      1. Ist das Bündel wirklich wirksam?
      2. Ist jede Maßnahme im Bündel wirksam?
      3. Könnte das Bündel wirksam sein, aber einzelne Elemente sogar kontraproduktiv (ist z.B. belegt, dass Taxis das Infektionsgeschehen bremsen?)
      4. Sind vielleicht die Zahlen nicht so positiv, wie Palmer sagte, aber das Maßnahmenbündel ist trotzdem wirksam (und das wird nur durch gegenläufige Einflussfaktoren überlagert)?
      5. …

  26. #31 ralph
    12. Dezember 2020

    Gerade das Potential der Schnelltessts wird unterschätzt und viel zu wenig genutzt. Vielleicht hat sich Boris Pallmer das Mailab Video “Corona im Herbst” vom 20. August genau angeschaut und zu Herzen genommen.
    Ab Minute 16 wird es spannend. Die Schnelltests sind zwar im Durchschnitt nicht besonders zuverlässig, ABER, gerade bei hohem Virenausstsoss, also bei den Superspreadern liegt die Erkennungsquote sehr hoch. Der Rest ist Mathe und Statistik.

    • #32 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ ralph:

      “Gerade das Potential der Schnelltessts wird unterschätzt”

      Das kann man so pauschal nicht sagen. Genauso wird es überschätzt. Es kommt auf den Einsatzbereich und auf die sonstigen Maßnahmen an. Schnelltests können mit ihrer schlechten Sensitivität auch dazu führen, dass das Virus in vulnerable Bereiche eingeschleppt wird. Manchmal reicht es nicht, nur die Leute mit besonders hoher Virenzahl herauszufiltern.

      Und Boris Palmer wird seine Entscheidungen hoffentlich nicht auf Videos stützen, auch nicht auf gute, sondern auf Beratung durch Expert/innen.

  27. #33 ralph
    12. Dezember 2020

    @Joseph Kuhn
    Ihre Fragen sind natürlich sehr berechtigt, aber ich fürchte, es wird Monate oder Jahre dauern, bis man sie wissenschaftlich quantitativ beantworten kann, wenn überhaupt.

  28. #34 ralph
    12. Dezember 2020

    @joseph kuhn
    Ihre Fragen sind nur zu berechtigt, aber ich fürchte es wird Monate oder Jahre dauern um sie schlüssig beantworten zu können, wenn überhaupt.

  29. #35 shader
    12. Dezember 2020

    @Gimpel, ich will gar nicht Palmer freisprechen und vielleicht hat er Zahlen falsch kommuniziert. Ich habe ihn dieses Jahr an anderer Stelle schon heftig kritisiert. Aber den praktischen Ansatz in Tübingen finde ich gut und er ist ja nicht gescheitert, weil sich trotzdem über 65jährige angesteckt haben.

    @ralph: “Ihre Fragen sind nur zu berechtigt, aber ich fürchte es wird Monate oder Jahre dauern um sie schlüssig beantworten zu können, wenn überhaupt.”

    Sehe ich auch so, und das ist die Krux bei einem neuen Virus. Auf die klassische Art und Weise hätten wir nach einigen Jahren empirische Daten gesammelt und können damit ganze Konferenzreihen und Journals füllen. Und die Pandemie ist durch die Bevölkerung durchgerauscht. Das ist so, als wenn 2050 eine große Studie herauskommt, wie man im Jahr 2000 das Problem der Klimaerwärmung optimal lösen kann.

    Das war übrigens ein Hauptvorwurf von Prof. Bhakdi, dass die Politik schon gehandelt hat, bevor eine große Studie mit genügend großen Zahlen über Sterblichkeit und Langzeitwirkungen von Covid-19 abgeschlossen ist. Ja, es gibt sie wirklich, die Wissenschaftler aus dem Elfenbeinturm. ^^

    Eigentlich wäre das die Stunde der Epidemiologen und angrenzenden Wissenschaften, Methoden zu entwickeln, in minimaler Zeit Aussagen mit maximaler Aussagekraft über gesundheitliche Größen zu ermitteln, abseits der bewährten, konservativen Vorgehensweisen für Langzeitstudien.

  30. #36 ralph
    12. Dezember 2020

    “Manchmal reicht es nicht, nur die Leute mit besonders hoher Virenzahl herauszufiltern.”
    Soweit waren wir ja schon, das reicht nie, aber es hilft, abhängig von:
    “Es kommt auf den Einsatzbereich und auf die sonstigen Maßnahmen an.”
    Danke für die notwendige Präzisierung.

  31. #37 shader
    12. Dezember 2020

    @Joseph Kuhn: “Schnelltests können mit ihrer schlechten Sensitivität auch dazu führen, dass das Virus in vulnerable Bereiche eingeschleppt wird. “

    Wenn die Alternative darin besteht, gar nicht zu testen, dann finde ich durch einen schlechten Schnelltests mehr Infizierte als durch das Abwarten eindeutiger Symptome. Und wir haben hier schon davon gesprochen, Altersheime oder gar ganze Bevölkerungsgruppen wird man nicht mit dem hochgenauen PCR-Test komplett testen können. Das klassische ökonomische Problem, was tun, wenn die beste Testressource nur begrenzt zur Verfügung steht.

    China griff in der Anfangszeit sogar auf das Fieber messen zurück. Das hat eine noch schlechtere Sensitivität als der Schnelltest, aber man findet damit trotzdem Verdächtigte und somit auch Infizierte. Wenn die Alternative dazu immer lautet, nicht zu testen, ist selbst sowas eine effektivere Methode.

    • #38 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ shader:

      “Wenn die Alternative darin besteht, gar nicht zu testen”

      Das ist aber nicht die Alternative und Ihr ganzer Kommentar daher überflüssig.

  32. #39 ralph
    12. Dezember 2020

    @Joseph Kuhn
    Meinen Sie PCR Tests? Sorry, dann haben Sie die Problematik nicht verstanden. Schnelltests haben eine ganz andere Verfügbarkeit als die PCR Tests. Somit lassen sich andere Strategien fahren andere Lücken schließen. Mir fehlt aber die Geduld das alles mit anschaulichen Beispielen zu erklären. Informieren Sie sich einfach.

    • #40 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ ralph:

      “Meinen Sie PCR Tests? Sorry, dann haben Sie die Problematik nicht verstanden. …. Informieren Sie sich einfach.”

      Sehr witzig. Darf ich dazu auf unserer eigenen Homepage nachschauen oder würden Sie mir eine andere Informationsquelle empfehlen?

  33. #41 RainerO
    12. Dezember 2020

    @ ralph

    Informieren Sie sich einfach.

    Wow! Ich danke für das lehrbuchmäßige Beispiel eines Strohmanns.
    Darf ich das zu Demonstrationszwecken weiterverwenden?

  34. #42 shader
    12. Dezember 2020

    Entschuldung Herr Kuhn, aber ich verstehe nicht, welche Alternative zum Schnelltest Sie meinen.

    • #43 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ shader:

      Ihr Kommentar begann damit: “Wenn die Alternative darin besteht, gar nicht zu testen”. Das ist nicht die Alternative. Es geht darum, zu schauen, wo und unter welchen Bedingungen Schnelltests sinnvoll eingesetzt werden können. Das hat mit den Settings zu tun, in denen sie eingesetzt werden sollen, mit der Test-Häufigkeit, mit der Disziplin, trotzdem z.B. im Pflegebereich den sachgerechten Umgang mit Schutzausrüstung nicht zu vernachlässigen usw. Man sollte nie vergessen, dass bei einer Sensititivät von 60 % (nach Kepplers Untersuchungen) eben ein erklecklicher Teil der Infizierten (und auch der Infektiösen) nicht herausgefiltert wird. Das gilt ganz besonders, wenn man nichtsymptomatische Personen testet, wofür viele Schnelltests gar nicht gedacht sind. Schnelltests müssen als add on gesehen werden, negative Ergebnisse dürfen keine falsche Sicherheit suggerieren. Und umgekehrt sollte der Masseneinsatz z.B. bei Pflegekräften nicht dazu führen, dass sie wegen falsch positiver Befunde in Quarantäne müssen, d.h. bei positiven Schnellstests ist in bestimmten Settings ein PCR-Test zur Bestätigung angesagt.

      Die Alternative ist nicht, nicht zu testen, sondern sinnvoll zu testen. Das galt schon bei den PCR-Tests in gleicher Weise.

      In den Worten des RKI:

      “Aufgrund der geringeren Sensitivität und Spezifität von Antigen-Tests ist der Einsatz dieser Tests nur unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen. (…) Deshalb sollten diese Tests nur bei Personen angewendet werden, bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt (etwa ein nicht erkannter Eintrag einer Infektion bei Aufnahme in einem Krankenhaus)”

  35. #44 shader
    12. Dezember 2020

    Herr Kuhn, genau aus dem Grund habe ich einen Konditionalsatz gewählt. Da die Schnelltests in Altenheimen wie aber auch mittlerweile in Schulen als Add-On verwendet werden, ist dieser Fall wohl nicht ungewöhnlich. Man versucht zusätzliche Infektionen zu finden, die man beim bisherigen Hygienetest nicht finden würde.

    Herr Kuhn, Sie weisen auf die 60% der Sensitivität hin (Roche gibt sogar für seinen Test 96% an: https://www.roche.de/aktuelles/news/sars-cov-2-antigen-schnelltest-von-roche-jetzt-in-deutschland-erhaeltlich/) und das es nicht gut wäre, genauere PCR-Tests durch Schnelltests auszutauschen. Aber können Sie Fälle nennen, wo das konkret gemacht wird? Oder andere umgesetzte Konzepte, wo der Schnelltest zu einer Verschlechterung der Hygienekonzepte führt? Das was das RKI sagt, ist vollkommen richtig. Ich sehe derzeit keine Konzepte, die dagegen verstoßen.

    • #45 Joseph Kuhn
      12. Dezember 2020

      @ Shader:

      “genau aus dem Grund habe ich einen Konditionalsatz gewählt”

      Und ich habe gesagt, Nichttesten ist nicht die Alternative. Wie oft soll ich das jetzt noch wiederholen? Ihr ganzer Kommentar war einer zu einer Strohmann-Alternative.

      “Man versucht zusätzliche Infektionen zu finden, die man beim bisherigen Hygienetest nicht finden würde.”

      Was meinen Sie mit dem “bisherigen Hygienetest”? Den PCR-Test? Wenn man am POC mit Schnelltests mehr findet, ist das gut. Steht bei mir irgendwo etwas anderes oder hängt bei Ihnen die Platte?

      “Roche gibt sogar für seinen Test 96% an”

      Alle Hersteller weisen sehr hohe Werte für ihre Produkte aus:
      https://antigentest.bfarm.de/ords/antigen/r/antigentests-auf-sars-cov-2/liste-der-antigentests?session=4320434732683&tz=1:00.
      Etwas bescheidener fallen Evaluationen aus: https://virologie-ccm.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/m_cc05/virologie-ccm/dateien_upload/20201208-AgPOCT_Preprints.pdf
      Speziell zu Roche: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.11.18.20234104v1

      Und dabei geht es um das Testen von symptomatischen Patienten, denn dafür sind die Schnelltests eigentlich gemacht. Wenn man vorsymptomatisch testet, sinkt die Sensitivität rapide ab. Beim Einsatz z.B. in Heimen haben viele aber das Testen von scheinbar gesunden Besuchern vor Augen. Hustende Besucher sollen schließlich nach Möglichkeit eh nicht ins Heim, die Influenza soll ja auch nicht eingeschleppt werden.

      “genauere PCR-Tests durch Schnelltests auszutauschen”

      Wo soll ich das geschrieben haben?

      “wo der Schnelltest zu einer Verschlechterung der Hygienekonzepte führt”

      Wie Sie schreiben: Das was das RKI sagt, ist vollkommen richtig.

      Ich würde allerdings nicht so gerne tiefer in eine Grundsatzdiskussion über Schnelltests einsteigen, ich bin kein Laborfachmann und Sie vermutlich auch nicht.

      Hier ging es ja eigentlich darum, wie verallgemeinerbar Tübingen ist, ob tatsächlich die von Boris Palmer genannten Maßnahmen die guten Zahlen erklären, sofern die Zahlen wirklich so gut sind. Wissen Sie denn, wie die Maßnahmen in Tübingen tatsächlich umgesetzt wurden? Wissen Sie, seit wann in den Heimen Schnelltests eingesetzt werden und wie gut die Abstriche genommen werden? Wie viele Heimbewohner dort tatsächlich das Taxi nutzen? Wie viele zuhause wohnende Ältere das tun? Wissen Sie, ob Taxis unter Infektionsschutzgesichtspunkten überhaupt besser sind als der ÖPNV? Wissen Sie, wie gut die Einkaufsslots in Tübingen genutzt werden?

      Von mir aus kann man ja Tübingen zum Vorbild erklären, aber nachfragen wird man doch noch dürfen.

  36. #46 shader
    12. Dezember 2020

    @Joseph Kuhn, ich schrieb versehentlich Hygienetest, meinte aber Hygienekonzept.

    Generell denke ich nicht mal, dass unsere Aussagen weit auseinanderliegen, ja, noch nicht mal widersprechen. So wie ich das sehe, werden die Schnelltests dementsprechend eingesetzt, wie es auch das RKI empfiehlt.

    Ich weiß jetzt nicht, wie nah die Herstellerangaben an der Realität liegen, denke aber mal, dass sie ständigen Tests unterworfen sind (siehe auch Drosten und Corman). Was ich bisher gehört habe, liegen die meisten Schnelltests in der Sensitivität um die 80%, was ungefähr dem nahekommt, was Drosten und Corman veröffentlicht haben. Und wenn es bei asymptomatischen Fällen (was aber auch mehr eine Frage des Zeitpunkts ist, dann die meisten werden dann doch symptomatisch) eher nur 60%, ist das zwar schade, aber bedeutet immer noch, dass man viele sonst unerkannte Fälle ausfindig macht.

    Ich finde es aber schon wichtig, dass man auch in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, was Schnelltests können, was sie nicht können und vor allem, wie wir sie in unsere bisherigen Hygienekonzepte einbinden, um einen echten Mehrwert zu erhalten. Ich finde, da lohnt es sich zum einen in die technische Tiefe zu gehen, aber auch verschiedene Strategien zur Anwendung zu entwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass man damit Leben retten kann. Und allein das sollte schon Motivation genug sein. 🙂

    Was die Umsetzung in TB angeht, weiß ich nicht mehr, als das was man in den Medien erfahren kann. Und das sind alles wichtige Fragen, die Sie diesbezüglich stellen. Ich will nun wirklich nicht den Eindruck erwecken, dass ich eine genauere Recherche nicht begrüße. 🙂 Ich habe auch manchmal den Eindruck, dass meine Beiträge öfters als stärkeres Kontra bei Ihnen ankommen, als sie gedacht waren. Ich möchte einfach auf Dinge hinweisen, die vielleicht zu weiteren Gedanken und Schlussfolgerungen auf der Gegenseite führen, und bin froh, wenn das nur halbwegs in Einzelfällen gelingt. Nicht viel anders war damals mein Nachfragen zum Thema Masken und Studien im März/April auf diesen Seiten gedacht, wenn Sie sich noch daran erinnern können. Ich bin wirklich froh, dass Sie eine Möglichkeit geschaffen haben, darüber mit anderen zu diskutieren und immer wieder wertvolle Inputs bringen.

  37. #47 pb
    13. Dezember 2020

    Hier etwas zum Lesen, für alle die sich langweilen:

    External peer review of the RTPCR test

    cormandrostenreview.com/report

  38. #49 shader
    13. Dezember 2020

    Müsste man sich nicht eigentlich fragen, warum Tübingen so ein besonderes Beispiel ist und wieso es scheinbar(?) nicht mehr Städte gab, die spezifische Maßnahmen zum Schutz ihrer älteren Bürger überlegten und umsetzten? Ich würde doch eigentlich erwarten, dass die Aufgabe von Bürgermeistern und Stadträten ist, zu überlegen, was könne wir noch zusätzlich zu den bestehenden Maßnahmen in ihrer Stadt leisten.

  39. #50 Jolly
    13. Dezember 2020

    Aus Langeweile habe ich mal den zweiten Link in #48 angeklickt, der funzt so nicht, da ist noch was zuviel.

  40. #51 Joseph Kuhn
    13. Dezember 2020

    @ Jolly:

    ” funzt so nicht”

    Aber jetzt. Danke für den Hinweis.

    @ shader:

    “wieso es scheinbar(?) nicht mehr Städte gab, die spezifische Maßnahmen zum Schutz ihrer älteren Bürger überlegten und umsetzten?”

    Gab es denn nicht mehr? Womit man wieder bei den Ausgangsfragen oben im Blog ist.

  41. #52 shader
    14. Dezember 2020

    Wie bei Anne Will zu hören war, orientieren sich immer mehr Städte an dem, was man in Tübingen schon umgesetzt hat.

  42. #53 noch'n Flo
    Schoggiland
    14. Dezember 2020

    @ shader:

    Die Schnelltests sind und bleiben als Ergänzung zu den PCR-Tests gedacht, um noch zeitnäher reagieren bzw. das Infektionsgeschehen schneller beurteilen zu können.

  43. #54 RainerO
    14. Dezember 2020

    Ein neuer Test aus Wien könnte eine gute Erweiterung der Testmöglichkeiten sein.

  44. #55 Joseph Kuhn
    14. Dezember 2020

    Wie geht es weiter in Tübingen?

    Neue Fälle in Pflegeheimen: https://www.tagesspiegel.de/politik/vermeintliches-corona-wunder-in-tuebingen-boris-palmer-entschuldigt-sich-fuer-falsche-infizierten-zahlen/26718570.html

    Trotz guten Schutzes oder weil der Schutz doch nicht so gut ist?

  45. #56 Gimpel
    14. Dezember 2020

    Neues aus Tübingen.

    „Leider war das Netz nicht engmaschig genug, denn wir konnten die Tests nicht verpflichtend anordnen“ – von dem Angebot sei unterschiedlich gut Gebrauch gemacht worden.

    https://www.tagesspiegel.de/politik/vermeintliches-corona-wunder-in-tuebingen-boris-palmer-entschuldigt-sich-fuer-falsche-infizierten-zahlen/26718570.html

  46. #57 Oger
    14. Dezember 2020

    Ich wage mal, meine Meinung zum Thema kund zu tun.

    Die bisherigen Maßnahmen zum Schutz der vulnerablen Gruppen war bisher auch nicht überzeugend. Die Schnelltests wären da bestimmt eine sinnvolle Ergänzung, insbesondere wenn sie rigoros angewendet werden würden. In den heutigen Nachrichten wurde aber ein entscheidendes Problem angesprochen. Es fehlt einfach am notwendigen Personal um sie direkt vor Ort durchführen zu können. Die Alternative, Testzentren anzubieten, scheint auch nicht wirklich praktikabel zu sein. Vielleicht sind Selbsttests eine mögliche Lösung für dieses Problem der Schnelltests.
    Klar muß natürlich sein, das die üblichen Hygieneregeln und Schutzmaßnahmen auf jeden Fall gelten und einzuhalten sind.

    Häufig wird auch auf den psychologischen Aspekt von Schnelltests hingewiesen, also eine nachlassende Sorgfalt bei den AHA-Regeln. Das gleiche Problem sehe ich aber auch bei den demnächst anlaufenden Impfungen. Eine konsequente Informationskampagne erscheint mir diesbezüglich schon überfällig.

    Warum hier so auf Hr. Palmer losgegangen wird bleibt mir ein Rätsel. Er hat ein Konzept entwickelt – im Gegensatz zu vielen anderen Entscheidungsträgern – und hat es umgesetzt. Schlimmstenfalls lernt man daraus, das es so auch nicht geht. Aber er agiert wenigstens während ansonsten nur reagiert wird und das auch noch reichlich spät und halbherzig.

    • #58 Joseph Kuhn
      15. Dezember 2020

      @ Oger:

      “Warum hier so auf Hr. Palmer losgegangen wird bleibt mir ein Rätsel.”

      Hier wird nicht auf Palmer losgegangen, sondern es wird gefragt, was es mit Tübingen auf sich hat. Das ist eine Voraussetzung dafür, um vom Vorbild Tübingen zu lernen, falls es ein Vorbild ist.

      “während ansonsten nur reagiert wird und das auch noch reichlich spät und halbherzig”

      Woher wissen Sie das? Haben Sie alle anderen Städte und Landkreise untersucht? Sind Sie sicher, dass nirgendwo anders das Gleiche wie in Tübingen geschieht? Oder Besseres?

      Das Bedürfnis, aus allem Fragen einen moralischen Kampf zu machen, in dem “mit falsch und richtig auch gut und böse assoziiert wird”, scheint groß zu sein.

  47. #59 hto
    15. Dezember 2020

    Es würde mich nicht wundern, wenn es beim Tempo der Impfung dazu kommt, daß die zuerst Geimpften wieder eine Impfung brauchen, wenn die anderen nach Monaten des Wartens ihre erste Impfung bekommen sollen – Immunität und Anpassung des Virus.

  48. #60 shader
    15. Dezember 2020

    Da die Hauptlast der Pandemie in den kommenden 4 Monaten stattfindet und dann der Frühling/Sommer kommt, habe ich das Gefühl, dass alle technischen Neuerungen, von denen berichtet wird, zu spät kommen werden. 🙁

  49. #61 Basilios
    Amnesia
    15. Dezember 2020

    Ich möchte diese Anmerkung von Joseph nochmals besonders herausstellen:

    Das Bedürfnis, aus allem Fragen einen moralischen Kampf zu machen, in dem “mit falsch und richtig auch gut und böse assoziiert wird”, scheint groß zu sein.

    Du sprichst mir aus der Seele, Joseph.
    Ich finde es immer wieder unglaublich schade, wieviel konstruktiver Diskurs in den völlig unproduktiven Graben gefahren wird, weil lieben Mitmenschen die moralische “IchGutDuSchlecht!”-Entrüstung wichtiger ist als alles andere. Geschweige denn, eine gemeinsame Lösung für irgendwas zu finden.
    Ich frage mich immer wieder, wie man den Menschen im Diskurs nahe bringen kann, daß es doch viel hilfreicher sein könnte eine Lösung gemeinsam zu finden. Aber wenn der Gegenüber sich lange vorher schon im Grabenkampf wähnte, dann ist mir das noch nie gelungen.
    (. _ . )

  50. #62 Alisier
    15. Dezember 2020

    @ Basilios
    Auch wenn ich jetzt ins OT abzugleiten drohe:
    Mit “IchGutDuSchlecht” ist das Problem nicht ausreichend beschrieben, aus meiner Sicht.
    Und es ist auch nicht notwendigerweise schon deshalb ein Grabenkampf, wenn man eine (wohlbegründete) Position bezieht und diese verteidigt.
    Gegen eine gemeinsame Lösung wird sich wohl auch niemand direkt aussprechen.
    “Es wäre doch so einfach!” bleibt ein Spruch, wenn man die unterschiedlichen Positionen nicht erstmal sehr genau zu verstehen versucht.
    Mit Vereinfachungen kommen wir, denke ich, nicht weiter.
    Und dass manche (viele?, die meisten?) aus allem Fragen einen moralischen Kampf zu machen versuchen klingt für mich teilweise wie eine Schutzbehauptung, die es einem erlaubt bestimmte Positionen aus scheinbar guten Gründen zu ignorieren.
    Ok, wahrscheinlich der falsche Thread das aufzudröseln….

  51. #63 Gimpel
    18. Dezember 2020

    Boris Palmer hat dem RND ein Interview gegeben in dem er erklärt, wie es zu einzelnen der Fälle in Altersheimen kam.

    https://www.rnd.de/gesundheit/tubingens-ob-palmer-unsere-handys-wissen-wo-wir-uns-mit-corona-infizieren-nur-wir-nicht-das-ist-absurd-6YCFGV23HNFKDBDBWGPJXOPEZI.html

    Apropos Anerkennung: Wie sehen Sie denn die Chancen, dass sich das Tübinger Modell doch noch durchsetzt?

    Das hat sich schon durchgesetzt. Die wichtigsten beiden Maßnahmen, nämlich kostenfreie Verteilung von FFP2-Masken und verpflichtende Tests für die Altenheime, sind jetzt Vereinbarungen auf Bundesebene und werden umgesetzt – das Modell ist praktisch durch.

    • #64 Joseph Kuhn
      18. Dezember 2020

      @ Gimpel:

      In Kombination, Schnelltests plus konsequentes (!) Einhalten der Hygieneregeln, sollte es helfen. Wobei es sicher selbst damit schwierig ist, das Virus aus den Heimen herauszuhalten, wenn die Hintergrundinzidenz in der Allgemeinbevölkerung hoch ist.

      Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans sagte gestern bei Maybritt Illner, im Saarland sei man auch wie in Tübingen vorgegangen. Ob man dort geeignete Vergleichsstädte fände?

  52. #65 Gimpel
    18. Dezember 2020

    Ob man dort geeignete Vergleichsstädte fände?

    Das ist den Menschen im Saarland zu wünschen, NRW handhabt das in der aktuellen Coronaschutz-Verordnung anders: Schnelltests bei Mitarbeitern von Heimen [mindestens] alle drei Tage, Besuchern sollen sie angeboten und empfohlen werden.

    https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-12-17_coronaschvo_ab_18.12.2020_lesefassung.pdf

    Kommunen, die das strikter handhaben wollen, werden vom Landesgesundheitsministerium ausgebremst und können nur an die Betreiber appellieren schärfere Regelungen zu treffen.

    Gescheitert ist die Stadt mit ihrem Vorschlag, Gästen und Besuchern den Zugang zu Alteneinrichtungen nur mit einem Schnelltest zu gestatten, der nicht älter als 24 Stunden ist. Auch Mitarbeiten in Seniorenheimen sollten sich einem täglichen Schnelltest unterziehen, hatte die Stadt gefordert.

    https://rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/corona-regeln-duisburg-kontaktbeschraenkungen-erneut-verschaerft-das-gilt_aid-55219349

  53. #66 shader
    19. Dezember 2020

    In mehreren Städten in Baden-Württemberg werden nun wie in Tübingen kostenlose Schnelltests an mobilen Standorten angeboten.

    https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.tuebinger-modell-im-ganzen-land-schnelltests-vor-weihnachten.6c5f7fe8-cb00-4821-86d5-c45fcedb645d.html