Nachdem inzwischen die Behauptung, es gäbe 2020 keine Auffälligkeiten bei den Sterbefällen, angesichts von inzwischen fast 60.000 mit oder an Corona Gestorbenen ziemlich unhaltbar geworden ist, werden neuerdings mal mehr, mal weniger gut berechnete altersstandardisierte Sterbeziffern zum Vergleich 2020 mit den Vorjahren angeführt. Altersstandardisiert, also die Alterung der Bevölkerung statistisch bereinigt, sei die Übersterblichkeit 2020 gar nicht so aufregend, heißt es dann.
Dazu nach langer Zeit einmal wieder eine Übersterblichkeitskurve, beruhend auf den Daten des Statistischen Bundesamtes vom letzten Freitag:
Man sieht, wie auf Gesundheits-Check bereits mehrfach erläutert, Anfang 2020 eine Untersterblichkeit, bedingt durch die starken Grippewellen in den Vorjahren (d.h. der Durchschnitt 2016-2019 ist keine ideale Baseline). Es folgt eine deutliche Übersterblichkeit während der ersten Infektionswelle, dann der Rückgang der Sterblichkeit auf das Durchschnittsniveau im Sommer. Man sieht im Sommer des Weiteren einen kurzen, aber heftigen Ausschlag nach oben: eine Übersterblichkeit durch Hitzetote, wie bereits in manchen früheren Jahren (allerdings nicht in den Baseline-Jahren Edit: Der Satz ist schlicht falsch). Im Herbst zeigt sich schließlich mit der zweiten Infektionswelle ein massiver Anstieg der Übersterblichkeit, in der Kalenderwoche 52 sind es mehr als 30 %, in Bundesländern wie Sachsen noch viel mehr. Trotz Maßnahmen. Mit dem “Präventionsparadox” ist jedoch schwer zu argumentieren, wenn andere einwenden, bei den Maßnahmen handle es sich um Cargo-Cult, dazu vielleicht ein andermal.
Im Jahresdurchschnitt kommt auch ohne Altersstandardisierung nicht viel heraus: Bis zur Kalenderwoche 52 gab es 2020 knapp 5 % mehr Sterbefälle als im Durchschnitt 2016-2019. Aber am Durchschnitt ist bekanntlich dem alten Statistikerwitz zufolge schon die Kuh ersoffen, als sie einen im Mittel 50 cm tiefen Fluss durchquerte – dummerweise an einer 2 m tiefen Stelle. Wenn im Durchschnitt in den Krankenhäusern viele freie Betten sind, aber womöglich in einem Monat nicht, wissen Sie, was das mit der Kuh im Coronafall bedeutet. Im Durchschnitt sind wir auch alle ziemlich vermögend, und im Durchschnitt sind wir alle ein bisschen schwanger, haben etwas weniger als zwei Beine und sind halb Mann, halb Frau. Das ist aber wieder eine andere Geschichte.
Und die Altersstandardisierung? Soll man hier überhaupt altersstandardisieren? In der ersten Version des Beitrags habe ich das klar mit „nein“ beantwortet. Beim nochmal Nachdenken bin ich allerdings, das soll vorkommen, nachdenklich geworden. Ich habe den forschen alten Passus aus dem Text genommen, weil er zumindest so, wie er dastand, nicht haltbar ist. Insofern Asche auf mein Haupt. Mein Nachdenken hält allerdings noch an, es könnte also eine weitere Revision folgen.
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