Eines der immer wiederkehrenden quergedachten Argumente im Zusammenhang mit den Coronatoten ist, dass es doch viel Schlimmeres gibt. Das stimmt natürlich. Aber das ist ein merkwürdiges Argument, das man bis auf die jeweils schlimmsten Dinge immer auf alles anwenden kann.

Komischerweise hört man dieses Argument z.B. beim Herzinfarkt nicht. In den letzten 12 Monaten sind aber nahezu doppelt so viele Menschen an (und mit) Corona gestorben als an Herzinfarkten. Gut 44.000 Sterbefälle infolge von Herzinfarkten (ICD I21/22) verzeichnete die Todesursachenstatistik für das Jahr 2019, fast 80.000 Coronasterbefälle weist das RKI inzwischen aus. Ab dem Rentenalter ist dabei das Risiko, an Corona zu sterben, höher gewesen als das, an einem Herzinfarkt zu sterben. Man könnte jetzt natürlich in die Diskussion um die Verlässlichkeit der Daten zu Corona oder zu den Herzinfarkten einsteigen und bei einer sorgfältigen Analyse würden sich die Verhältnisse sicher verschieben, aber der Vergleich der Sterberaten sollte doch etwas nachdenklich machen.

Kommentare (27)

  1. #1 Ludger
    18. April 2021

    Nur Herzinfarkt geht schneller. !/3 der Patienten stirbt vor Einlieferung in das Krankenhaus. Bei erfolgreicher Behandlung:
    Herzinfarkt-> Stent oder Bypass->2-3 Tage Intensiv-> 4 Wochen Reha -> leidlich normales Leben (Beispiel Genscher)
    Bei intensivpflichtiger Covid dauert es einige Tage bis zur stationären Behandlung, dann bei schlechter werdender Sauerstoffsättigung trotz Sauerstoffgabe einige Tage bis zur Aufnahme auf die Intensivstation, dort bleiben die Leute 3 bis 5 Wochen, manchmal mehrere Monate. Wenn man Pech hat, erholt man sich von der wochenlangen (monatelangen) Beatmung nie mehr vollständig. Der Bezug mancher Leute auf die Todesfälle bei älteren Menschen, die sowieso bald gestorben wären ist grob verkürzend und entweder dumm oder böswillig (kann man sich aussuchen).

  2. #2 Umami
    18. April 2021

    Heißt das, wenn man sich aussuchen könnte, an was man “lieber” sterben würde, dann würde man Herzinfarkt wählen?
    Immerhin ist Herzinfarkt nicht ansteckend.

    • #3 Joseph Kuhn
      18. April 2021

      @ Umami:

      Naja, das hätte schon was von der Wahl zwischen Pest und Cholera. Am besten vermeidet man beides, solange noch was im Stundenglas des Lebens ist.

  3. #4 Ludger
    18. April 2021

    @Umami
    m.E. sterben: ja.

  4. #5 Pollo
    18. April 2021

    Was bei diesem Vergleichen von Risiken auch verstört: meines Wissens kann man sich nicht das Lieblingsrisiko aussuchen, um die anderen zu vermeiden. Das Covid-Risiko kommt zu den bekannten anderen Risiken noch oben drauf. Wenn ich rauche und kokse und skiwandere im Lawinengebiet und auf eine Querdenker-Demo gehe, sind die Risiken zwar statistisch einzeln gegeben, ich habe aber eine gut ausgebaute Chance, so mein Leben zu verkürzen.

  5. #6 wastel
    thal
    18. April 2021

    In einem Scinceblog ist es ja wohl nicht zuviel verlangt korrekte Zahlen zu verwenden und den selben Zeitraum zu benutzen.
    Ich hab jetzt auf die schnelle nur die Zahl 50 000 zum 20. Januar gefunden.
    Sind dann wohl eher 45 000??? für das Jahr 2020.

    schlecht recherchiert 🙁

    • #7 Joseph Kuhn
      18. April 2021

      @ wastel:

      Wovon reden Sie? Ich hätte noch den DAX zum 20. Januar zu bieten, bei 13.549 war er da, und die Temperatur könnte ich auch noch raussuchen. Ich glaube aber nicht, dass es 45.000 Grad waren, auch nicht kumulativ an allen Vollmondnächten 2020.

      In der Tabelle geht es um Sterbefälle jeweils in einem aktuellen Zeitraum von 12 Monaten, bei Corona etwa 12 Monate seit Sterbefälle vom RKI registriert werden, bei den anderen Todesursachen um genau 12 Monate im Jahr 2019, dem aktuellsten Jahr, für das Daten aus der Todesursachenstatistik vorliegen. Die Datenquellen sind in der Tabelle unten angegeben. Vielleicht ist die Schrift etwas klein, aber die können Sie am Bildschirm beliebig größer machen, bis 45.000 kein Problem.

      Wollten Sie auch inhaltlich irgendetwas zum Ausdruck bringen, oder nur wie Alice Weidel übellaunig herumrotzen?

  6. #8 Lercherl
    19. April 2021

    Sind in der Tabelle die 90+ und die Gesamtzahlen vertauscht?

  7. #9 Dagda
    19. April 2021

    @ Lercherl

    Ne, dass sind ja alles Tote pro 100.000. Und es sterben dann doch eine größerer Anteil der über 90 Jährigen.

  8. #10 naja
    19. April 2021

    @Lercherl: Nein
    Das Gesamte ist keine Summe sondern ein Durchschnitt (bzw gewichteter Durchschnitt, durch die verschiedenen Größen der Bevölkerungs-Altersgruppen)

  9. #11 Umami
    19. April 2021

    Lieber Cholera als Pest.
    Ersteres hat man bessere Chancen, bei guter medizinischer Versorgung zu überleben.
    Wobei….. aktuell….

  10. #12 joachim
    19. April 2021

    Danke Dagda, das beantwortet eine meiner Fragen.

    Die andere Frage ist, wenn ich alle Covid-Altersgruppen zusammen zähle, durch 100000 teile und mit der Bevölkerungszahl multipliziere, dann kommt ca. 2.5 Millionen (2590880 = 3,24% bei 80Mio Einwohnern) Tote in den letzten 12 Monaten raus.

    In den Medien wurde von ca. 80000 gesprochen. Wo liegt hier mein Fehler?

  11. #13 Pollo
    19. April 2021

    @joachim
    Die Anzahl der Toten ist je 100000 der Altersgruppe angegeben, nicht der Gesamtbevölkerung. Um die Zahlen zu addieren, müsste man die Einzelwerte erst auf die gesamte Alterskohorte hochrechnen und die entsprechenden Einzelergebnisse zusammenzählen.
    Die Tabelle hat aber bereits angegeben, dass bezogen auf alle Altersgruppen pro 100000 Ew 94,5 Personen gestorben sind. Unter Berücksichtigung des Erstelldatums stimmen die damit errechenbaren 75600 Toten mit den veröffentlichten Daten überein.

  12. #14 joachim
    19. April 2021

    @Pollo: Das macht Sinn.

    Allerdings berichtet dir RP unter https://rp-online.de/panorama/coronavirus/mehr-als-80000-corona-tote-in-deutschland_aid-57416813 Zitat: “Seit Beginn der Pandemie sind nach Informationen des Robert-Koch-Institutes 80.006 Menschen an in Deutschland an Corona gestorben.”

    Das ist eine absolute Gesamtanzahl. Das bedeutet, nahezu Alle sind in den letzten 12 Monaten gestorben.
    Nicht das mich das zu sehr überrascht, die Zahlen finde ich so oder so massiv erschreckend.

    • #15 Joseph Kuhn
      19. April 2021

      @ joachim:

      Alle sind in den letzten 12 Monaten verstorben, vor März 2020 gab es ja noch keine Coronatoten. Der weitaus größte Teil ist seit Beginn der zweiten Welle im Herbst 2020 verstorben, also im letzten halben Jahr.

  13. #16 joachim
    19. April 2021

    Klar, danke. Mein Kommentar war stark gekürzt. Meine Vermutung war tatsächlich, dass es die meisten Opfer ab Herbst gab.

    Corona hat Ende 2019 in China angefangen. Im Sommer 2020 habe wir geschlafen. Möglicherweise hätten da die größten oder wenigstens einige Auswirkungen verhindet werden können?

    Um so wichtiger finde ich die Aufklärung, die hier vom Autor immer wieder und von einigen wirlich guten Forenteilnehmern versucht wird.

    (Und das noch auf nette Art, wenigstens mir gegenüber 🙂 Zeichen setzen gegen Hass im Netz!)

  14. #17 pederm
    20. April 2021

    “Komischerweise hört man dieses Argument z.B. beim Herzinfarkt nicht. In den letzten 12 Monaten sind aber nahezu doppelt so viele Menschen an (und mit) Corona gestorben als an Herzinfarkten.”
    Was man auch nie hört ist “an oder nach” Herzinfarkt gestorben. Und jetzt komme mir keiner mit dem Argument Beweislage!

  15. #18 Bernd
    Köln
    20. April 2021

    Was die Tabelle nicht sagt – und vermutlich mangels Daten zur Zeit noch gar nicht sagen kann – ist wie viele Menschen am Lockdown sterben. Gemeint sind zum Beispiel Krebstote in Folge von rezessionsbedingtem Ressourcenschwund im Gesundheitssystem, Herz-Kreislauf-Tote in Folge von Bewegungsmangel und zusätzliche Hungertote in Entwicklungsländern. Viele von diesen Todesarten betroffene Menschen werden wohl erst in den kommenden Jahren sterben.

    Wer nicht glaubt, dass Geldmangel Menschen tötet, sollte sich die Studie zu Krebstoten in Folge der Finanzkrise anschauen, die in The Lancet erschienen ist: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(16)00577-8/fulltext

    • #19 Joseph Kuhn
      20. April 2021

      @ Bernd:

      So ist, Statistikdaten dazu liegen noch kaum vor. Es gibt das eine oder andere zum Rückgang z.B. von Krankenhaus-Behandlungen oder zum Rückgang von Früherkennungsuntersuchungen, aber das bildet die unerwünschten Nebenwirkungen der Infektionsschutzmaßnahmen noch nicht ab.

      Das Thema ist jedoch auf der Agenda einiger Forschungsgruppen, so dass hier sicher bald auch mehr Daten vorliegen. Dass die Dritte Welt besonders betroffen sein wird, wird von vielen Fachleuten vermutet.

  16. #20 pederm
    21. April 2021

    Daß Armut der Lebenserwartung und -qualität abträglich ist, muß aber jetzt nicht bei jeder Krise (ob natur- oder kapitalismusbedingt) extra belegt werden, oder?
    Anders gefragt: Wem ist eigentlich gedient mit der zigtausendsten Studie, daß die “Vermutung vieler Fachleute” (ihr Broterwerb sei ihnen ja neidvoll gegönnt) diesbezüglich durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist?

    • #21 Joseph Kuhn
      22. April 2021

      @ pederm:

      Es geht nicht darum, noch einmal zu zeigen, dass Armut die Lebenserwartung beeinträchtigt, sondern um die langfristigen Auswirkungen der Coronakrise. Dazu gibt es noch nicht die „zigtausendste“ Studie.

  17. #22 pederm
    22. April 2021

    Es ging meiner Wahrnehmung nach sehr wohl um den Zusammenhang von Armut und Krankheit: “Wer nicht glaubt, dass Geldmangel Menschen tötet, sollte sich die Studie zu Krebstoten in Folge der Finanzkrise anschauen, die in The Lancet erschienen ist” (Bernd), “dass die Dritte Welt besonders betroffen sein wird, wird von vielen Fachleuten vermutet” (Sie selbst).
    Entschuldigen Sie, aber ich erlaube mir einfach, auf einen Teilaspekt, der immerhin in Kommentar und Antwort am Schluß, also prominent platziert ist, einzugehen.
    (Ich gestehe, daß mein polemischer Ton auch einem Trigger durch Tageszeitungslektüre, mithin nicht Ihnen anzulasten ist.)

  18. #23 Kilian
    23. April 2021

    Offensichtlich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit. Ich denke, die meisten Leute verstehen, dass man es sich einfach nicht leisten kann, ein gesundes Leben zu führen, wenn man kein Geld hat. Ich meine Essen, Schlafen, medizinische Versorgung usw. Dennoch möchte ich zum Hauptthema dieses Artikels zurückkehren und kommentieren, dass eine Situation mit Statistiken über Todesfälle trügerisch sein kann. Ich habe Situationen gehört, in denen der Tod auf eine Ursache zurückzuführen war, aber es wurde angegeben, dass dies auf das Coronavirus zurückzuführen ist. Und ich glaube, dass es passieren kann.
    Die einzige Hoffnung, unser Leben wieder normal zu machen, ist die Impfung. Und dieses Impfzeugnis wird auch in Zukunft wichtig sein. Mir hat gefallen, wie Facebook seine Mitarbeiter behandelt hat. Das Unternehmen hat seine Mitarbeiter geimpft, damit sie wieder Gelegenheitsarbeit leisten können. Dies ist ein gutes Beispiel für andere Unternehmen. In meinem Fall teilte der Vermieter meinem Chef nach der Anmietung eines Büros im Business Center München mit, dass niemand ohne Impfung hereinkommen würde. Ich finde es fair. Ich möchte nicht wirklich ins Büro zurück, aber ich möchte, dass die Dinge wieder normal werden.

  19. #24 Beckmann
    24. April 2021

    Meine Frisörin installiert sich nicht die Corona-app. Sie sagt sie hätte ja wegen der Corona-Maßnahmen eh kaum Kontakte. Sie wolle sich nicht verrückt machen lassen.
    Wohnt in einem LK mit 250+ Inzidenz.

    Frage: wenn solche Aussagen bei mir das Verlangen nach einer Bayotensin auslösen ist das normal oder?

  20. […] Covid-19-Sterberate im Vergleich: Höher als bei Herzinfarkt, Gesundheits-Check am 18. April […]

  21. #26 Anonym_2021
    8. Mai 2021

    Es scheint neue Erkenntnisse über Covid19 zu geben:

    Coronavirus-DNA auch in unserem Erbgut
    In DNA umgeschriebene Sequenzen von SARS-CoV-2 im Genom infizierter Zellen nachgewiesen

    Denkbar wäre aber, dass diese von unseren eigenen Zellen produzierten Virenproteine dann wie eine Art interne Impfung wirken und unserem Immunsystem dabei helfen, den Erreger zu erkennen und zu bekämpfen, mutmaßen die Forscher. Zudem könnte die Präsenz der viralen Genabschnitte im menschlichen Genom erklären, warum die PCR bei einigen genesenen Covid-Patienten weiterhin positiv wird.

    Quelle:
    https://www.scinexx.de/news/medizin/coronavirus-dna-auch-in-unserem-erbgut/

  22. […] es sei eine „der seltensten schweren Erkrankungen“. Das sagt er nach 85.000 Toten, doppelt so vielen wie beim Herzinfarkt im Laufe eines Jahres. Bisher mussten fast 250.000 Covid-19-Fälle im Krankenhaus behandelt werden, […]