Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident, ist bisher nicht gegen Corona geimpft. Das ärgert Markus Söder, der die Impfquoten in Bayern unbedingt schnellstmöglich steigern will, auch mit Blick auf die Delta-Variante des Virus. Ein Impfskeptiker im eigenen Kabinett gibt da kein gutes Bild ab. Am Dienstag gab es vor diesem Hintergrund bei einer Pressekonferenz einen aufschlussreichen Wortwechsel zwischen Söder und Aiwanger:
Söder: „Vielleicht sagst Du selber was dazu, warum Du Dich nicht impfen lassen willst.“
Aiwanger: „Die Entscheidung, ob sich jemand impfen lässt oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung – die nehme ich auch für mich in Anspruch.“
Das stimmt. Es gibt keine Impfpflicht in Deutschland. Und dann hat Aiwanger noch hinzugefügt, er wolle sich die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten anschauen. Das kann man so verstehen, dass er sein persönliches Risiko mit und ohne Impfung mit Blick auf das Infektionsgeschehen abwägt: Was riskiere ich, wenn ich mich diese Woche oder diesen Monat noch nicht impfen lassen, bzw. was gewinne ich, wenn ich es tue. Hier kommt also die „absolute Risikoreduktion“ ins Spiel, von der gerade erst wieder anlässlich Harald Walachs letztem Zahlensalat die Rede war.
Wenn man sich jetzt, bei vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen impfen lässt, reduziert man sein momentan (!) recht kleines Infektionsrisiko durch die Impfung natürlich nur wenig. Aber indem man sich darauf verlässt, verlässt man sich quasi in einer Trittbrettfahrermentalität darauf, dass andere für einen das Infektionsrisiko niedrig halten, z.B. indem sie weiter Masken tragen und Kontaktbeschränkungen auf sich nehmen oder sich impfen lassen. Ohne das würde das Infektionsrisiko für alle schnell steigen und damit auch der individuelle Nutzen, sich selbst baldmöglichst impfen zu lassen soll, bevor es einen erwischt.
Aber so lange das nicht ansteht, kann Trittbrettfahren auf Kosten anderer eine individuell rationale Strategie sein. Spieltheoretische Ansätze zur Erhöhung der Kosten des Trittbrettfahrens sind leider auch nicht immer von der ganz feinen Art. Wenn man so will, hat Söder mit seinem öffentlichen „Erklär-dich-Hubert“ gerade einmal ausprobiert, was da geht. Das hat Hubert Aiwanger auch sofort verstanden und moralisch pariert: „Menschen, die für sich als Person vom Impfen noch nicht überzeugt sind, sollten wir nicht sagen, dass sie falsch agieren“. Aber steht Aiwanger nur „für sich als Person“?
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