Die Zeitschrift „Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement“ ist eine seriöse Fachzeitschrift. Sie ist offizielles Organ der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, im Beirat sitzen maßgebliche Fachvertreter.
Allerdings scheint sich die Zeitschrift mit dem internen Qualitätsmanagement mitunter schwer zu tun. In der aktuellen Ausgabe 4/2021 wird ein „Konsens“ zum Thema „Homöopathie in der medizinischen Versorgung“ abgedruckt. In 10 Thesen werden angeblich Möglichkeiten und Grenzen der Homöopathie aufgezeigt.

Grenzen habe ich keine gesehen. Stattdessen kann man beispielsweise lesen, dass die Homöopathie ein „plausibles Modell zum Wirkprinzip“ habe. Genau das hat sie nicht. Sie hat viele spekulative Modelle, von irgendwie übertragenen „Informationen“ bis hin zu Verballhornungen der Quantentheorie. Weiter schreiben die Autor/innen, auch zur Erklärung der Hochpotenzen gebe es „vielversprechende Hypothesen“, die jedoch noch bewiesen werden müssten, mit einem Substanzbegriff der modernen Physik. Das Geraune der Homöopathen mit der modernen Physik kennt man seit vielen Jahren, leider nehmen sie nicht zur Kenntnis, was die moderne Physik wirklich sagt. Insofern stimmt es, es gibt „vielversprechende“ Hypothesen, sie versprechen viel und halten nichts. Auch die klinische Wirksamkeit der Homöopathie wird einmal mehr behauptet, unter Verweis auf Kohortenstudien und Fallserien. Die Literaturreferenzen dazu sind teilweise abenteuerlich, und natürlich alles „Studien“ von Homöopath/innen. Man hätte die weniger schönen Ergebnisse der Metaanalysen zitieren können, sozusagen die methodisch kontrollierten Konsenspapiere. Man hätte können, hat aber nicht. Und natürlich wird neben der Patientenzufriedenheit auch wieder vorgebracht: Die Homöopathie spare Geld, wiederum unter Verweis auf gefällige Studien aus der eigenen Mannschaft, gegenteilige Befunde bleiben auch hier außen vor, das würde den „Konsens“ ja nur stören.

Ich erspare mir den Rest. Der „Konsens“, der offensichtlich als Referenzdokument dienen soll, um künftig fleißig zitiert zu werden und einen Konsens unter seriösen Fachleuten vorzutäuschen, ist aus der Feder von Homöopathie-Vertretern wie Michael Frass, Michael Keusgen oder Harald Matthes. Dass sie einen Konsens haben, ist schwerlich zu bestreiten, einen Binnenkonsens halt.

Das Papier wurde zwar nur im Panorama-Teil der Zeitschrift veröffentlicht, aber das sieht man späteren Zitationen nicht mehr an. Richtiggehend ärgerlich ist, dass der Zeitschrift scheinbar völlig egal war, was da gedruckt wird. Am Ende des Papiers steht doch tatsächlich: „Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.“ Das ist sicher ehrlich gemeint: die Leute haben keinen Interessenkonflikt, sie haben Interessen.

Wenn eine Zeitschrift nicht einmal solche Formalitäten prüft, wirft das kein gutes Licht auf ihr redaktionelles Qualitätsmanagement. Aber vielleicht hat sie ja selbst einen Interessenkonflikt in der Sache, den sie nicht offenlegen will.

Kommentare (25)

  1. #1 Fluffy
    10. Dezember 2021

    Oh! Homöopathie!
    Glaube keiner, das sei mein Lieblingsthema.

    • #2 Joseph Kuhn
      10. Dezember 2021

      @ Fluffy:

      Eigentlich soll es nicht schon wieder um die Homöopathie gehen, sondern darum, was es bedeutet, wenn so ein Beitrag, zumal unkommentiert, in einer soliden Fachzeitschrift erscheint. Vielleicht finden sich demnächst auch ein paar, die einen “Konsens” zu Astrologie in einer astrophysikalischen Zeitschrift publizieren?

  2. #3 rolak
    10. Dezember 2021

    Gegen den Artikel ist doch überhaupt nichts zu sagen – es fehlt halt nur ein abschließender redaktioneller Kommentar à la ‘Dieser Artikel ist ein hervorragendes Beispiel für die potentiell erschreckenden Auswirkungen fehlenden Qualitätsmanagements. Und zwar, weil..’.

  3. #4 2xhinschauen
    10. Dezember 2021

    Die maßgeblichen und sehr großen Studien (n jeweils > 40.000) zur “Kosteneffektivität” zusätzlicher homöopathischer Behandlungen, erstellt im Auftrag der Techniker Krankenkasse, entstanden zwar unter Mitarbeit von Claudia Witt. Erstautorin war aber – Ehre wem Ehre gebührt – die Gesundheitswissenschaftlerin Julia Ostermann. Die TK war wohl ziemlich baff angesichts dieser für die Homöopathie ungünstigen Ergebnisse, finanziert die Homöopathie aber weiterhin und hat m.W. ein Gespräch mit dem INH abgelehnt.

    Ich denke nicht, dass der von JK besprochene Artikel diese “Witt-Studien” referenziert, sondern frühere Arbeiten, als sie noch den Geldgebern ihrer Berliner Stiftungsprofessur zuarbeiten musste (der Carstens-Stiftung).

    Ostermann JK, Reinhold T, Witt CM: „Can additional homeopathic treatment save costs? A retrospective cost analysis based on 44 500 insured persons,“, PloS one 10.7 (2015): e0134657

    Julia K. Ostermann, Claudia M. Witt, Thomas Reinhold: „A retrospective cost-analysis of additional homeopathic treatment in Germany: Long-term economic outcomes“, PloS one 12.9 (2017): e0182897

    • #5 Joseph Kuhn
      10. Dezember 2021

      @ 2xhinschauen:

      Zur Kosteneffektivität werden zitiert:

      – Kass B, Icke K, Witt CM et al. Effectiveness and cost-effectiveness of treatment with additional enrollment to a homeopathic integrated care contract in Germany. BMC Health Serv Res 2020; 20: 872

      – Securvita Krankenkasse. Langzeitstudie: Homöopathie ist wirtschaftlich und wirksam. 2020. Im Internet: https://www.krankenkassen-direkt.de/news/mitteilung/SECURVITA-Langzeitstudie-Homoeopathieist-wirtschaftlich-und-wirksam-2692040.html, Stand: 14.02.2021

      – Rossi E, Crudeli L, Endrizzi C et al. Costbenefit evaluation of homeopathic versus conventional therapy in respiratory
      diseases. Homeopathy 2009; 98: 2–10

  4. #6 Werner Roepke
    Erkerode
    10. Dezember 2021

    steht nirgends und ist doch bekannt: wer homöopathiegläubig ist, lebt weitgehend gesund und verdient gut. Das ist die optimale Zielgruppe für die GK, voran die TK ( die ich persönlich schätze). Kaufmännisch gut gedacht: die Kasse bezahlt einige Behandlungen, der Rest ist Eigenleistung. Könnte noch perfektioniert werden: Die Kasse läßt Heinerle Liebesperlen ohne Farbe im Auftrag produzieren, reicht sie an Homöopathen weiter, die sie umpacken als Globuli und an die Patien verkaufen. Win-win für alle.

  5. #7 Christian
    10. Dezember 2021

    @ #5:

    Interessanterweise ist der Link zur Securvita-Studie allenfalls eine Notiz über die Studie. Eine elfseitige Zusammenfassung der Studie findet man hier:

    https://www.securvita.de/fileadmin/inhalt/dokumente/auszuege_SECURVITAL/202004/securvital_0420_6-11.pdf

    Aber von der Studie selbst – keine Spur. Sie ist nicht auffindbar, quasi herunterverdünnt, sodass kein einziges Molekül, äh, Exemplar mehr nachweisbar ist. Und doch wirkt sie in entsprechenden Kreisen nach und wird referenziert. DAS ist Homöpathie!

  6. #8 PDP10
    10. Dezember 2021

    In der aktuellen Ausgabe 4/2021 wird ein „Konsens“ zum Thema „Homöopathie in der medizinischen Versorgung“ abgedruckt.

    Kann es sein, dass man für Beiträge in der Zeitschrift bezahlen muss (wie bei sovielen Fachzeitschriften)?

    Ob da wohl mal Geldmanagement über Qualitätsmanagement gegangen ist?
    Nach dem Motto: ist ja nicht so schlimm. Ist ja nur ein Diskussionsbeitrag …

    • #9 Joseph Kuhn
      10. Dezember 2021

      @ PDP10:

      Für Artikel in der Zeitschrift muss nicht bezahlt werden. Ich vermute, die Autor/innen hatten Fürsprecher im Herausgeberumfeld.

  7. #10 PDP10
    10. Dezember 2021

    @Joseph Kuhn:

    Ein Gschmäckle sozusagen, wie man in Bayern sagen würde …

    Auch schön. Etwas, dass aus sich berufen fühlenden Kreisen normalerweise der “Schulmedizin”, Politik und Bigpharmamama unterstellt wird.

  8. #11 Echt?
    11. Dezember 2021

    Natürlich gibt es da einen Konsens: Geld abzocken!

    • #12 Joseph Kuhn
      11. Dezember 2021

      @ Echt?

      Man sollte nicht einfach den Vorwurf der „Alternativen“ mit dem Pharmageld spiegeln. Viele meinen wirklich im Dienst einer guten Sache zu handeln.

  9. #13 Beobachter
    11. Dezember 2021

    Vielleicht sollte man sich in der “Gesundheitsökonomie”, dem “Qualitätsmanagement” und der Gesundheitsdatenerfassung besser um die unhaltbaren Zustände/Missstände in den Kliniken (und Pflegeheimen) kümmern, die alle auf Kosten der Patienten und des Personals gehen –
    als immer wieder das hier so beliebte und immer wieder gerne genommene sattsam bekannte “Luxus”-Thema “Homöopathie” mit allen Mitteln zu Tode zu reiten.

    Gerade in Corona-Zeiten besonders aktuell:
    Nicht-Einhaltung der “Pflegepersonaluntergrenzen”:

    https://aktuelle-sozialpolitik.de/2021/12/10/wenn-unter-der-untergrenze-noch-eine-kelleretage-ist/

    “Wenn unter der Untergrenze noch eine Kelleretage ist. Die an sich fragwürdigen Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern und ihre Nicht-Einhaltung
    … “

  10. #15 Echt?
    11. Dezember 2021

    Menschen, auch die, die im guten Glauben handeln, aber irgendwelche. Spinnkram anhängen, sollen die Finger von der. Medizin lassen.

    Was kommt denn als nächstes? Menschen, die ihren Nachbarn den Backofen anschließen wollen und die Kabelbelegung auspendeln?

  11. #16 Ludger
    11. Dezember 2021

    Es tut sich was bei den Homöopathen, die DHU emphiehlt die Impfung in einer ganzseitigen Anzeige in der ZEIT (Seite 13, No. 51 aus 2021). Die Seite ist fahl pissgelb, der Text farblos und kaum zu erkennen wegen des homöopathischen Schriftkontrastes. Ich versuche ein Transkript:

    Logo DHU
    Gesundheit erfahren
    2022
    Den besten Vorsatz fürs neue Jahr können Sie heute schon einlösen: die Pandemie beenden
    Medizin ist keine Glaubenssache. Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft. Bei der Auswahl der geeigneten Behandlungsmethode berücksichtigt sie Erfahrung genauso wie wissenschaftliche Erkenntnisse. Erfreulicherweise steht uns heute eine große Bandbreite unterschiedlicher Therapieansätze und medizinischer Möglichkeiten zur Verfügung – von Homöopathie über Impfungen bis hin zu technisch anspruchsvollen Operationen.
    Unterschiedliche Erkrankungen und gesundheitliche Herausforderungen erfordern unterschiedliche medizinische Maßnahmen. Dabei geht es auch immer um ein Abwägen zwischen individuellen Präferenzen und medizinischer Notwendigkeit.
    Im Hinblick auf die aktuell größte gesundheitliche Herausforderung unserer Gesellschaft, die Coronapandemie, gibt es für uns als Deutsche Homöopathie-Union kein Vertun: Die Immunisierung der Bevölkerung mit zugelassenen Impfstoffen ist der einzige Weg, der uns aus der Pandemie führen wird.
    Deshalb: lassen Sie sich impfen!
    Zu Ihrem Schutz und dem Ihrer Mitmenschen.
    Deutsche Homöopathie-Union

    Ich hoffe, dass ich keinen Übertragungsfehler gemacht habe.
    Mir fehlen im Augenblick weitere Worte.

  12. #18 Alisier
    11. Dezember 2021

    @ Joseph Kuhn
    “Wenn Sie nicht so gefangen wären in ihrem selbstgerechten Zwang…….”
    Du sollst doch nicht immer mit dem Streuen von Provokationen und verurteilenden Zuspitzungen unnötige Schärfe reinbringen 😉
    Ich verarbeite übrigens gerade mein Treffen mit der anthroposophieaffinen Mittelschicht und war einigermaßen überrascht einiges zu erfahren und zu erkennen, was mir bisher entgangen war.
    Konstruktiv wäre untertrieben und gebracht hat es eine ganze Menge.
    Wenn Du erlaubst würde ich hier gerne ein wenig darüber berichten, weil ich tatsächlich denke, dass es für fast alle hier Mitlesenden interessant sein könnte.
    Morgen Abend, weil jetzt wirklich Pause sein muss.

    • #19 Joseph Kuhn
      11. Dezember 2021

      @ Alisier:

      “Wenn Du erlaubst würde ich hier gerne ein wenig darüber berichten”

      Schreibs vielleicht in den neuen Thread zu Walachs Lebensansichten. Da passt es besser.

  13. #20 Ludger
    11. Dezember 2021

    Der Satz der DHU

    ” Die Immunisierung der Bevölkerung mit zugelassenen Impfstoffen ist der einzige Weg, der uns aus der Pandemie führen wird.”

    ist nicht ganz richtig. Die Pandemie geht irgendwann weg mit oder ohne Impfung. Aber die Impfung rettet viele, viele Leben. Bisher angeblich ca. 100.000 allein in Deutschland. Daher hilft sie der Gesellschaft (für Liebhaber des Völkischen: man kann auch sagen: dem Volk).

  14. #21 Beobachter
    11. Dezember 2021

    XXX

    [Kommentar gelöscht. Mit Ihnen streite ich nicht mehr herum. JK]

  15. #22 rolak
    11. Dezember 2021

    Gesellschaft (für Liebhaber des Völkischen:..dem Volk)

    Nee, Ludger, ‘Volk’ ist keine völkische ErsatzÜberhöhung von ‘Gesellschaft’, sondern von ‘Volk’. Ja, das sieht gleich aus und genau das ist der Trick.

    –Volk={Mensch| Mensch∈Konstrukt}, Konstrukte wie ‘Staatsbürger’, ‘Abstammung’ etc

    –Gesellschaft=Volk∪{R|R ist Relation zwischen V₁⊆V und V₂⊆V}

    oder: Volk sind die Leute, Gesellschaft auch noch alle möglichen Beziehungen zwischen ihnen. Die Impfung hilft daher per def beiden Mengen.
    Bei Völkischen wird ‘Volk’ hauptsächlich zu einem wir|ihr-Spagat benutzt, um Hierarchien unter den so definierten Völkern aufzubauen – genau das Letztere macht ja ‘rechts‘ aus und tendiert in den eher unappetitlichen Ausformungen immer zu Rassismus = ‘Identität’s­Separierung = Ethnopluralismus = <nächster VersteckVersuch>.


    __________
    btw: Vereinigung zweier Mengen in HTML könnte man umschreiben als ‘two sets, one cup’ und mehr sag ich jetzt nicht…

  16. #23 Alisier
    11. Dezember 2021

    @ Joseph Kuhn
    Mach ich.
    Danke!

  17. #24 RPGNo1
    11. Dezember 2021

    @Alisier

    Wenn Du erlaubst würde ich hier gerne ein wenig darüber berichten, weil ich tatsächlich denke, dass es für fast alle hier Mitlesenden interessant sein könnte.

    Oh, Spannung, Spannung. Immer gerne. 🙂

  18. #25 Ludger
    11. Dezember 2021

    @rolak
    Eine Gleichsetzung steht nicht in meinem Text und war auch nicht gemeint.
    Anders ausgedrückt:
    Die Formulierung “Impfen rettet Leben” gilt nicht nur für die Bewohner von Marxloh sondern auch für die Freunde von Herrn Höcke. Wenn sich diese Freunde aber gegen das Impfen entscheiden, schaden sie damit ihrer eigenen Klientel. Den Zusatz: “(für Liebhaber des Völkischen: man kann auch sagen: dem Volk).” habe ich just für diese Klientel gewählt. Bei dem Wort “Gesellschaft” hätten die möglicherweise blockiert. Vielleicht hätte ich das Wort “Gefolgschaft” anbieten sollen, was allerdings auch nicht gleichbedeutend mit Gesellschaft ist..