Harald Walach, der Mann mit der untoten Affiliation zur Medizinischen Universität Poznan (Link: „Whoops, looks like something went wrong“), hat sich zum Thema Leben und Tod ausgelassen, ganz grundsätzlich und natürlich auch mit Blick auf Corona. Schon die Überschrift „Überleben wir den Tod?“ lässt reichlich Schwurbelei erwarten. Wobei man darüber, was die Begriffe „Leben“ und „Tod“ in dieser Verknüpfung überhaupt bedeuten können, durchaus sprachanalytisch diskutieren könnte. Aber statt derart schwerer Kost ein paar leichter verdauliche Geschmacksproben aus Harald Walachs Lebensansichten:
„Die naturwissenschaftliche Weltanschauung, die letztlich nichts anderes ist als eine postmoderne Religion der Möchtegernvernünftigen, hat mit der Vorstellung eines Gottes, eines Jenseits und jeglicher Gerechtigkeit, die außerhalb menschlicher Diskurse verankert wäre, aufgeräumt.“
Die naturwissenschaftliche Weltanschauung ist also eine Sache von Möchtgernvernünftigen. Ob Walach unvernünftig sein möchte? Oder ob das, was er an einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung vermisst oder ablehnt, mehr Vernunft verspricht? Man weiß es nicht. Und was er zum Thema Gerechtigkeit sagt, klingt vielleicht einleuchtend, ist aber schlicht falsch. Es gibt beispielsweise philosophische Ansätze, die objektive Werte annehmen, ohne einen Gott zu bemühen.
Eingestreut in seine Gedanken finden sich dann kulturpessimistische Sentenzen wie diese:
„Sätze wie „Jedes Leben ist wertvoll“ sind meiner Ansicht nach einfach nur scheinheilig und verlogen.“
Warum sagt er das? Weil die Politik die Alten vor Corona schützen will, aber andernorts Menschen sterben lässt. Ob im Bürgerkrieg in Jemen weniger Menschen ums Leben kämen, wenn man hierzulande dem Coronavirus freie Bahn ließe? Und ob es nicht erst recht scheinheilig und verlogen wäre, das zu tun, mit der Begründung, Infektionsschutz in Deutschland sei scheinheilig und verlogen, solange Menschen andernorts unbeachtet sterben? Selbstverständlich würde Walach das nicht gesagt haben wollen.
In seinem Text fehlt natürlich auch nicht die Ablehnung des Impfens, das gleich auch noch als „völlig unsinnig“ bezeichnet wird:
„Sie stopfen Milliarden in völlig unsinnige medizinische Präventionsmaßnahmen, die euphemistisch als „Impfungen“ verkauft werden (…).“
Wer sich die Situation auf den Intensivstationen vergegenwärtigt, wird solche Sätze vermutlich als verroht und zynisch empfinden.
Weiter geht es mit einer Antwort auf die Frage aller Fragen:
„Der Kern eines guten Lebens und des Lebens schlechthin ist, dass es endet, damit Neues seinen Platz einnehmen kann, manchmal rascher, manchmal langsamer.“
Es klingt ein bisschen wie schlechter Nietzsche – alles was ist, ist wert, unterzugehen. Aber es ist nur Walach. Er glaubt schließlich selbst nicht, was er da sagt, sondern gibt gleich darauf, ganz guter Psychologe, einen tröstlichen Ratschlag:
„Nicht die Länge eines Lebens bezeichnet seinen Wert, sondern was und wie viel in dieser Zeitspanne gelebt, geliebt und geschaffen wurde. Mozart hat in seinen 35 Lebensjahren gewaltiges geschaffen.“
Ja, der Mozart. Das ist einer nach Walachs Geschmack. Warum er nicht den Fliesenleger Ernst oder die Verkäuferin Rosa als Beispiel gewählt hat? Ist ihr Leben in Walachs nichtnaturwissenschaftlicher Weltanschauung wertlos? Bildungsdünkel? Und wie begründet man mit Walachs Diktum den Lebenswert Schwerstbehinderter? Walach hat auch das sicher ganz anders gemeint, in dem Punkt ist ihm gewiss nichts zu unterstellen, nur nachgedacht hat er vor dem Meinen nicht.
Des Gedankens Ungedanke entwickelt sich von da aus weiter zu einer kritischen Betrachtung der ganzen Medizin, weil der Versuch, Leben zu verlängern, nur einer übersteigerten Angst vor dem Tod geschuldet sei:
„Unser kulturell-medizinischer Versuch, Leben zu verlängern, um jeden Preis, ist der Angst vor dem Ende des Lebens geschuldet, der Angst vor dem Tod. Und wer den Tod nicht mehr konstruktiv denken und leben kann, der ist dazu verurteilt, das Leben zum immerwährenden Tod zu machen. Denn er lebt in der Angst vor dem Tod und diese Angst lähmt das Leben so stark, dass es wie ein Tod auf Raten ist.“
Ob er der Meinung auch dann noch ist, wenn seine Kinder lebensbedrohlich erkranken? Absehbar nicht, aber man kann es sich denken, so war es ja auch nicht gemeint.
Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass diese mutige Verachtung des Todes von einem kommt, der sich ansonsten vor 5G, Glyphosat und anderen Weltengefahren zu Tode fürchtet, dann versteht man immerhin seine Sympathie für einen Satz seines „guten Kollegen“ Nick Maxwell:
„95 % von dem, was ich sage und tue, ist Unsinn“
Vielleicht lässt Walach das ja auch für seinen Text gelten, oder hat die launige Bemerkung am Ende gar als Aufforderung verstanden.
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