Ende letzten Jahres war hier eine Storchenstatistik aus Jena Thema, nach der Impfungen das Risiko einer Corona-Infektion erhöhen würden. Das steht gegen alle auch nur halbwegs gut gemachten Studien und gegen das laufende Impfmonitoring des RKI. Oft reagieren Hochschulwissenschaftler/innen auf derart unterirdische Papiere nicht, sondern ignorieren es einfach. Hier war es anders, es gab im Kollegenkreis ein vernichtendes Echo auf diese „Studie“. Selbst den Autoren Rolf Steyer und Gregor Kappler schwante wohl, dass sie da etwas arg schräg unterwegs waren. Am 24. November 2021 veröffentlichten sie eine Stellungnahme, in der sie ihre Analyse zur „Notiz“ herunterstuften und die Kernaussage zurücknahmen:
„Zur Klarstellung: Es handelt sich bei der Notiz weder um eine wissenschaftliche Publikation noch um eine fundierte wissenschaftliche Studie, die unseren eigenen Qualitätsstandards genügt. Unsere Notiz beweist keineswegs, dass eine erhöhte Impfquote zu einer erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit führt. Wir möchten auch nicht, dass sie dahingehend fehlinterpretiert wird. Es gibt zahlreiche Gründe, welche die gefundene positive Korrelation erklären könnten, ohne einen negativen Effekt der Impfquote auf die Übersterblichkeit zu implizieren. Um die aktuelle Übersterblichkeit zu erklären, sind umfassendere wissenschaftliche Analysen geboten. Unter Hinzunahme der jetzt verfügbaren KW 41 ist übrigens die von uns letzte Woche berichtete positive Korrelation nahezu gleich null.
Wir bitten, dass diese Stellungnahme überall dort zur Kenntnis gebracht wird, wo aus unserer Notiz zitiert wird, oder diese gar in Gänze übernommen wurde.“
Natürlich wurde die Stellungnahme im Querdenkermilieu, das die „Studie“ von Steyer/Kappler euphorisch gefeiert hat, nicht „zur Kenntnis gebracht“. Zur Kenntnis genommen vermutlich sehr wohl. Aber sie hat ihren Zweck erfüllt: Sie steht als Referenz zur Verfügung.
Ein Beispiel dafür ist eine Klage, die der sozialdarwinistische „Coronakritiker“ Werner Müller, der Herr, der mit Corona ins Krankenhaus musste, aber nach eigener Wahrnehmung eigentlich gar nicht richtig krank war, am 4.1.2022 beim Verwaltungsgericht Darmstadt eingereicht hat. Darin beruft er sich ganz ungeniert, als ob es die Stellungnahme von Steyer/Kappler nicht gäbe, auf deren „Studie“:
„Weiter wird auf den Text „Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit“ von Prof. Dr. Rolf Steyer und Dr. Gregor Kappler von der Universität Jena am 16. November 2021, der versehentlich veröffentlicht wurde, verwiesen. Sie kamen zu der Erkenntnis: „Die Korrelation zwischen der Übersterblichkeit in den Bundesländern und deren Impfquote bei Gewichtung mit der relativen Einwohnerzahl des Bundeslands beträgt 0,31. Diese Zahl ist erstaunlich hoch und wäre negativ zu erwarten, wenn die Impfung die Sterblichkeit verringern würde.
Ein Korrelationskoeffizient gibt auf einer Skala von -1 bis +1 an, ob es zwischen zwei Entwicklungen einen statistischen Zusammenhang gibt. Eine negative Korrelation mit einem Koeffizienten von < 1 bedeutet, dass eine Entwicklung steigt, die andere fällt. Welche Entwicklung von welcher abhängig ist, lässt sich daraus aber nicht erkennen. Bei einem Korrelationskoeffizienten von -0,2999 bis +0,2999 wird nicht von einem Beleg für einen statistischen Zusammenhang ausgegangen. Bei Werten von 0,3000-0,4999 spricht man von einem schwachen Zusammenhang, bei 0,5000-0,7999 von einem deutlichen und ab 0,8000 von einem eindeutigen Zusammenhang. Ein statistischer Zusammenhang lässt einen kausalen Zusammenhang vermuten. Bei einer höheren Impfquote wären eigentlich weniger Neuinfektionen, Hospitalisierungen und Todesfälle zu erwarten gewesen. Steyer und Kappler haben sich aber nur auf die Daten von 16 Bundesländern stützen können und nur einen sehr schwachen Zusammenhang gesehen. Ein Ausreißer hätte bei dieser kleinen Grundgesamtheit eine große Wirkung, was Steyer und Kappler auch erkannt haben. 40-50 Datensätze wären dagegen solide. Nicht bestreitbar war aber die „falsche Richtung“ des Korrelationskoeffizienten und der extreme Abstand von einem Wert -0,5, was als Beweis für eine wirksame Impfung eigentlich nötig wäre.“
Werner Müller ist „Professor für Rechnungswesen, Controlling, Steuern“ an der Hochschule Mainz. Leute, die kein Problem mit der Storchenstatistik von Steyer und Kappler haben, und die es schaffen, in zwei Absätzen selbst da noch eine Schippe Unsinn aufzulegen, pflegen vermutlich auch sonst im Rechnungswesen eine unkonventionelle Methodik. Mir tun seine Studierenden leid, aber vielleicht mögen die ja seinen schwarzen Humor.
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