In den Medien zirkuliert seit einigen Tagen die Todesursache der Queen: „hohes Alter“. Sie war 96 Jahre alt.

„Hohes Alter“ ist eine interessante Todesursache. Alt sein ist ja keine Krankheit, an der man stirbt. Die Queen ist nicht „an“ 96 Jahren gestorben, sondern „mit“ 96 Jahren. Aber da wir nicht ewig leben, zumindest nicht vor dem Ausstellen einer Todesbescheinigung, ist das irdische Ende aller Menschen unvermeidbar und wenn der Tod nicht infolge einer diagnostizierten Erkrankung oder einer äußeren Ursache wie z.B. eines Unfalls eintritt, ist zumindest bei hochaltrigen Menschen „hohes Alter“ eigentlich eine ganz vernünftige Angabe.

In der Todesursachenstatistik wird diese Ursache allerdings kaum mehr kodiert. Das war nicht immer so. Vor gut 100 Jahren hatte „Altersschwäche“ durchaus einen relevanten Anteil an den dokumentierten Todesursachen. In Bayern wurde beispielsweise 1892 bei ca. 9 % der Sterbefälle „Altersschwäche“ als Todesursache angegeben. Auch heute kann diese Todesursache kodiert werden, unter der ICD-Ziffer R54, Senilität. 2020 stand das in Deutschland noch bei 2.237 Menschen auf der Todesbescheinigung, in 0,23 % aller Sterbefälle. Selbst in der Altersgruppe 90+, also im Queen-Alter, waren es nur 0,77 %. Dafür wurde die Todesursache auch bei 14 Menschen in der Altersgruppe 70-75 angegeben – obwohl das heutzutage „kein Alter“ ist.

Die Tendenz ist weiter abnehmend, obwohl wir immer älter werden und viele Menschen viel gesünder alt werden als früher. Aber gleichzeitig finden die Ärzte bei der Leichenschau, diagnostisch versiert, wohl auch immer leichter doch eine Krankheit, die sich auf der Todesbescheinigung eintragen lässt. Es scheint, als ob heute grundsätzlich alles, was zum Tode führt, als Krankheit und somit als medizinisch behandelbar gilt. Statt „Senilität“ war es dann z.B. Herzstillstand. Am Ende bleibt eben das Herzen stehen. Das wird wohl auch bei der Queen der Fall gewesen sein.

Kommentare (17)

  1. #1 zimtspinne
    30. September 2022

    In Todesanzeigen wird ja auch gerne vermerkt: “…. hat den Kampf gegen Krebs verloren.”

    Skurrilerweise wird (fast) nur der Kampf gegen den Krebs verloren (sterben ja auch viele dran bzw mit, aber eben oft auch an anderen Ursachen).
    Auch wenn vielleicht gar nicht ‘gekämpft’ wurde. Oder nicht anders als gegen andere Krankheiten.
    Kämpft der Mensch (und auch sonst jedes Lebewesen) nicht immer oder fast immer gegen alle Krankheiten und für das Leben, also Weiterleben? So als eingebautes feature?

    Bei der Queen hätte sich “…. verlor den Kampf gegen das Leben” angeboten.
    In dem Alter darf man das und es klingt viel positiver und engagierter als die “Alterschäche”.

  2. #2 Mars
    inzwischen in der Rhön
    30. September 2022

    man sollte dann eher mal das multi-organversagen mit einer ziffer belegen.
    denn die grundlegende frage ist dann doch wieder: wann beginnt das sterben? und mit was?
    mit der dehydration, der bewustlosigkeit, dem nierenversagen, Atemstillstand, herzstillstand.
    zum schluß der *gehirntod*, der in diesem fall das ende als solches beschreibt (wenn man nicht an herz-lungen-maschine angeschlossen bleibt)

    ich war bei mehreren sterbenden *in der letzten stunde* dabei – bei einigen musste man dann doch sagen: am hohen alter gestorben – der körper (und der geist) wollte oder konnte einfach nicht mehr, auch wenn keine offensichtliche, einzelne ursache zu finden war.
    R.I.P.

  3. #3 Ludger
    30. September 2022

    In NRW muss man als Leichenbeschauer folgende Fragen beantworten:
    Unmittelbare Todesursache:
    Dies ist eine Folge von:
    Hierfür ursächliche Grundleiden::
    Mit zum Tode führende Krankheiten ohne Zusammenhang mit dem Grundleiden
    (Quelle: https://m.thieme.de/viostatics/dokumente/vio-2/final/de/dokumente/klinik/totenschein.pdf )
    Eine Angabe “0ld Age” wäre keine zugelassene Diagnose. Wenn die Diagnose “Altersschwäche” bei manchen Gesundheitsämtern durchgeht, war man dort sehr großzügig. Oder es gibt in anderen Bundesländern abweichende Regelungen.
    Die o.a. Fragen kann man als Arzt im Zentralen Notfalldienst kaum beantworten und müsste deshalb eigentlich meistens “ungeklärt ob natürlicher/nicht natürlicher Tod” ankreuzen und dann sofort die Polizei anrufen. Das führt zu Zielkonflikten und ist unbefriedigend.

    • #4 Joseph Kuhn
      30. September 2022

      @ Ludger:

      “In NRW muss man als Leichenbeschauer folgende Fragen beantworten …”

      Die Kausalkette auf der Todesbescheinigung ist überall so vorgegeben, nicht nur in NRW.

      “Eine Angabe “0ld Age” wäre keine zugelassene Diagnose.”

      Es wäre keine Diagnose, es wäre die Angabe einer Todesursache. Zum Einlesen in die Problematik von Leichenschau, Eintragungen auf der Todesbescheinigung, Kodierung der Eintragungen in den Statistischen Landesämtern und zur Erstellung der Todesursachenstatistik: https://www.springermedizin.de/bundesgesundheitsblatt-gesundheitsforschung-gesundheitsschutz-12/17439224

  4. #5 Mars
    inzwischen in der Rhön
    30. September 2022

    ja, da sollte man auch unbedingt in seiner patientenverfügung vorsorge tragen.
    dass da am ende nicht natürlicher tod diagnostiziert wird, obwohl man evt 4 wochen vorher wegen einem schweren unfall o.ä. eingeliefert wurde.

    ursächlich kann dann dennoch der unfall sein, auch wenn am ende *nur* ein herz- oder hirnversagen das körperliche ende herbeiführt.

    lebt in frieden und lange -\\//

  5. #6 zimtspinne
    30. September 2022

    @ Ludger

    Ein Unfall ist doch aber auch ein natürlicher Tod.
    Durch Selbst”verschulden” oder Fremdverschulden – zB im Auto beim Übersehen des Stoppschildes.

    Ansonsten könnte man eine unbeabsichtigte Überdosis Heroin auch als unnatürlichen Tod ansehen oder den Kleinzeller eines Rauchers.

    Unnatürlich wird der Tod doch erst bei Absicht und Plan – Eigen- oder Fremdeinwirkung (Suizid/Mord).
    Ja, ich kenne die Definitionen, das Thema hatten wir ja sogar vor nicht allzu langer Zeit mal und da hatte ich meiner Erinnerung nach sogar GB und die Königsfamilie als Beispiel für häufge Angabe “Altersschäche” verlinkt. Das ist dort auch heute noch sehr oft genau so auf den Totenscheinen zu lesen, nicht nur am Hofe.

    Das war eher philosophisch gedacht und auch logisch irgendwie.

    Man könnte sonst ja auch bei der Ursuppe anfangen bei der Todesursachenfindung.
    “Verführung zum Rauchen durch gute Angebote aufm Schulhof” könnte man als Urursache für Tod durch/mit Lungenkrebs nehmen, zum Beispiel.
    wo fängt das an und wo hört das auf – die Ursache am Tod?
    Manchmal ist es eindeutig und klar, aber meist eben nicht und mit steigendem Lebensalter immer weniger.

    Und in der PV hat das eigentlich auch nichts zu suchen.
    Die macht man für sich selbst – die lückenlose Beschreibung der Todesursachenkettenreation ist doch eher für die Angehörigen wichtig (und für Ermittlungs-/Strafverfolgungsbehörden manchmal).

  6. #8 zimtspinne
    30. September 2022

    nicht “Beschreibung”, sondern “Mitteilung”, dokumentiert wird ja eh.

  7. #9 Ludger
    30. September 2022

    Danke für den Link zu den Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichenschau. Das soll also ein Landgynaekologe ca. 10 mal in seiner gesamten beruflichen Tätigkeit im Zentralen Notfalldienst leisten. Da ist man als Gesetzgeber aus dem Schneider und es ist viel billiger, als einen staatlichen Leichenbeschauer zu beschäftigen. Man sollte wirklich bei jeder kleinen Unklarheit (also praktisch immer) die unklare Todesursache ankreuzen und die Polizei rufen.

  8. #10 zimtspinne
    1. Oktober 2022

    @ Joseph Kuhn

    Quelle?

    Bitteschön:

    Das unterstreicht eine aktuelle Untersuchung aus Großbritannien, die im Fachmagazin “Plos Medicine” erschienen ist. Catherine Evans vom King’s College London und Kollegen berichten darin, an was über Hundertjährige in Großbritannien in den Jahren 2001 bis 2010 gestorben sind. Sie werteten insgesamt die Daten von 35.867 Verstorbenen aus.

    Am häufigsten genannt wurde allerdings Senilität, also Altersschwäche. Bei 28 Prozent der Verstorbenen war sie laut Totenschein die Todesursache.

    Auf mehr als einem Drittel der Totenscheine hatten die Ärzte neben der Haupttodesursache weitere Leiden notiert, die aus ihrer Sicht dazu beigetragen hatten, dass die Person verstorben war. Fast die Hälfte nannte hier Senilität.

    https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/todesursachen-bei-ueber-hundertjaehrigen-woran-die-ganz-alten-sterben-a-973142.html

    Bei den Royals auch nichts neues:

    Prinz Philip ist am 9. April mit 99 Jahren an “Altersschwäche” gestorben. Das geht aus seiner offiziellen Sterbeurkunde hervor und wurde vom Leiter des königlichen medizinischen Personals, Sir Huw Thomas, bestätigt, wie unter anderem “The Daily Telegraph” berichtet.

    https://www.n-tv.de/leute/Prinz-Philips-Sterbeurkunde-veroeffentlicht-article22534319.html

    • #11 Joseph Kuhn
      1. Oktober 2022

      @ zimstspinne:

      Sie zitieren eine Quelle, deren Basis die Altergruppe 100+ ist, also eine hochselektierte Gruppe mit naheliegenderweise robuster Gesundheit. Ausgewertet wurden die Daten von 35.867 Verstorbenen, davon stand bei 28 % die Altersschwäche als Todesursache, also bei ca. 10.000 Fällen, das über 10 Jahre, d.h. wir reden von ca. 1.000 Sterbefällen pro Jahr in dieser Altersgruppe mit dieser Todesursache.

      Sie sprachen in Ihrem Kommentar #6 von Großbritannien, ohne Eingrenzung auf Hochaltrige, und dass Altersschwäche “dort auch heute noch sehr oft genau so auf den Totenscheinen zu lesen” sei. Das klingt so, als sei es anders als in Deutschland. In Großbritannien sterben jedes Jahr ca. 600.000 Menschen. Bei wie vielen davon steht Altersschwäche in der Todesbescheinigung?

      ——————
      Nur nebenbei: Ein Blick in die Zukunft mit der ICD 11: https://www.thelancet.com/journals/lanhl/article/PIIS2666-7568(22)00102-7/fulltext

  9. #12 zimtspinne
    1. Oktober 2022

    @ Ludger

    Man sollte wirklich bei jeder kleinen Unklarheit (also praktisch immer) die unklare Todesursache ankreuzen und die Polizei rufen.

    Du wirfst hier aber zwei Dinge durcheinander.

    “Todesursache” fällt eher in den medizinischen Bereich bzw ist eine medizinische Definition.
    “Todesart” ist eher ein juristischer Begriff.

    Kann sich auch überschneiden, aber im allgemeinen muss bei Unklarheiten oder Lücken in den Kausalketten der Todesursache doch nicht jedesmal die Polizei gerufen werden.
    Außer dann, wenn auch die Frage “natürlich” oder “nicht natürlich” oder “ungeklärte Todesart” im Raum steht.

    Ich fände es schon allein wegen der vielen unentdeckten Morde am besten, wenn die Leichenschau immer von einem Rechtsmediziner vorgenommen würde und nie von gestressten Hausärzten zwischen Tür und Angel und Angehörigen.

  10. #13 Ludger
    1. Oktober 2022

    Zitat von zimtspinne:

    “Ich fände es schon allein wegen der vielen unentdeckten Morde am besten, wenn die Leichenschau immer von einem Rechtsmediziner vorgenommen würde und nie von gestressten Hausärzten zwischen Tür und Angel und Angehörigen.”

    Das ist so, will man aber nicht bezahlen. Man macht ja auch Institute der Rechtsmedizin zu, um Geld zu sparen (oder um die Mordfallzahlen zu senken?).
    Zu Todesursache und Todesart: die Todesursache beantwortet die Frage nach der Todesart.

  11. #14 lioninoil
    3. Oktober 2022

    Ergänzend zu Totenschein,
    Die Ausstellung eines Totenscheines erweist sich in der Praxis als schwierig, wenn der Hausarzt nicht zu erreichen ist , und sonstige Ärzte auch nicht.
    Es ist gängige Praxis, dass eine Arzthelferin auflegt, wenn sie hört, dass ein Arzt für die Ausstellung eines Totenscheines gebraucht wird.
    In dem gemeinten Fall musste die Polizei 4 Stunden warten bis sie einen Arzt gefunden hatte und das in einer Großstadt.
    Ludger, es gibt sicher nicht genug Rechtsmediziner für deinen Vorschlag.

  12. #15 Soisses
    4. Oktober 2022

    Josephs Halbsatz “obwohl wir immer älter werden und viele Menschen viel gesünder alt werden als früher” kann ich nicht unkommentiert lassen. Der Anstieg der Lebenserwartung, an den wir (und die Medien) gewöhnt waren, war vor der Pandemie schon sehr gering geworden und bleibt mittlerweile in manchen Jahren völlig aus. Ich wage die Einschätzung, dass wir aktuell bereits Mühe haben, das Niveau der Lebenserwartung zu halten.

    • #16 Joseph Kuhn
      4. Oktober 2022

      @ Soisses:

      Ja, man darf gespannt sein, wie es nach Corona mit der Lebenserwartung weitergeht. Viele Wirtschaftsexperten sagen für Deutschland infolge des Ukrainekriegs und seiner Auswirkungen dauerhafte Wohlstandsverluste voraus. Wenn das so kommt, wird sich das vermutlich auch in der Lebenserwartung niederschlagen.

  13. #17 lioninoil
    4. Oktober 2022

    #16
    Die Lebenserwartung wird sich erhöhen wenn der Fleischkonsum zurückgeht.