Im Krieg gibt es Fronten. Das gilt auch für viele, die aus der zweiten Reihe mitkämpfen. Das „Manifest für Frieden“, initiiert von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, sorgt gerade für heftige Stürme im medialen Wasserglas.
Es ist – Stand jetzt – von fast 270.000 Menschen auf change.org unterzeichnet worden. Politisch bleibt das Manifest vermutlich trotzdem weitgehend folgenlos, weil die Forderung nach Verhandlungen im Moment keine Resonanz bei den relevanten politischen Akteuren findet. Putin will nicht verhandeln, er will zerstören, Selenskyi kann nicht verhandeln, weil die Ukraine von der Auslöschung bedroht ist, die USA sind nicht bereit, sich mit Russland auf Kosten der Ukraine und Osteuropas zu arrangieren und China schaut bisher eher interessiert am Ausgang des Ringens von der Seitenlinie aus zu.
Dafür wird das Manifest umso heftiger von denen kritisiert oder verteidigt, die moralisch auf der richtigen Seite stehen wollen, die dazu klare Abtrennungen von gut und böse brauchen, auch von denen, die innenpolitische Kämpfe ausfechten, und nicht zuletzt von denen, die persönlich durch den Krieg betroffen sind und vielleicht Angehörige verloren haben.
Etwas unappetitlich kann es werden, wenn politische Profis ihr Süppchen bei dem Thema kochen. Heute hat die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Kathrin Göring-Eckardt, das Manifest kritisiert:
“Ein Appell für Friedensverhandlungen mit einem sofortigen Ende aller militärischer Unterstützung für die Ukraine ist nicht nur naiv, sondern auch unehrlich”
Unehrlich ist aber zunächst einmal dieser Satz, denn ein “sofortiges Ende aller militärischer Unterstützung” steht gar nicht im Manifest. Manche der Unterzeichner:innen werden das vermutlich wollen, andere vermutlich nicht.
Leider lässt es Frau Göring-Eckardt damit nicht bewenden und lässt sich so wiedergeben:
“die Initiatorinnen befürworteten vielmehr damit, dass der russische Präsident Wladimir Putin und seine Leute weiterhin unschuldige Ukrainerinnen und Ukrainer überfallen, einsperren, vergewaltigen und verschleppen ließen.”
Das wollen wohl alle im Manifest gelisteten Erst-Unterzeichner:innen nicht. Man kann das Manifest als “naiv” bewerten, oder als “Manifest der Hilflosigkeit”, wie ich es getan habe. Aber den Unterzeichner:innen zu unterstellen, sie würden Vergewaltigungen und Verschleppungen befürworten, ist schlicht unredlich – und mit Blick auf das angebliche Befürworten von Vergewaltigungen gegenüber Alice Schwarzer von ausgesuchter Bösartigkeit. Auch die frühere Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann, muss man als früheres Ratsmitglied nicht mögen, man sollte ihr trotzdem nicht unterstellen, sie befürworte die Kriegsverbrechen der Russen in der Ukraine. Wie gesagt, das tut sicher niemand von denen, die als Erst-Unterzeichner:innen für das Manifest stehen.
Ein Vorbild für den Umgang mit Andersdenkenden, vielleicht auch naiv Andersdenkenden, vielleicht, was Politprofis wie Wagenknecht angeht, strategisch interessiert Andersdenkenden, war Göring-Eckardts Einlassung nicht. Im besten Fall mag man es als Ausdruck der gleichen Hilflosigkeit sehen wie das Manifest. Aber so sollte man nicht miteinander umgehen.
Kommentare (215)