Volksvertreter:innen sollen gut bezahlt werden. Die Belastungen von Abgeordneten, die ihr Amt ernst nehmen, sind hoch und ihre Arbeit soll auch finanziell anerkannt werden. Mehr noch, es ist im allgemeinen Interesse, wenn sie so gut bezahlt werden, dass sie nicht unnötig in Versuchung kommen, sich bestechen zu lassen. Dass das trotzdem immer wieder vorkommt, ist beschämend.

Beschämend ist auch, wenn sich Abgeordnete mit allzu üppigen Renten versorgen lassen. Der Tagesspiegel berichtete vorgestern über einen freiwilligen Rentenfonds für EU-Abgeordnete in den Jahren 1990 bis 2009, bei dem deren Einzahlungen mit erheblichen Steuermitteln aufgestockt wurden. Die Auszahlungen erfolgen unabhängig von anderen Rentenbezügen. Dieser Fonds ist jetzt in Schieflage und man diskutiert allen Ernstes, ob diese Schieflage wiederum aus Steuermitteln ausgeglichen werden soll. Besonders pikant: Aus dem Fonds lassen sich z.B. EU-Kritiker alimentieren wie der Brexit-Abenteurer Nigel Farage oder die rechtspopulistische Politikerin des Rassemblement National, Marine Le Pen, die Frankreich aus der EU führen und die Sozialhilfe für Ausländer:innen in Frankreich kürzen will. Bei der eigenen „Sozialhilfe“ hat sie offensichtlich keine Bedenken.

Gegen Ideen, die finanzielle Misere des Fonds mit Steuermitteln zu beheben, machen parteiübergreifend Politiker:innen mobil. Rechtlich ist ein Ende der Zahlungen aus dem Fonds wohl nur schwer oder gar nicht durchsetzbar. Daniel Freund, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament, schreibt nun in seinem Newsletter, dass er daher in der nächsten Plenarsitzung alle, die noch Geld aus dem Fonds beziehen und ausreichende Renten aus anderen Quellen haben, zum Verzicht auffordern will. Einige Politiker:innen haben das bereits von sich aus getan.

Nicht alle, die in dem Fonds waren, sind also gierige Heuchler und man muss bei solchen Sachen aufpassen, dass man nicht pauschale Vorurteile gegen „die da oben“ anfeuert. Aber auf die beständige Heuchelei von Populisten wie Farange oder Le Pen kann man gar nicht oft genug aufmerksam machen. Sie vertreten nicht das Volk, sondern nur sich selbst. „I am your voice“, hat der Meister der Heuchler, Donald Trump, vor ein paar Jahren behauptet, und „I want your vote“ gemeint. Auch er steckt in einem Sumpf von Korruption und dubiosen Geldgeschäften. Auch er will wieder „Volksvertreter“ sein.

Nur mehr moralische Integrität von Politiker:innen zu fordern, sozusagen „Eigenverantwortung von oben“, reicht allerdings nicht. Auch die politischen Strukturen müssen immer wieder darauf überprüft werden, welche Anreize sie setzen, vor allem, wenn es um Geld geht. Ein solcher Rentenfonds hätte beispielsweise nie eingerichtet werden dürfen. Andere Beispiele muss man nicht lange suchen.

Kommentare (6)

  1. #1 hto
    Finger in der Wunde
    6. Mai 2023

    @Kuhn: “… steckt in einem Sumpf von Korruption und dubiosen Geldgeschäften. Auch er will wieder „Volksvertreter“ sein.”

    Tja, wie wir alle, steckst besonders auch Du im Geschäfts-Sinn des Lebens fest – Und es bleibt die Frage was Du mit Deinem seltsamen Kommunikationsstil sein willst!? 😉

    • #2 Joseph Kuhn
      6. Mai 2023

      @ hto:

      “Du mit Deinem seltsamen Kommunikationsstil”

      Sie stehen auf dem Kopf und da sieht für sie alles anders rum aus. Auf den Scienceblogs gibt es drei Leute mit einem “seltsamen Kommunikationsstil”: Sie mit Ihren menschenverachtenden Sprechblasen, der Webbär mit seinem pseudointellektuellen Geschwurbel und Robert alias wengert alias … mit seinem unnachahmlich gedankenlosen Geschwätz. Alle drei mit einem hypertrophen Sendungsbewusstsein.

      Haben Sie inzwischen einmal über Ihren Vater nachgedacht? Oder über die Quelle Ihrer Einkünfte?

      Was Sie mit Freibeutern des EU-Rentenfonds wie Farage oder Le Pen eint, wenn auch auf unterschiedlichem Einkommensniveau, ist die moralische Unverfrorenheit, das Gemeinwohl als Freifahrtschein zur privaten Aneignung zu verstehen, Solidarität als Einbahnstraße in die eigene Geldbörse.

  2. #3 Gerald Fix
    7. Mai 2023

    Auch wenn das aus dem obigen Text ableitbar ist, nur noch mal zur Klarstellung: dieses System ist seit 2009 beendet und es werden seit dem keine neuen Anspruchsberechtigten mehr aufgenommen. (Dienst- und Versorgungsbezüge)

    Dies dürfte im Zusammenhang damit stehen, dass die Abgeordneten bis 2009 unterschiedlich bezahlt wurden; die Unaussprechliche verweist darauf, dass es damals zu Einkommensunterschieden von 800 – 11.000 € gekommen sei. Bei 800 € Monatsverdienst ist aber eine Zusatzrente durchaus nachvollziehbar.

    • #4 Joseph Kuhn
      7. Mai 2023

      @ Gerald Fix:

      “Bei 800 € Monatsverdienst ist aber eine Zusatzrente durchaus nachvollziehbar.”

      Ist das so? Nachvollziehbar ist, dass osteuropäische Abgeordnete, deren Diäten sich am Heimatland orientiert haben, bei den hohen Lebenshaltungskosten in Straßburg oder Brüssel Probleme hatten. Aber was hat das mit den Renten zu tun?

  3. #5 Gerald Fix
    8. Mai 2023

    Die Versorgungsbezüge betragen 3,5% der Dienstbezüge; ein osteuropäischer Abgeordneter hat sich also in einer Legislaturperiode einen Anspruch von 140 € erworben.

    Der Fonds ist, soweit ich das sehe, in der Finanzkrise aus dem Ruder gelaufen und war nicht von Anfang an falsch konzipiert. Darum muss man in der Kritik nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die jetzigen Probleme und die ungeliebten Nutznießer zu einer allgemeinen Systemkritik à la Querdenker ausnutzen. EOD.

    • #6 Joseph Kuhn
      8. Mai 2023

      @ Gerald Fix:

      Er war insofern falsch konzipiert, als er schnell zu hohen steuersubventionierten Rentenansprüchen geführt hat und andere Einkommens-/Rentenansprüche nicht angerechnet werden. Dass man daraus keine “allgemeine Systemkritik à la Querdenker” machen soll, steht im Blogbeitrag, siehe vierter Absatz.

      Aber über Fälle wie Farage oder Le Pen soll man eben auch nicht schweigen. Der Tagesspiegel zu Farage: Er bekommt aus dem Fonds monatlich 3.567 Euro zusätzlich zu allem anderen und “damit für den Rest seines Lebens eine Pension von 121 Prozent seines Salärs als Abgeordneter”.

      Die Situation osteuropäischer Abgeordneter war kein Rentenproblem, sondern ein Einkommensproblem und ob es eine gute Idee war, Abgeordneten mit nicht ausreichendem Einkommen einen Rentenfonds anzubieten, in den sie aus diesem Einkommen auch selbst etwas einzahlen müssen, darüber kann man streiten. Wie sich wohl die Nutzer des Fonds insgesamt zusammensetzen?