Gestern, am 8. Mai, hat sich das Kriegsende und damit das Ende der Nazidiktatur gejährt. Dachau ist für das Ende der Nazidiktatur ein Erinnerungsort der besonderen Art. Das Konzentrationslager Dachau war eines der ersten in Deutschland. Schon im März 1933 haben die Nazis Menschen dort eingesperrt. In Dachau hat der Lagerkommandant Theodor Eicke eine „Lagerordnung“ entwickelt, die er später als „Inspekteur der Konzentrationslager“ auf die anderen KZs übertrug. Dachau war das organisatorische „Vorbild“ für die KZs in Deutschland.

Im April 1945 hat die SS tausende Gefangene aus dem Dachauer KZ auf Todesmärsche geschickt, um ihre Befreiung durch die Alliierten zu verhindern. Am 29. April 1945 wurden die verbliebenen Häftlinge durch Einheiten der US-Armee befreit.

Ebenfalls Ende April 1945 haben Dachauer Bürger versucht, der Nazi-Verwaltung in der Stadt ein Ende zu setzen. Ein SS-Kommando in der Stadt, möglicherweise in Begleitung von Oswald Pohl, dem letzten „Inspekteur der Konzentrationslager“, hat den Aufstand zusammen mit SS-Leuten aus dem KZ am 28. April gewaltsam beendet, sechs aufständische Dachauer wurden erschossen.

Zu Ihrem Gedenken ist an der Sparkasse in der Altstadt eine Gedenktafel angebracht. Die Inschrift lautet: „Von der SS erschossen im Befreiungskampfe am 28. April 1945 wurden an dieser Stelle Friedrich Dürr, Anton Hackl, Erich Hubmann, Anton Hechtl, Hans Pflügler, Lorenz Scherer.”

Viele Deutsche haben das Kriegsende jedoch nicht als Befreiung erlebt, sondern als Niederlage. Wenige Meter weiter, vor der Kirche St. Jakob, gibt es ein anderes Erinnern: Dort kann man auf einem Kriegerdenkmal lesen: „Dachau zu schützen und dich / zogen die Helden ins Feld /Dank gebührt dafür / groß wie das Opfer einst war“.

Auf der linken Seite des Steins stehen die Jahreszahlen 1914-1918, auf der rechten Seite die Jahreszahlen 1939-1945. Mit den „Helden“ sind nicht die Aufständischen gemeint, sondern die Kriegstoten, Opfer und Täter zugleich. Sie sind nicht „ins Feld gezogen“, um Dachau zu schützen, nicht im ersten und nicht im zweiten Weltkrieg. Im zweiten Weltkrieg haben sie geholfen, Hitlers Mord- und Eroberungspläne in Europa umzusetzen. Dafür gebührt kein Dank, bestenfalls ein Gedenken daran, dass manche von ihnen sicher unfreiwillig zu Tätern wurden – und dass jetzt Putins Soldaten verurteilt sind, diese Geschichte zu wiederholen.

Kommentare (14)

  1. #1 Alisier
    9. Mai 2024

    Danke für diese klaren Worte.

  2. #2 DS
    Kiefersfelden
    9. Mai 2024

    Auch von mir:
    Dankeschön, für dieses Statement.

  3. #3 Uli Schoppe
    9. Mai 2024

    ” Im zweiten Weltkrieg haben sie geholfen, Hitlers Mord- und Eroberungspläne in Europa umzusetzen.”

    Ganz sicher sogar, aber die meisten ziehen ja nicht los mit dem Gedanken im Kopf “Heute unterstütze ich mal ´nen Mordplan!”. Das ist in meinen Augen verdammt bitter das Menschen sowas tun auch noch in dem Glauben “Das Richtige!” zu tun. Wegen übergeordneter Werte die das rechtfertigen sollen … Immer wieder kommt das auf, für Gott Volk Vaterland etc. Aber auch Freiheit oder Gerechtigkeit wird gerne genommen wenn man einen Grund sucht andere Menschen umzubringen oder zu unterdrücken.

  4. #4 Beobachter
    10. Mai 2024

    Im 2. Weltkrieg sind Soldaten für die deutsche Wehrmacht/Hitlers (und Co., er war es ja nicht alleine) Krieg und “Mord- und Eroberungspläne” auch zwangsrekrutiert worden.
    Auch noch gegen Kriegsende, auch Kinder/Jugendliche und alte Männer.
    Es sind nicht alle begeistert gewesen.

    Heutzutage wird z. B. in Russland von (der Regierung) Putin und in der Ukraine (von der Regierung) Selensky zwangsrekrutiert.
    Auch da sind nicht alle begeistert – es gibt viele Deserteure (die dann auch ungern im Westen als Flüchtlinge aufgenommen werden).

    Auch im Vietnamkrieg sind Amerikaner zum Kriegsdienst einberufen worden, viele wollten bei diesem Krieg nicht mitmachen, haben ihren Einberufungsbefehl verbrannt und sich verweigert.

    Bei uns in DE soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden, um wieder eine deutsche “Kriegstüchtigkeit” herzustellen/zu gewährleisten, und die Ausgaben/Etats für Militär/Aufrüstung steigen enorm.

    “Soldaten sind Mörder” – das darf und muss man auch heutzutage sagen.
    Sie sind Täter und Opfer zugleich – überall auf der Welt, und oft gegen ihren Willen.
    Und um Rechtfertigungen und gute Gründe für einen Krieg waren Regierungen noch nie verlegen – auch überall auf der Welt.
    Die Begriffe “Helden”, “Vaterlandsverräter” und “Widerstandskämpfer” liegen nahe beieinander und sind beliebig interpretierbar, je nach Sichtweise, Standpunkt und Zeitpunkt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Soldaten_sind_M%C3%B6rder

    • #5 Joseph Kuhn
      10. Mai 2024

      @ Beobachter:

      “Die Begriffe “Helden”, “Vaterlandsverräter” und “Widerstandskämpfer” liegen nahe beieinander und sind beliebig interpretierbar”

      Die Begriffe werden zwar de facto immer wieder instrumentalisiert, siehe die Etikettierung der Hamas als “Terroristen” oder als “Widerstandskämpfer”, oder der Regierung in der Ukraine als “Neonazis” oder “Demokraten”. Aber wenn damit alles gesagt wäre, wenn die Begriffe wirklich “beliebig interpretierbar” wären, wenn es kein wahr und kein falsch gäbe und die erschossenen Aufständischen in Dachau und die SS-Leute austauschbare Charaktermasken im Einheitsbrei “Helden, Vaterlandsverräter und “Widerstandskämpfer” wären, könnten wir uns jede Diskussion sparen. Das meinen Sie doch nicht wirklich?

  5. #6 rolak
    10. Mai 2024

    aber

    Die Unterstützenden müssen sich der geleisteten Unterstützung nicht bewußt sein, Uli, um zu unterstützen.

    ~~~

    Die Gedenkstätten (sicherlich nicht nur) dieses Staates sind durchsetzt mit Fragwürdigem aus diversen Epochen, was eher selten öffentlich thematisiert wird. Da kann sicher Einiges entsorgt werden, bei manch Anderem würde ich auf ‘besser belassen’ plädieren – aber ausschließlich, wenn mit deutlicher Erläuterung versehen.

  6. #7 Beobachter
    10. Mai 2024

    @ Joseph Kuhn, # 5:

    ” … könnten wir uns jede Diskussion sparen. Das meinen Sie doch nicht wirklich?”

    Genau das meine ich nicht.
    Man muss diskutieren, differenzieren, Hintergrundwissen haben, Kontexte sehen.
    Auch beim eigenen Urteil darüber, ob etwas wahr oder falsch ist (” wenn es kein wahr und kein falsch gäbe”).
    Es ist nichts nur schwarz oder nur weiß – das macht es so schwierig, und es gibt keine einfachen Antworten.

  7. #8 Alisier
    10. Mai 2024

    “Es sind nicht alle beistert gewesen”
    Doch, Beobachter, und genau solche Bemerkungen stoßen hoffentlich nicht nur mir auf. Dass in Deutschland fast alle Widerstandskämpfer waren ist eine längst widerlegte Mär.
    Geschichtsrevisionismus und die Nichtunterscheidung von Menschen die sich gegen Aggressoren wehren und den Aggressoren selbst bleibt schwer daneben.
    Ihren Beitrag empfinde ich als bestenfalls fahrlässig.

  8. #9 naja
    10. Mai 2024

    @Beobachter
    “Man muss diskutieren, differenzieren, Hintergrundwissen haben, Kontexte sehen.“

    Die Notstandsgesetzgebung so gut wie jeder Nation sieht im Angriffsfall Wehrpflicht (gegen den Willen des Individuums) vor. Es ist eine Pflicht, keine Wahl. Arbeitseinsätze in Fabriken, die Rüstungsgüter produzieren, kann man dazu zählen.

    Auch die Alliierten haben Soldaten dazu gezwungen Nazi Deutschland zu bekämpfen. Wer das nicht wollte, musste in den Knast oder schlimmeres.

    Nur so konnte Hitlerdeutschland besiegt werden.

  9. #10 Beobachter
    10. Mai 2024

    @ Alisier, # 8:

    ” “Es sind nicht alle beistert gewesen”
    Doch, Beobachter, … ”

    (mit “ beistert” soll vermutlich “begeistert” gemeint sein)

    Nein, Alisier.

    Glaubst du tatsächlich, dass jeder deutsche Soldat im 2. Weltkrieg begeisterter Nazi und Mörder gewesen ist?
    Oder gar, dass jeder Deutsche begeisterter Nazi und Mörder war?

    Man/n wurde damals eingezogen und hat seine Wehr-“Pflicht” getan oder tun müssen, nach zu dieser Zeit geltendem “Recht”.
    Von dem der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident (!) Hans Filbinger (damals NS-Marinerichter, verantwortlich für Todesurteile bei Fahnenflüchtigen) noch 1978 (!) behauptete:
    „Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!“
    – und sich keiner Schuld bewusst war, damals nicht und 1978 nicht.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Filbinger-Aff%C3%A4re

    Ich habe in den 1970-er Jahren als Oberstufenschülerin das KZ Dachau besucht, und dieser Besuch mit den grauenhaften Eindrücken dort hat mich bis heute geprägt.
    Es stellt sich mir bis heute die Frage: Wie konnte es dazu kommen?!
    Und wie können bis heute so viele Leute behaupten, “sie hätten von nichts gewusst” oder den Holocaust leugnen – und den nun wieder erstarkenden Rechtsextremismus/Nationalismus in DE als bloßen “Populismus” verharmlosen?!
    Wie vermeintlich blind und wie ignorant/gleichgültig müssen die vielen Mitläufer damals gewesen sein?!
    Und wie steht es damit heutzutage?

    Es gab Einige, die noch selbstständig denken konnten und einige Wenige, die ihr Leben riskiert und/oder verloren haben, um Verfolgte zu retten.

    Zum Weiterlesen:

    “Nicht alle waren Mörder – Eine Kindheit in Berlin” –
    von Michael Degen; TB List-Verlag

  10. #11 Beobachter
    10. Mai 2024

    Nachtrag zu # 10:

    Übrigens hat sich selbst der verfolgte Jude Michael Degen als junger Mann bei der israelischen Armee geweigert, eine Waffe in die Hand zu nehmen (nachzulesen in seinem Buch).

    Auch heutzutage gibt es eine Menge Israelis, die mit der Politik und der Kriegsführung der derzeitigen Regierung Netanjahu nicht einverstanden sind.

  11. #12 Beobachter
    11. Mai 2024

    Noch ein Nachtrag zu # 10:

    zu:
    ” … und den nun wieder erstarkenden Rechtsextremismus/Nationalismus in DE als bloßen “Populismus” verharmlosen?! …”

    Lesenswerter Artikel in der TAZ:

    https://taz.de/Angriffe-auf-Politikerinnen/!6006968/

    “Angriffe auf Po­li­ti­ke­r:in­nen
    Bedrohungsallianz von rechts
    Die Angriffe auf Po­li­ti­ke­r:in­nen passieren nicht im luftleeren Raum. Sie geschehen in einem Klima, in dem Terror von rechts lang ignoriert wurde.
    … ”

    Bedrohungsallianzen von rechts, vor denen Wilhelm Heitmeyer schon vor Jahren gewarnt hat.

    Jetzt sind “wir” in DE schon so weit, dass kaum noch ein vernünftiger Mensch in die Kommunalpolitik/Lokalpolitik gehen will, weil man Angst haben muss, tätlich (und verbal sowieso) angegriffen und verletzt zu werden !
    Den Worten folgen Taten.
    Es herrscht ein gesellschaftliches Klima von Rohheit, Hass und Gewalttätigkeit – oder eben von Gleichgültigkeit, Ignoranz und des Wegsehens !

  12. #13 Alisier
    13. Mai 2024

    XXX

    [Kommentar gelöscht. Selbstbeherrschung kann man lernen, ich helfe gerne dabei. JK]

  13. #14 Beobachter
    13. Mai 2024

    Anmerkung zu # 12:

    ” … Es herrscht ein gesellschaftliches Klima von Rohheit, Hass und Gewalttätigkeit – oder eben von Gleichgültigkeit, Ignoranz und des Wegsehens !”

    Bsp.:
    Die Gewalt gegen Wohnungslose/Obdachlose – die Schutzlosesten, Schwächsten – nimmt drastisch zu (man beachte die Zahlen im Artikel !).
    Die Täter kommen nicht nur aus der “rechten Ecke”.

    https://taz.de/Gewalt-gegen-Wohnungslose/!6009711/
    (sehr lesenswert, auch z. T. die Kommentare)

    “Gewalt gegen Wohnungslose
    Opfer des neoliberalen Kältestroms
    Die Zahl der Angriffe auf Wohnungslose steigt. Vor allem Gewalt gegen Frauen wächst an. Die Frage nach dem Motiv bleibt oft unbeantwortet.
    … ”

    Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ist desaströs, und daran wird sich in nächster Zeit auch nichts ändern.

    Wohnungslosigkeit/Obdachlosigkeit betrifft auch völlig unverschuldet “ganz normale” Leute/Mieter mit geringem Einkommen:
    z. B. bei Eigenbedarf-Kündigung: man findet keine neue, günstige Wohnung, kann nicht bei Angehörigen oder Freunden unterkommen – “und raus bist du” !
    Und es kommt zur Zwangsräumung …

    Solche existenzbedrohenden gesellschaftlichen Fehlentwicklungen/Missstände wie Wohnungsnot, Abstiegsängste und Armut bilden den Nährboden für Rechtsextremismus, Gewaltbereitschaft, Nationalismus und Bauernfängerei aller Art.