Der Leitantrag des Parteivorstands der Linken zum Wahlprogramm der Partei „Die Linke“, oder was davon noch übrig ist, ist veröffentlicht. Der Gesundheitsabschnitt umfasst ca. 3 Seiten, von insgesamt 55. Die gesundheitspolitischen Vorstellungen der Partei kann man kurz so zusammenfassen: Mehr Geld im Gesundheitswesen löst alle Probleme, daher soll Geld keine Rolle spielen – und offensichtlich macht man sich im Wahlprogramm daher auch nicht viel Gedanken um das Geld, wenn es um die Gegenfinanzierung der Wünsche geht.

Zur Gesundheit gibt es fünf Abschnitte, beginnend mit einem Grundsatzkapitel „Gesundheit und Pflege: Solidarität statt Wettbewerb“ und vier thematischen Schwerpunkten, der ambulanten Versorgung, der Arzneimittelversorgung, der Pflege und der Drogenpolitik.

Gesundheit und Pflege: Solidarität statt Wettbewerb

Der Einstieg ist finster:

„Beim Zustand des Gesundheitssystems in Deutschland bleibt nur die Hoffnung: Bloß nicht krank werden. Die Arbeitsbedingungen sind eine Katastrophe, als Kassenpatient*in wartet man ewig auf einen Termin – und im Wartezimmer nochmal. Doch eine gute gesundheitliche Versorgung für alle ist keine Utopie, sondern eine Verteilungsfrage. Wir können eine gute Gesundheitsversorgung für alle erreichen, wenn wir mit der Profitorientierung brechen und die Gesundheitsversorgung nach sozialen und medizinischen Kriterien ausrichten.“

Das Gesundheitswesen in Deutschland ist in keinem guten Zustand, aber ob das eine korrekte Zustandsbeschreibung ist? Man kann die Wartezeitenproblematik als Symptom sehen, aber eigentlich liegen die wirklich relevanten Probleme woanders. Davon abgesehen gehört zur Wartezeitproblematik auch der Befund, dass die Zahl der Arztbesuche in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch ist, das „ewig warten“ also auch ein Gegenbild hat. Eine gute Versorgung wird zudem nicht schon dadurch ermöglicht, dass man mit der „Profitorientierung“ bricht. Jedes Gesundheitssystem braucht Ressourcen, umso mehr, je personalintensiver es ist und je älter die Menschen sind. Deutschland gibt allerdings im internationalen Vergleich schon sehr viel Geld für sein Gesundheitswesen aus: Geht es also um noch mehr Geld oder um einen effizienteren Mitteleinsatz?

Die Linke plädiert für eine Bürgerversicherung:

„Wir streiten für eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung. Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, alle werden gut versorgt.“

Gut so. Sie fordert zudem eine Pflegevollversicherung:

„Unsere solidarische Pflegevollversicherung soll alle pflegerischen Leistungen abdecken. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien müssen keinen Eigenanteil zahlen.“

Das wäre natürlich auch schön, aber dazu hätte man gerne doch eine durchgerechnete Gegenfinanzierung. Reichen Bürgerversicherung und die Heranziehung aller Einkommensarten? Oder würden die Beiträge trotzdem steigen?

Weiter:

„Mit der Pflegevollversicherung werden die Kommunen entlastet, weil sie nicht mehr für die Eigenanteile der Pflegebedürftigen aufkommen müssen.“

Das wäre zwar so, aber, wie gesagt, irgendwo muss das Geld herkommen. Wenn die Sozialhilfe als steuerfinanzierte Komponente nicht mehr dabei ist, weil alles über die Beiträge läuft, was folgt daraus für die Versicherten? Wurde das durchgerechnet?

Die Linke spricht auch den Personalmangel ohne Umsetzungsvorschlag an:

„Es braucht mindestens 100 000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern!“

Wo kommen sie her, die 100.000 Pflegekräfte? Und auch hier stellt sich die Frage, ob die Probleme allein durch mehr Pflegekräfte anzugehen sind. Im internationalen Vergleich haben Krankenpflegekräfte in Deutschland pro Kopf zwar mehr Fälle zu versorgen, aber bevölkerungsbezogen sieht es anders aus. Gibt es also zu viele Krankenhausbehandlungen? Und müssten in anderen Krankenhausstrukturen auch die Pflegekräfte anders eingesetzt werden?

Anschließend wird eine sektorenübergreifende Grundversorgung gefordert:

„Es braucht eine wohnortnahe, kostenlose Gesundheitsversorgung. Dafür muss der Bund sektorenübergreifende Behandlung und regionale Grundversorgung verlässlich und ausreichend zu finanzieren.“

Ja, gerne, aber wie soll diese „sektorenübergreifende Grundversorgung“ konkret aussehen, wie spielen hier der ambulante und der stationäre Sektor zusammen, wie die verschiedenen Versicherungszweige?

Und der letzte Satz dieses Abschnitts lautet:

„Bund und Länder müssen nachhaltig in die Krankenhäuser investieren! Die Vermögensteuer kann ihnen dabei helfen.“

Warum Bund und Länder? Soll die Finanzierung der Investitionskosten künftig geteilt werden? Und was bedeutet, dass die Vermögenssteuer “helfen kann”? Ist das mehr als Populismus? Die Hundesteuer kann auch helfen.

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Kommentare (7)

  1. #1 Ludger
    17. Dezember 2024

    J.K.: Die gesundheitspolitischen Vorstellungen der Partei kann man kurz so zusammenfassen: Mehr Geld im Gesundheitswesen löst alle Probleme, daher soll Geld keine Rolle spielen – und offensichtlich macht man sich im Wahlprogramm daher auch nicht viel Gedanken um das Geld, wenn es um die Gegenfinanzierung der Wünsche geht.

    Das Geld soll von Frau Susanne Klatten kommen, sagt Herr van Aken: https://www.youtube.com/watch?v=_iMmwTAKlDA
    Das geht allerdings nur mit einer Mauer, die man dann Devisenbewirtschaftung nennt. Solche Ideen hatte Kevin Kühnert auch schon mal. Allerdings haben damals die geknechteten BMW-Arbeiter dagegen protestiert.

    • #2 Joseph Kuhn
      17. Dezember 2024

      @ Ludger:

      “Solche Ideen hatte Kevin Kühnert auch schon mal.”

      Hatte er? Ich glaube, man ist nicht gut beraten, alles, was irgendwie nach “links” im Sinne von “nicht FDP” riecht, zu einem Brei zu verrühren.

  2. #3 Ludger
    17. Dezember 2024

    J.K.: […] was irgendwie nach “links” im Sinne von “nicht FDP” […]

    Vielleicht sollten Sie sich mal um Ihren Geruchssinn kümmern.

    Kevin Kühnert 2019 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-05/kevin-kuehnert-spd-jugendorganisation-sozialismus/seite-2 :
    ZEIT: Sie wollen also keine Verstaatlichung, sondern eine Kollektivierung von Unternehmen wie BMW?

    Kühnert: Auf demokratischem Wege, ja. Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW “staatlicher Automobilbetrieb” steht oder “genossenschaftlicher Automobilbetrieb”, oder ob das Kollektiv entscheidet, BMW braucht es in dieser Form nicht mehr. Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden. Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer an diesem Betrieb gibt. Ohne eine Form der Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus überhaupt nicht denkbar.

    Der Link ist hinter einer Paywall, ggf. über https://och.to/unlock lesbar?
    PS.: Herr Kühnert vertritt diese Meinung zur Zeit nicht mehr.

    • #4 Joseph Kuhn
      17. Dezember 2024

      @ Ludger:

      “Vielleicht sollten Sie sich mal um Ihren Geruchssinn kümmern.”

      O.k., mach ich. 😉

  3. #5 hto
    17. Dezember 2024

    “Ohne eine Form der Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus überhaupt nicht denkbar.”

    @Ludger
    Das klingt doch vernünftig, angesichts der frechen Pläne auch in der gesamten Autoindustrie, aber bitte ohne irgendeine Entschädigung, denn diese Vernunft, in Richtung einer wirklich-wahrhaftigen Leistungsgerechtigkeit von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft, wird auch die schlimmsten Profitler zu echte Menschen machen.

  4. #6 Ludger
    17. Dezember 2024

    @hto
    Man darf in der Demokratie auch Schwachsinn sagen oder schreiben. Die Umsetzung liegt dann in Deutschland zum Glück nicht bei bewaffneten Massen sondern dafür gibt es demokratische Prozeduren. Und wenn es ganz schräg kommt, bezahlt letztlich das Volk die Folgen einer falschen Wahl.

  5. #7 hto
    wo der Buhmann ...
    17. Dezember 2024

    @Ludger: “Man darf in der Demokratie auch Schwachsinn sagen oder schreiben. […] Und wenn es ganz schräg kommt, bezahlt letztlich das Volk die Folgen einer falschen Wahl.”

    Also ich glaube Kühnert würde nie “zu den Waffen Genossen”, oder “wollt ihr die totale …” rufen. 😉