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Die Homöopathie genießt nicht nur in Bayern beste politische Protektion. Viele Menschen halten die Homöopathie für nebenwirkungsfreie Naturheilkunde und nutzen sie unnötigerweise bei kleinen Wehwehchen und mitunter riskanterweise auch bei ernsten Erkrankungen wie Krebs. Wenn viele Menschen etwas mögen, mag es auch die Politik. Viele Menschen sind viele Wählerstimmen.

In der Wissenschaft geht es nicht darum, ob man etwas mag. Die Münze der Wissenschaft ist die Wahrheit, nicht die Mehrheit. Wahrheit ist dabei in den empirischen Wissenschaften die vorläufige Bewährung. Damit sieht es bei der Homöopathie nicht gut aus, auch wenn ihre Vertreter das Gegenteil behaupten. Die Homöopathie hat, wie auch Engeltherapie oder Geistheilung, nur homöopathische Evidenz aufzuweisen, was ihre arzneiliche Wirksamkeit über Placebo hinaus angeht. Aber das soll hier nicht alles zum verdutzelten Mal wiederholt werden. Man kann sich informieren.

Es gibt schließlich nicht nur das Immergleiche, sondern auch Neues zu berichten: Der bayerische Landtag will 30.000 Euro für die „Konzeption einer Wanderausstellung zum Thema Homöopathie“ ausgeben. Die Ausstellung samt Film soll „Geschichte und Grundlagen der Homöopathie in Bayern“ behandeln. Die Ausstellung selbst kostet dann den Steuerzahler vermutlich nochmal extra.

Weiter heißt es im Antrag von CSU und Freien Wählern: Die Homöopathie sei Teil der „Traditionellen Europäischen Medizin“ und, man höre und staune: „Die Homöopathie-Stiftung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte möchte zudem beantragen, die Homöopathie in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.“

Das ist kein Faschingsscherz, das ist wahr, so steht es geschrieben, Bayerischer Landtag, Drucksache 19/4951 vom 13.2.2025. Nicht wahr ist, dass auch Hubert Aiwangers weltpolitische Analysen aufgrund ihrer homöopathischen Substanz in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden sollen.

Kommentare (18)

  1. #1 Ludger
    17. Februar 2025

    immaterielles Kulturerbe können aber nur die Hochpotenzen werden, weil die nun durch die “Potenzierung” wirklich keinen Wirkstoff mehr enthalten.

    • #2 Joseph Kuhn
      17. Februar 2025

      😉

  2. #3 Udo Endruscheit
    Essen
    17. Februar 2025

    Das INH kommentiert auf Facebool wie folgt:

    Man muss der bayerischen Landespolitik Respekt zollen: Wo andere sich der schnöden Realität von Wissenschaft und Evidenz beugen, geht man in München unbeirrt seinen eigenen Weg. Nach dem gloriosen Platzen der „Bayerischen Antibiotikastudie“, die beweisen sollte, dass Homöopathie Antibiotika ersetzen kann, kommt nun der nächste Geniestreich: Eine Wanderausstellung zur Homöopathie, natürlich finanziert vom Steuerzahler.

    Denn was ist schon ein bisschen Forschung gegen das stolze Erbe der Traditionellen Europäischen Medizin? Man darf gespannt sein, ob die Ausstellung auch bahnbrechende Erkenntnisse über die heilende Kraft von Zuckerkügelchen bei der Spanischen Grippe oder über die Rolle der Potenzierung in der Rettung von König Ludwigs Geisteszustand enthält.

    Der eigentliche Coup aber ist der Plan, Homöopathie als immaterielles Kulturerbe anerkennen zu lassen! Endlich! Damit rückt Bayern die Homöopathie in eine Liga mit Flamenco, Reggae, französischer Esskultur und mongolischem Kehlkopfgesang. Es wäre nur folgerichtig, wenn bald auch der „Trunk aus dem Schädel eines Hingerichteten“ aus alten Arzneibüchern wieder in den Apotheken Einzug hält – schließlich gehört auch das zur Historie der „Traditionellen Europäischen Medizin“.

    In einer Zeit, in der sich Bayern eigentlich fragen müsste, wie es sich mit der Förderung echter medizinischer Innovation aufstellen will, wird also lieber in die Vergangenheit investiert. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass eine „Globuli-Kur“ gegen die unaufhaltsamen Fortschritte der evidenzbasierten Medizin hilft.

    Vielleicht gibt es am Ende ja doch noch eine wissenschaftliche Erkenntnis aus diesem absurden Theater: Dass politische Ignoranz gegenüber Wissenschaft nicht verdünnt, sondern in Bayern offenbar als Urtinktur verwendet wird.

  3. #4 PDP10
    17. Februar 2025

    Ich wollte dazu jetzt eigentlich irgendwas Flapsiges, Lustiges oder auch Zynisches oder Sarkastisches hier rein schreiben.

    Aber die Nummer ist so cringe (wie die jungen Leute heutzutage sagen), dass mir gerade echt nix einfällt …

    • #5 Joseph Kuhn
      17. Februar 2025

      @ PDP10:

      Mir gefällt die Geschichte mit der “Traditionellen Europäischen Medizin”. Abgekürzt analog TCM, also “TEM”, klingt es auch schon nicht mehr so albern. Dazu sollte man an einer der Münchner Exzellenzuniversitäten unbedingt ein Forschungsvorhaben zur Potentialanalyse aufsetzen, vielleicht an der TU München, die hat ja mit dem Thema jetzt Erfahrung. Titel: “Zukunftsinnovation TEM” oder “TEM-MedTec” so was in der Art.

  4. #6 PDP10
    18. Februar 2025

    @Joseph Kuhn:

    “TEM-MedTec”

    Das ist ja noch cringer (und ich bin nicht sicher, ob es für “cringe” überhaupt eine Steigerungsform gibt …).

    Wenn das Kreise zieht, kann sich die TU-München jedenfalls ihren Status als Exzellenz-Uni abschminken. Aber na gut. Dann kann sie wenigstens den Staffelstab von der Uni Frankfurt (Oder) übernehmen und sich fürderhin als Hogwarts an der Isar bezeichnen lassen. Ist ja auch was 🙂

  5. #7 RPGNo1
    18. Februar 2025

    Was bei der ganzen Aufregung übersehen wird: Die Homöopathie-Stiftung betracht Homöopathie als Kultur. Nix mit Medizin.

    Damit könnte ich mich sogar anfreunden. Homöopathie ist Kultur. Eine ganz schlechte Kultur. Aber auch Trash hat eine Existenzberechtigung und seine Fans.

    😉

  6. #8 M. Hahn
    18. Februar 2025

    „Grundlagen der Homöopathie in Bayern“
    … worin unterscheiden sich die von den Grundlagen der Homöpathie im Saarland?

  7. #9 RGS
    18. Februar 2025

    Man müsste mal ausrechnen wieviele Menschen durch Homöopathie frühzeitig sterben. Und wieviel Geld sie dadurch der Rentenversicherung, den Sozialämtern der Kommunen sparen.
    Da sind vermutlich die 30.000€ schnell wieder drin.
    Also Hut ab vor soviel eleganter Kürzung im Sozialbereich im Bayrischen Landtag.

  8. #10 Ernst Kreuder
    Berlin
    19. Februar 2025

    @M. Hahn
    zu den Grundlagen der Hmöopathie im Saarland gehört Maggi. Aber ohne Potenz

  9. #11 Frank Wappler
    19. Februar 2025

    Joseph Kuhn schrieb (17. Februar 2025):
    > […] Die Münze der Wissenschaft ist die Wahrheit […] Wahrheit ist dabei in den empirischen Wissenschaften die vorläufige Bewährung.

    Vorläufige Bewährung — bzgl. Was denn ?
    (Womöglich bzgl. Etwas, das selbst nur “unter vorläufiger Bewährung” stünde ??)

    Jedenfalls kennt man (auch) in empirischen (messenden) Wissenschaften den Begriff des wahren Wertes;
    jeweils einer bestimmten Messgröße, jeweils hinsichtlich eines “gültigen Versuches” (aus dessen Daten — als Eigenzustand dieser Messgröße bzw. des entsprechenden definitiven Messoperators — sich genau ein Wert dieser Messgröße — als Eigenwert — ermitteln lässt).

    • #12 Joseph Kuhn
      19. Februar 2025

      @ Frank Wappler:

      “Vorläufige Bewährung — bzgl. Was denn ?”

      Bezüglich späterer Falsifikation. Der Abschnitt “Bewährung” in Karl Poppers “Logik der Forschung” (Tübingen 1976, S. 198) fängt mit den klaren Satz “Theorien sind nicht verfizierbar; aber sie können sich bewähren” an. Mit Theorien sind hier empirisch gehaltvolle, also falsifizierbare Gesetzesaussagen gemeint. Das allerorten bekannte Beispiel ist “Alle Schwäne sind weiß”, hat sich lange bewährt, bis man schwarze Schwäne entdeckt hat.

      Der Begriff des “wahren Werts” hat damit durchaus zu tun, weil dabei das Verhältnis zwischen theoretisch erwarteten und empirisch gemessenen Werten eines Parameters angesprochen wird. Wenn eine Theorie für einen bestimmten Parameter einen bestimmten “wahren Wert” vorhersagt, verlässliche Messungen aber immer wieder zu einem anderen Ergebnis kommen, wird man überlegen müssen, ob die Theorie falsifiziert ist, damit auch der von ihr vorhergesagte “wahre Wert”.

      Mit dem Blogbeitrag hat das aber nichts zu tun. Falls Sie etwas zum Thema beitragen wollen, tun Sie das, falls Sie nur irgendetwas deponieren wollen, lassen Sie es bitte. Danke.

  10. #13 Frank Wappler
    20. Februar 2025

    Joseph Kuhn schrieb (#12, 19. Februar 2025):
    > […] Mit dem Blogbeitrag hat das aber nichts zu tun. […]

    Mein vorausgehender Kommentar (#11, 19. Februar 2025) fängt ja deutlich genug mit einem Zitat aus dem obigen ScienceBlog-Beitrag an, worauf sich alles Weitere beruft. Mir geht es dabei übrigens ganz vorrangig um die zitierte “Wahrheit” hinsichtlich jedes einzelnen Versuches also was man jeweils “Ergebnis [einer] verlässlichen Messung” nennen kann; und (so gut wie gar) nicht um “die Wahrheit [irgend]einer empirischen Allaussage” — sonst hätte ich ja vielleicht schon eher diesen betreffenden Scienceblogs-Beitrag kommentiert.

    > […] bis man schwarze Schwäne entdeckt hat.

    Wie wahr oder wie bewährt (und in Bezug worauf) ist denn die Aussage “dass schwarze Schwäne entdeckt wurden” an sich ?

    > Der Begriff des “wahren Werts” hat damit durchaus zu tun, weil […]

    Der in meinem obigen Kommentar mit dem entsprechenden Wikipedia-Artikel verlinkte Begriff des wahren Wertes jeweils einer bestimmten Messgröße, jeweils hinsichtlich eines “gültigen Versuches”, befasst sich gar nicht damit, ob die wahren Werte (der selben Messgröße, mit mehreren Werten in ihrem Wertebereich) in verschiedenen Versuchen gleich oder ungleich gewesen wären, oder womöglich sogar in allen Versuchen gleich; und erst recht nicht damit, dass verschiedene Modelle dazu verschiedene Vorhersagen beinhalten mögen. (Mit Modellen sind hier empirisch gehaltvolle, also falsifizierbare All-Aussagen gemeint.)

    p.s.
    > Falls Sie etwas zum Thema beitragen wollen, tun Sie das, falls Sie nur irgendetwas deponieren wollen, lassen Sie es bitte. Danke.

    Um zu diese Bitte Rechenschaft zu geben: Noch mehr, als (irgend-)etwas auffindbar zu deponieren — und wer wollte das nicht? — wollte ich mir anhand des Zitats zur damit angesprochenen Thematik Ansporn suchen und finden. Und tatsächlich hab ich daraufhin gestern noch (u.a.) eine pdf-Datei von “Logic of Sci. Disc.” im Web gefunden! Äußerst interessant!, z.B.: "truth" kommt darin massenhaft vor;
    "true value" dagegen gar nicht.

    • #14 Joseph Kuhn
      20. Februar 2025

      @ Frank Wappler:

      “Mir geht es dabei übrigens ganz vorrangig um die zitierte “Wahrheit” hinsichtlich jedes einzelnen Versuches”

      Diese Frage wird seit vielen vielen Jahren unter vielen verschiedenen Aspekten diskutiert. Popper, weil ich den angeführt hatte, geht darauf ausführlich in seinem Kapitel “Basisprobleme” ein (zitierte Buchausgabe S. 60 ff), vor allem im Abschnitt über die “Protokollsätze”. Das Kapitel endet mit der bescheidenen Feststellung S. 75f):

      “So ist die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts ‘Absolutes’; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. Es ist eher ein Sumpfland, über dem sich die kühne Konstruktion ihrer Theorien erhebt; sie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeiler sich von oben her in den Sumpf senken – aber nicht bis zu einem natürlichen, ‘gegebenen’ Grund. Denn nicht deshalb hört man auf, die Pfeiler tiefer hineinzutreiben, weil man auf eine feste Schicht gestoßen ist: wenn man hofft, daß sie das Gebäude tragen werden, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen.”

      Die Pfeiler sind die Protokollsätze, die einzelnen Beobachtungen in einem Experiment, ihre Tragfähigkeit ist die Bewährung, im Sinne einer praktisch angenommenen “Wahrheit”.

      So viel noch dazu, weil ich gute Laune habe. Weitere Ihrer Kommentare, die mit dem Thema nichts zu tun haben, schalte ich aber nicht mehr frei. Kaufen Sie sich eine Einführung in die Wissenschaftstheorie. Poppers “Logik der Forschung” ist im Original sehr anspruchsvoll, und auch vielfach überholt, ich empfehle gerne Hans Posers “Wissenschaftstheorie”.

  11. #15 Hans-Werner Bertelsen
    Bremen
    20. Februar 2025

    Lauterbach belässt diese gefährliche Scheintherapie noch immer im Leistungskatalog der GKV. Es ist eben ein sehr großer wirtschaftlicher Faktor – zudem noch einer mit Exportchancen.

    Vielleicht steckt Korruption dahinter?

    Wir in Bremen haben diesem Treiben übrigens einen sehr wirksamen Riegel vorgeschoben – er wirkt hervorragend.

    http://muensteraner-kreis.de/?p=237

    • #16 Joseph Kuhn
      20. Februar 2025

      @ Hans-Werner Bertelsen:

      “Es ist eben ein sehr großer wirtschaftlicher Faktor”

      Vom Ausgabenvolumen in der GKV nicht, aber vom Marketingwert her schon.

      “Vielleicht steckt Korruption dahinter?”

      Machtkalkül. Es ist ja bekannt, warum es seinerzeit wieder aus dem GVSG gestrichen wurde. Die Grünen in BW wollten es nicht, Lauterbach nahm Rücksicht, und hatte sicher auch in der SPD nicht viel Rückhalt. Die Homöopathielobby verweist nicht umsonst immer wieder darauf, wie viele Menschen, sprich Wähler, Homöopathie nutzen.

      “Wir in Bremen haben diesem Treiben übrigens einen sehr wirksamen Riegel vorgeschoben”

      Der Kostenübernahme in der GKV? Das wäre mir neu. Das ist Bundesrecht.

  12. #17 Bullet
    21. Februar 2025

    Hoppla. Ich bin leider erst heute dank fefe drauf gestoßen worden.
    Homöopathie als “Traditionelle Europäische Medizin” find ich aber dreist. Nach gerade einmal 210 Jahren. Vergleichswert: Röntgenbilder gibt es immerhin seit 130 Jahren.
    Ich bin wieder einmal versucht, “Bayern halt” zu seufzen.

  13. #18 Kurt
    23. Februar 2025

    Warum auch sollte es keine Myriaden europäischer Spinner geben? Ganz Afrika & Asien sinid voll dieser Spinner, seit Anbeginn der Zeit.