Erinnern Sie sich noch an Frau Stark-Watzinger? Die hat mal im Bundesministerium für Bildung und Forschung gearbeitet. Was sie genau gemacht hat, ist hier nicht so wichtig. Von einer Sache abgesehen: Im letzten Frühjahr wollte sie schauen, ob man politisch missliebigen Wissenschaftler:innen die Fördermittel streichen lassen kann. Sie hatte, anders als Aiwanger, keinen Bruder, ihre Staatssekretärin war’s schließlich.
Jetzt gehen CDU und CSU einen ähnlichen Weg. Kulturkampf ist gerade in Mode. Schon in ihrer „Bayern-Agenda“ zur Bundestagswahl 2025 hatte die CSU einen Passus, der ein etwas einseitiges Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement erkennen ließ:
„Alle Förderungen von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) durch die Bundesregierung auf den Prüfstand stellen. Keine Finanzierung linker Vorfeldorganisationen durch Steuermittel.“
Nach der fatalen Hauruck-Aktion von Friedrich Merz im Bundestag zur Migrationspolitik, die die AfD ins parlamentarische Spiel holte, kam es in vielen Städten zu großen Demonstrationen für die liberale Demokratie und gegen Rechts. Für Merz waren das nur, in Abgrenzung zur „Mehrheit der Bevölkerung, die gerade denken kann und die auch noch alle Tassen im Schrank haben” in übler Abwertung „irgendwelche grünen und linken Spinner“. Das hätte ihm so auch die AfD aufschreiben können.
Im Bundestag macht die Union jetzt ernst und lässt nach dem Vorbild Stark-Watzinger prüfen, was im Kulturkampf auf der finanziellen Ebene geht. Im Fokus stehen nicht Wissenschaftler:innen, sondern, der Bayern-Agenda der CSU folgend, die NGOs sowie bestimmte journalistische Recherchenetzwerke. In einer Kleinen Anfrage im Bundestag, Drucksache 20/15035, lässt sie verschiedene NGOs durchleuchten, beispielsweise Correctiv, die Omas gegen Rechts, die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace oder den BUND. Dabei geht es explizit um die Beteiligung dieser Organisationen bei den Demonstrationen gegen Rechts und die Medienberichterstattung dazu:
„Nach Auffassung der Fragesteller stellen die Proteste gegen die CDU Deutschlands eine gezielte parteipolitische Einflussnahme unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl dar, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt ist.“
Die CDU wurde bei den Demonstrationen, die Merzens Abstimmungsaktion im Bundestag zum Anlass hatten, natürlich nicht gelobt, aber waren es „Proteste gegen die CDU“?
Die Kleine Anfrage geht noch etwas mehr in Richtung AfD-Agitation und raunt vom „tiefen Staat“ hinter den Türen der NGOs:
„Die Kritik an der Einflussnahme gemeinnütziger Organisationen geht jedoch über einzelne Proteste hinaus. Manche Stimmen sehen in den NGOs eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt. Laut einem Bericht der „Welt“ erhalten zahlreiche NGOs, die sich öffentlich politisch links positionieren, finanzielle Mittel aus Ministerien. Dies stellt ein Spannungsverhältnis dar, denn wenn diese Organisationen aktiv in politische Meinungsbildung eingreifen, könnte dies ein Verstoß gegen die demokratische Grundordnung sein (www.welt.de/debatte/plus255395416/NGOs-Der-deutsche-Deep-State-und-seine-gefaehrliche-Macht.html).“
Eine der 551 Fragen, die mehr oder weniger identisch für die einzelnen NGOs formuliert sind, fragt auch nach „Kooperationen“ mit den parteinahen Stiftungen, und zwar nur den „linken“ und der der AfD:
„Gibt es Kooperationen zwischen der CORRECTIV gGmbH und parteinahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?“
Das Bundesinnenministerium beschreibt die Aufgabe der öffentlich geförderten parteinahen Stiftungen – die der AfD gehört bisher nicht dazu – so:
„Die politischen Stiftungen sind ein wichtiger Wirkhebel der gesellschaftlichen und demokratischen Bildungsarbeit. Ihre Angebote stehen dabei jeder Bürgerin und jedem Bürger offen. Rechtsgrundlage für die Förderung ist das Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG).
Sie nehmen ihre Aufgaben selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit wahr. Sie sind von den ihnen nahestehenden Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig. Die Förderung ihrer gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit ist Bildungsförderung im gesellschaftlichen Pluralismus. Politische Stiftungen sind ein wichtiger Teil der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland.“
„Kooperationen“ mit ihnen sind also verdächtig?
Im Grunde spricht nichts dagegen, zu prüfen, ob Förderrichtlinien sowie steuerrechtliche Vorgaben der Gemeinnützigkeit eingehalten werden. Aber wäre es nicht angemessen, das nicht politisch einseitig, als Kulturkampf gegen alles, was man als „Links“ empfindet, zu tun? Warum beispielsweise nicht auch einmal den „Bund der Steuerzahler“ auf den Prüfstand stellen? Oder die „Hayek-Gesellschaft“? Die Liste ließe sich fortsetzen.
So wie die Union bei ihrer Bundestagsanfrage mag man vielleicht Politik „für die Mehrheit“ ausbuchstabieren können, aber das dahinter stehende Demokratieverständnis ist unreif und populistisch, es vermag nicht zwischen Parteipolitik und zivilgesellschaftlichen Engagement zu unterscheiden und, last but not least, es verströmt den Geruch Trumpscher Rachepolitik.
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