Die Welt nimmt seit einigen Jahren wieder unverkennbar unmenschlichere Züge an. Der Optimismus, den Hans Rosling noch aus weltweiten Daten über Armut, Bildung oder Gesundheit beziehen konnte, ist vielen Menschen abhanden gekommen. Kriege in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, brutale Unterdrückung im Iran oder in Nicaragua, das Flüchtlingsdrama an Europas Grenzen, das Versagen der Welt gegenüber dem Klimawandel oder jetzt der Terrorangriff auf Israel: Die Aussichten sind düster.

Ob es in naher Zukunft wieder eine Wende zum Besseren gibt oder ob es noch schlimmer wird? Viele der unguten Zustände sind absehbar morgen nicht vorbei. Autokraten geben die Macht nicht ohne Not wieder her, und Regionen, in denen Armut und Krieg Einzug gehalten haben, kehren oft für Jahre und Jahrzehnte nicht zu Frieden und Wohlstand zurück.

Vorbeugen ist besser als Heilen. Zumindest in Demokratien haben alle Einfluss darauf, wie es weitergeht. Insbesondere tragen in Demokratien alle Verantwortung dafür, die Macht nicht in die Hände von Verbrechern fallen zu lassen. Haben die Putins, Ortegas oder Assads das einmal geschafft, bleibt oft nicht viel mehr als auf abtrünnige Eliten zu hoffen, oder, wie seinerzeit in der DDR, auf die Sklerotisierung und Ermüdung der Diktatur, auf das Eintreten einer revolutionären Situation.

Darüber, wer zu den Verbrechern und Verführern gehört und wer nicht, mag manchmal keine Einigkeit bestehen. Aber manchmal ist es auch einfach: Wer ständig von der Größe und Ehre der Nation redet, hat sichtlich anderes im Sinn, als sich um die Umwelt, um bezahlbares Wohnen, gute Schulen oder eine menschenwürdige Pflege zu sorgen. Für die Größe und Ehre der Nation wurden schon immer Menschen in Gefängnisse gesteckt oder in Kriege geschickt, Krieg für bezahlbares Wohnen oder mehr Pflegekräfte gab es noch nie.

Ludwig Erhards Motto „Wohlstand für alle“ verbindet das Versprechen auf ein Leben ohne Armut mit dem Anspruch auf Gerechtigkeit. Unter diesen Voraussetzungen hat es die Demokratie als die gemeinsame Sorge um das Wohlergehen aller leichter. Die neoliberale Aufteilung der Welt in Sieger und Verlierer lässt die Demokratie dagegen erodieren. Und den Frieden in der Welt auch.

Nach einer neuen Umfrage liegt die AfD deutschlandweit bei 23 %, die Ampelparteien zusammen bei gerade mal 33 %, die Union bei 29 %. Wie es weitergeht, ist – auch – unsere Verantwortung.

Kommentare (91)

  1. #1 Tina
    13. Oktober 2023

    Düstere Zeiten, die angebrochen sind und man weiß nicht, für wie lange.
    Es ist wirklich nur noch zum Heulen.

  2. #2 hto
    Holographische Konfusion
    13. Oktober 2023

    @Tina
    Im geistigen Stillstand dieser Welt- und “Werteordnung”, seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”), ist Waffenstillstand auch nur ein blödes Wort, wie Freiheit, Frieden oder Demokratie.

    • #3 Joseph Kuhn
      13. Oktober 2023

      Was für ein menschenverachtender Bödsinn. Erzählen Sie das mal denen, die im Jemen, in der Ukraine oder jetzt in Israel oder im Gazastreifen bombardiert werden.

      Oder helfen Sie dort mal ein paar Tage, z.B. Putzen in einem Krankenhaus, und wenn Sie dann “Waffenstillstand” immer noch blöd finden, haben Sie immerhin ein bisschen street credibility, anders als jetzt mit Ihren immer gleichen geistlosen Sprüchen vom warmen Sofa aus.

  3. #4 uwe hauptschueler
    13. Oktober 2023

    Zumindest in Demokratien haben alle Einfluss darauf, wie es weitergeht.

    War denn die Bundesrepublik Deutschland jemals mehr als eine Wahlautokratie? Parteien, die sich nicht für Volksabstimmungen einsetzen, haben mit Demokratie nichts am Hut.

    • #5 Joseph Kuhn
      13. Oktober 2023

      @ uwe hauptschueler:

      “War denn die Bundesrepublik Deutschland jemals mehr als eine Wahlautokratie?”

      Erstens ist “Wahlautokratie” eine begriffliche Missgeburt, zweitens ist die Frage eindeutig mit “ja” zu beantworten. Sie können sich hierzulande gewerkschaftlich engagieren (für mehr Demokratie am Arbeitsplatz), Sie können in Parteien und Bürgerinitiativen mitarbeiten, in den Gemeinderat gehen, Schöffe sein, für Ihre Ansichten in Blogkommentaren werben, demonstrieren gehen und vieles mehr.

      Es ist, wie gesagt, unsere Verantwortung, die Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt – und sich dafür einzusetzen, dass, mit Willy Brandt gesprochen, wieder mehr Demokratie gewagt wird.

      Wer nur rummault und Wahlautokraten wie Aiwanger oder die AfD-Führer bejubelt, sollte sich nicht beschweren, dass er zu wenig Einfluss hat.

  4. #6 uwe hauptschueler
    13. Oktober 2023

    @Kuhn #5

    Erstens ist “Wahlautokratie” eine begriffliche Missgeburt, 

    wie “parlamentarische” Demokratie oder “represäntative” Demokratie oder sonst eine “Wieselwort” Demokratie.

    Sie können in Parteien und Bürgerinitiativen mitarbeiten, in den Gemeinderat gehen, Schöffe sein, für Ihre Ansichten in Blogkommentaren werben, demonstrieren gehen und vieles mehr.

    Wie großzügig. Und was hat das mit Volksherrschaft zu tun? Im Übrigen: Ich werbe hier doch gerade für Volksabstimmungen.

    mit Willy Brandt gesprochen, wieder mehr Demokratie gewagt wird.

    Wie kommen Sie auf “wieder” und worin sehen Sie das Wagnis. Das war vor mehr als 50 Jahren. Wie alt muß ich denn werden um dieses “mehr” zu erleben.

    • #7 Joseph Kuhn
      13. Oktober 2023

      @ uwe hauptschueler:

      1. Parlamentarische Demokratie und represäntative Demokratie haben klare Bedeutungen und sind keine demagogischen Wortbildungen. Es sind Formen der demokratischen Willensbildung mit Stärken und Grenzen.

      2. Das Wesen der “Volksherrschaft” ist nicht, dass die Mehrheit über Minderheiten “herrscht”, sondern dass die verfassungsmäßige Ordnung nicht einem vererbten Adel, einem Führer oder anderen “Auserwählten” die Herrschaft zuweist. “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”, heißt es in Art. 20 GG. Dazu braucht es Verfahren, solche der direkten Demokratie ebenso wie solche der repräsentativen Demokratie. Und vor allem braucht es dazu Engagement und Mitarbeit im Vorfeld von Abstimmungen, auch wenn das anstrengend ist und nicht unbedingt dazu führt, dass die eigene Meinung durchgesetzt werden kann.

      3. Auf das “mehr” an Demokratie müssen Sie so lange warten, wie Leute wie Sie nicht bereit sind, sich zu engagieren, sondern nur von Autokraten ihrer Farbe bedient werden wollen.

      4. Wie funktioniert eigenlich Ihre Idee der “Volksherrschaft” bei Themen wie der Regulation von KI, der Arzneimittelzulassung oder dem Unternehmensstrafrecht? Wer veranlasst die Abstimmungen dazu? Arbeitet sich die ganze Bevölkerung 2 Wochen vor einer Abstimmung in die Themen ein? Und wer bleibt dran, für die Novellierungen?

  5. #8 hto
    13. Oktober 2023

    @Kuhn: “… warten, wie Leute wie Sie nicht bereit sind, sich zu engagieren …”

    Ich denke, in einem Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden”, OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, wären alle Menschen sowas wie Beamte, aber vor allem Demokratie wäre wirklich-wahrhaftig repräsentativ, unkorrumpierbar und …!? 😉

    • #9 Joseph Kuhn
      13. Oktober 2023

      @ hto:

      “wie im Himmel all so auf Erden”

      Eine interessante Voraussetzung. Wie es im Himmel ist, weiß niemand, aber himmlische Zustände haben wir auf der Erde gewiss nicht.

      Warum gehen Sie nicht in den Gazastreifen und erzählen Ihre Lösung der Hamas, den israelischen Solddaten und den Opfern auf beiden Seiten? Vielleicht wird dann alles gut. Wenn Sie da Ihre Verantwortung sehen: auf und los!

  6. #10 hto
    13. Oktober 2023

    Du ahnst es nicht? – Aber dieser Krieg wird wohl der Anfang vom Ende der Zivilisation, wenn nicht doch noch eine Kommunikation für eine neue Weltordnung beginnt, deshalb brauchen wir nur noch kurze Zeit zu warten!?

    • #11 Joseph Kuhn
      14. Oktober 2023

      @ hto:

      Ihre klammheimliche Freude an einer Katastrophe ist unübersehbar. Das scheint für Sie die emotionale Kompensation der ausgebliebenen Revolution zu sein. Eine Variante der Verbitterungstörung.

  7. #12 PDP10
    13. Oktober 2023

    @hto:

    wenn nicht doch noch eine Kommunikation für eine neue Weltordnung beginnt

    Wie wäre es mit Engagement statt bloß “Kommunikation”? (Wie Joseph Kuhn schon vorgeschlagen hat).

    BTW: “Kommunikation” ist in der Regel definiert als Übertragung oder Austausch von Information.
    Von beidem merkt man bei dir, ehrlich gesagt nicht viel. An “Austausch” bist du offenbar nicht interessiert und die “Übertragung” besteht aus auswendig gelernten Phrasen.

    Du bist ein Lehnstuhl-Kommunist, der sich von dem System, dass du zweifellos als “Schweinesystem” bezeichnest, durchfüttern lässt (wie dir hier schon mehrmals gesagt wurde) und du glaubst ebenso zweifellos, dass das “Solidarische System”, dass dir vorschwebt, dich ebenso durchfüttern würde. Denn Engagement? Nein, sicher nicht …

    Du triffst dich da übrigens mit Uwe hauptschueler. Der wehrt sich offenbar gerne gegen jeden Verdacht “verantwortlich” für irgendetwas zu sein. Obwohl das gar keiner von ihm verlangt.

    Das gemeinsame ist: Ihr fantasiert euch beide eine Gesellschaft zusammen, die es nicht gibt und nie geben wird, aber in der es euch persönlich gut geht ohne euch dafür ein zu setzen indem Ihr Verantwortung übernehmt.

  8. #13 hto
    14. Oktober 2023

    @PDP10
    Engagement fängt mit Kommunikation an,
    Kommunikation aber, ist hier etwas womit heftig Schindluder betrieben wird!? 😉

  9. #14 hto
    wo die Dummheit ...
    14. Oktober 2023

    Tja, inzwischen bin ich überzeugt davon, daß mir viele immer wieder gesagt haben “… es hat keinen Sinn …”, Mensch ist nicht zu retten. Tschüß

  10. #15 Ichbinich
    14. Oktober 2023

    @PDP10

    Danke!

    @HTO:
    Nein, Engagement fängt mit vom Sofa aufstehen, rausgehen und was tun an. Dumm quatschen kann jeder.

    @joseph kuhn

    Ja, es wird absehbar leider eher schlechter als besser. Und zu allem Übel sind die Demokratien mit sich selbst beschäftigt bzw. in der Tendenz zur Selbstaschaffung. Die Beispiele sind bekannt.
    Ich sehe hier leider in letzter Zeit auch eher schwarz und leider keine wirkliche Lösung oder Ausweg. Sachen kaputt zu machen (siehe Trump und Konsorten) geht halt leider immer einfacher und schneller als aufbauen.

  11. #16 Neumann
    14. Oktober 2023

    Dieses mal nicht auf der Suche nach dem heiligen Gral, sondern dieses mal auf der Suche nach der Ursache allen Übels auf der Welt. Da kann man nur hoffen, dass neue Gedanken auftauchen, Gedanken, die Hoffnung machen.

    Mit dem Wort „Verantwortung“ ist schon einmal ein guter Anfang gemacht. Man kann sich nur verantworten, wenn auch andere Menschen vorhanden sind.
    Damit erscheint schon das zweite Wort im Denken , das Wort „sozial“.

    Und wenn man an sozial denkt socius = Hintermann, dann geht es um den Mitmenschen.
    Und wenn man mit dem Hintermann in Frieden leben will, dann braucht es Gerechtigkeit, und damit sind wir schon beim dritten und vierten Wort, Frieden und Gerechtigkeit.

    Mit diesen vier Worten können wir dem Übel zuleibe rücken und das Übel austrockenen.

    Und wenn wir jetzt unsere Weltgeschichte betrachten, besteht Hoffnung . Wir haben schon Institutionen die für Frieden und Gerechtigkeit zuständig sind, die UNO und den Internationalen Gerichtshof.
    Beim Sozialen sind wir auch gerüstet, die Religionen haben sich diesem Gebiet angenommen.

    Und beim Antwortgeben sind wir bestens gerüstet mit dem Internet.

    Also, was ist los in der Welt, warum wird immer noch gebombt und gemordet.
    Fehlen noch Begriffe zur Erklärung ?

  12. #17 Norbert Aust
    Schopfheim
    14. Oktober 2023

    Schlimm ist, wenn man mit über 70 feststellen muss, dass man die Zwanzigjährigen nicht (mehr) um die 50 Jahre beneidet, die diese noch länger leben werden als man selbst.

  13. #18 uwe hauptschueler
    14. Oktober 2023

    @ Kuhn #7
    zu2. Sowohl Volksentscheide als auch durch Parlamente erlassene Gesetze sind Mehrheitsentscheidungen. Letztere sind auch schon mal in Hinterzimmern ausgekungelt, sogenannte Koalitionsverträge.

    Dazu braucht es Verfahren, solche der direkten Demokratie ebenso wie solche der repräsentativen Demokratie.

    Ohne Verfahren der direkten Demokratie, und die haben wir auf Bundesebene nicht, gibt es keine Demokratie.
    zu 3. Weil ich Volksabstimmungen fordere, unterstellen Sie mir

    sondern nur von Autokraten ihrer Farbe bedient werden wollen.</

    Sympatien für welche Autokraten können Sie mir denn anlasten? Dass die Ausübung der Staatsgewalt an Vorleistungen durch den Bürger geknüpft ist, steht im Artikel 20 GG nicht.
    zu 4. Hemmunglos bei den Schweitzern abkupfern.

  14. #19 Christian
    14. Oktober 2023

    @17
    Beide Formen, repräsentative Demokratie und direkte Demokratie, haben ihre Stärken und Schwächen. Die Schweiz mit ihrer am weitesten in Richtung direkte Demokratie gestalteten Politik ist ja trotzdem nicht der “Himmel auf Erden”. (Die Männer Appenzell Innerrhodens jedenfalls mussten im Jahre 1990 (!) gezwungen werden, Frauen das Stimmrecht zu geben.)

  15. #20 uwe hauptschueler
    14. Oktober 2023

    @Christian #18
    Wenn Sie in einer Gaststätte eine Bratwurst bestellen und eine “repräsentative” Bratwurst aus Soja bekommem, ist dies eine Täuschung, selbst wenn das Sojaprodukt hochwertiger wäre.

  16. #21 PDP10
    14. Oktober 2023

    @uwe hauptschueler:

    Du findest also, dass repräsentative Demokratie keine “echte” Demokratie ist? Verstehe ich das richtig? So eine Behauptung sollte man IMHO besser gut begründen können. Wurstvergleiche helfen da übrigens nicht.
    Die Repräsentanten der Wähler werden ja schließlich nicht ernannt, sondern gewählt. In freien und geheimen Wahlen. Jedenfalls ist das in liberalen, repräsentativen Demokratien so. Dass von Staaten behauptet wird, dass das auch so wäre, die keine Demokratien sind (Nordkorea zB.) ist bekannt und das lassen wir mal kurz außen vor.

    Was die direkte Demokratie angeht: Das von Christian angesprochene Frauenstimmrecht in der Schweiz (*) ist ein ganz gutes Beispiel für die Nachteile und Fallstricke direkter Demokratie. Der Wikipedia Artikel dazu fasst das so zusammen:

    “Der Hauptgrund für die vergleichsweise späte Umsetzung liegt im politischen System der Schweiz. Vorlagen, welche die Bundes- oder die Kantonsverfassung betreffen, bedürfen zwingend der Zustimmung durch das stimmberechtigte Volk, wogegen das Frauenstimmrecht in den anderen Staaten durch Parlamentsbeschluss verwirklicht werden konnte. Um das Stimmrecht auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es damit jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer.” (Hervorhebung von mir).

    Oder nimm den Brexit. Da haben nur knapp 52% der Stimmberechtigten für einen Prozess gestimmt, dessen Folgen jetzt auch die mehr als 48% die dagegen gestimmt haben tragen müssen.

    Die repräsentative Demokratie durch Elemente direkter Demokratie zu ergänzen wäre sicherlich diskussionswürdig – und wird ja auch schon gemacht. Beispielsweise auf kommunaler Ebene. Da sind die Bürger direkt von allen Entscheidungen betroffen und sie in diese Entscheidungen ebenso direkt ein zu binden erscheint logisch. Damit das wirklich funktionieren würde – sich also alle von einer Entscheidung betroffenen Bürger eingebunden fühlen – müssten aber wirklich alle in einer Kommune abstimmen können. Also auch die ohne deutschen Pass (ich kann schon die Schnappatmung mancher Populisten und Rechten hören …).
    Problem: Das ganze würde eventuell viel Geld kosten, dass viele Kommunen nicht haben weil sie chronisch klamm sind und viel Personal, dass viele Kommunen auch nicht haben. Da wäre dann wieder der Bürger gefragt, Verantwortung zu übernehmen. ZB. über die Steuern einen Beitrag zu leisten und / oder sich zu engagieren.

    Würdest du das?

    (*): Ja, der betreffende Kanton heißt wirklich Appenzell Innerhoden. Aus Symmetriegründen gibt es übrigens auch noch einen Kanton namens Appenzell Ausserhoden. 🙂

  17. #22 PDP10
    14. Oktober 2023

    @uwe hauptschueler:

    Eine Frage hab’ ich noch (um mal Columbo zu zitieren):

    Würdest du an solchen Volksabstimmungen denn auch teilnehmen? Immer? Auch bei Themen, die dich nicht interessieren oder betreffen? Würdest du dich auch über letztgenannte Themen gründlich informieren um dann verantwortungsvoll abstimmen zu können?

  18. #23 PDP10
    14. Oktober 2023

    Ok, das waren zugegebenermaßen dreieinhalb Fragen …

  19. #24 Alisier
    14. Oktober 2023

    Ok….ja, schön…..oder auch nicht.
    Jetzt erzählt doch mal wo ihr in letzter Zeit oder auch nicht in letzter Zeit irgendwo konkret engagiert wart und wie genau.
    Nach einer richtig harten Woche in einem Beteiligungsprozess mag ich mir das Geschwätz hier, und mehr ist es letztendlich nicht, eigentlich nicht anhören müssen.
    Es ist nicht einfach gerade und es stürzt vieles auf uns ein auf das wir sicher alle gerne verzichtet hätten. Da dürften wir uns einig sein.
    Aber jetzt hört doch mal bitte auf rumzuheulen und aufeinander rumzuhacken oder Ähnliches zu tun.
    Handlungsoptionen gibt es. Und die bestehen aus meiner Sicht weder darin den Oberchecker zu geben oder sich an diversen Obercheckern abzuarbeiten sondern sich zu überlegern was man wirklich tun kann und wie man das, möglichst mit vielen anderen, umsetzt.
    Im Sessel mit dem Whisky oder dem kommunistischen Manifest oder irgendeinem schlauen Spruch in der Hand geht das wohl kaum.
    WAS schlagt ihr denn nun vor?
    Denn ohne sinnvolle und umsetzbare Vorschläge und das Bemühen um Kooperation geht einfach nichts.
    Ich habs wirklich satt mir nur Jammern und “Andere in den Senkel setzen” anzusehen.
    Nettes Spiel vielleicht. Aber was soill das bitteschön bringen?
    Butter bei die Fische!
    Geschwafel mit Schuss und “Ich hab ja so recht” bringt uns kein Jota weiter meine Herren.
    !00 Kommentare? Großartig!
    Erkenntnisgewinn? Sehr überschaubar.
    Das sollten wir endlich ändern, denke ich.

  20. #25 PDP10
    15. Oktober 2023

    @Alisier:

    WAS schlagt ihr denn nun vor?

    Steht in meinen beiden Kommentaren oben.

    Falls das nicht genug “Vorschlag” ist, ziehe ich mich ansonsten bezüglich deiner Fragen auf den Standpunkt zurück den du so gerne einnimmst:

    “Ich stelle nur Fragen und provoziere halt gern.”

    BTW: Sich empören ist leicht. Aber was schlägst du denn vor?

    BTW2: Ich gehe jedenfalls morgen auf die Solidaritästdemo für Israel hier in der kleinen Stadt am Rhein. Viel mehr als das und Sachen hier rein schreiben kann ich aufgrund Mangel an Tatkraft und Kraft überhaupt im Moment nicht tun. Aber das ist mein persönliches Problem und eine andere Sache.

  21. #26 PDP10
    15. Oktober 2023

    Äh … Mist.

    Morgen ist schon Heute weil nach Mitternacht. Aber das ist nur ein Detail am Rande …

  22. #27 uwe hauptschueler
    15. Oktober 2023

    @PDP10

    bedürfen zwingend der Zustimmung durch das stimmberechtigte Volk,

    Ich versuch Werbung für Volksabstimmung zu machen. So ein Volk besteht in der Regel aus Männern und Frauen. Wenn bei einer Abstimmung nur Männer oder Frauen teilnehmen können ist es keine Volksabstimmung. Das Frauenstimmrecht in der Schweiz ist nicht wegen Volksabstimmungen spät eingeführt worden. Von wegen Mehrheit vs. Minderheit, die Mehrheit der Erwachsenen in der Schweiz dürften Frauen sein.
    Zum Brexit, es handelt sich
    hier um einen stinknormalen Scheidungskrieg. Das es kein geregeltes Austrittsverfahren gibt, ist nicht der Volksabstimmung geschuldet, sondern einer Fehlkonstruktion der EU.
    Fehler gibt es immer. Glücklicherweise sind Fehler oft korrigierbar. In der Schweiz wurde Homöopathie durch Volksentscheid Kassenleistung, in Deutschland gibt es den Binnenkonsens ohne Volksentscheid. Zwei Methoden, gleicher Blödsinn.
    Durch Wahlen sind auch schon Arschlöcher an die Macht gekommen. Das Ermächtigungsgesetz wurde nicht per Volksabstimmung erlassen. Volksabstimmungen bedingen nicht zwangsläufig bessere Ergebnisse, aber ohne gibt es keine Demokratie.

    Das ganze würde eventuell viel Geld kosten

    Das die Schweiz und ihre Kommunen wegen der ständigen Abstimmungen pleite sind, habe ich noch nicht gelesen.

    Verantwortung

    Haben Sie schon mal freiwillig sonntags als Beisitzer im Wahllokal gesessen, waren Sie schon Mitglied eines Katastrophenschutz-Stabes, haben Sie Wehr- oder Zivildienst geleistet, waren Sie schon auf Demos, gehen Sie regelmäßig wählen?
    Sicherlich würde ich nicht zu jeder Volksabstimmung gehen. Ich bin bei Stichwahlen auch schon zweimal mal nicht dabeigewesen, weil mir beide Kandidaten nicht gepaßt haben.

  23. #28 PDP10
    15. Oktober 2023

    @uwe hauptschueler:

    Das Frauenstimmrecht in der Schweiz ist nicht wegen Volksabstimmungen spät eingeführt worden.

    Doch. Ist es.

    Haben Sie schon mal freiwillig sonntags als Beisitzer im Wahllokal gesessen

    Nein. Noch nicht. Was nicht bedeutet, dass ich das nie tun werde.

    gehen Sie regelmäßig wählen?

    Ja. Und Sie?

  24. #29 ajki
    15. Oktober 2023

    Der Titel des Blog-Beitrags lautet “Unsere Verantwortung”. Der Beitrag selbst ist zwar eher im Abstraktum angesiedelt, aber hinsichtlich des kritischen Gehalts und der Zielstellungen an keiner Stelle zu beanstanden.

    Aber…

    Der Titel!

    Es liegt weit außerhalb und jenseits “unserer” Verantwortung, was irgendwelche Potentaten irgendwo in der Welt treiben – es sei denn, der Autor meint mit “unsere” eine Menschheits-bezogenen Allheitsmenge (siehe “Abstraktum”).

    Wenn “unsere” sich aber auf die normale, kleinteilige, reale Verantwortlichkeit beziehen soll, dann wäre es eben “nur” die normale und wünschenswerte Fortführung und Entwicklung des dankenswerterweise (den vorangegangenen Generationen) Erreichten. Natürlich ist im Realen niemals etwas “perfekt” oder auch nur annähernd “gut” und es gibt immer Möglichkeiten zur Verbesserung.

    Und natürlich stimmt es, dass man nicht hinter das Erreichte zugunsten vermeintlicher “praktischer Lösungen” zurückfallen darf. (“Wir” – sowohl im Kleinen als auch Großen – *wissen* mit großer Exaktheit, dass utopistische Lehren [á la “Gommunissmus, bei dem jeder mit muss”] oder Potentatismus/Autoritarismus etc. NICHT funktioniert! Noch nicht mal in Bayern wäre die Wiedererrichtung des Königtums eine brauchbare Lösung)

    • #30 Joseph Kuhn
      15. Oktober 2023

      @ ajki:

      “Es liegt weit außerhalb und jenseits “unserer” Verantwortung, was irgendwelche Potentaten irgendwo in der Welt treiben”

      Auch wenn irgendwelche Potentaten hierzulande die Macht übernommen haben, ist es weitgehend damit vorbei, dass wir Einfluss nehmen können, daher der dritte Absatz im Blog. Steht unter dem Titel 😉

  25. #31 Christian
    15. Oktober 2023

    Zwei Kleinigkeiten:

    @21: Rhoden. Es sind Inner- und Ausserrhoden 🙂

    @24: Wie du ja selbst gezeigt hast, ist es möglich, sich erst zu engagieren (wie auch immer) und anschließend seine Zeit im Kommentarbereich von Blogs zu vertun. Du bekommst hier natürlich nur letzteres mit, darfst aber daraus nicht schließen, dass ersteres nicht vorhanden ist.

  26. #32 Dr. Webbaer
    15. Oktober 2023

    Dr. Webbaer will die Frage zu bedenken geben, nämlich die nach “unserer Verantwortung”.

    Was kann so gemeint sein, eigentlich doch nur, aus diesseitiger Sicht, die Verantwortung des Wahl- und Staatsvolks in liberalen Demokratien?
    Im sogenannten Westen? [1]

    Je nach Sicht, gibt es ca. 30 bis 50 davon, mit autokratischen und kollektivistischen Systemen, einige davon will Dr. Webbaer an dieser Stelle nicht näher beschreiben, auch damit sich niemand hier aufregt, gibt es also mehr Herrschaftssysteme, als “unserer Verantwortung” unterstehen.

    Was sich bspw. auch bei der bekannten Klimaproblematik auswirkt, bei Fragen der Immigration eine Rolle spielen darf und insbesondere auch bei der Einfuhr von Produkten der Hochtechnologie, die ja bekanntlich im sogenannten Web ein beträchtliches Potential haben, und letztlich auch die zeitgenössische, smarte AI sich nicht sozusagen im Alleinbesitz des Bereichs der Europäischen Aufklärung [1] befindet.

    Insofern rät der Schreiber dieser Zeilen von x-zentrischen Sichten, also bspw. von germano-zentrischen Sichten, ab, sondern rät zur Realpolitik an.
    Wünscht sich in diesem Zusammenhang, dass Liberale Demokratien möglichst demokratisch bleiben und nicht Machtabgabe an undemokratisch oder gar nicht demokratisch legitimierte Einheiten versuchen.

    Vielleicht besteht darin “unsere Verantwortung” ?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    [1]
    Der “Westen” ist natürlich eine blöde Metapher, gemeint ist die Europäische Aufklärung, die u.ca. idF liberale Demokratien, moderne (skeptizistische (!)) Wissenschaftlichkeit und gewisse sittliche Mindeststandards hat durchsetzen können.

    PS:
    Zeitgenössische AI wird in naher Zukunft sehr viel ändern, inklusive zeitgenössischer Robotik.
    Insofern wird sich ganz absehbarerweise diese Fragen neu stellen.

  27. #33 istdochehegal
    15. Oktober 2023

    @PDP
    Ernsthaft, ne Solidemo für ein Land, das auf Völkerrecht nicht sooo wichtig findet, sowohl langfristig durch Landnahme und Verstoß gegen UN-Resolutionen als auch gerade mal wieder durch Kollektivbestrafung der Zivilbevölkerung, Entzug von Wasser, Strom etc (was als Russland das eventuell gegen Ukraine-Teile gemacht hat schlimm Menschenrechtswidrig eingeordnet wurde durch unsere Politik, zurecht), Phosphorbomben gegen Zivilbevölkerung einsetzt, grundsätzlich ein kolonialistischer Apartheidsstaat ist (begonnen, als anderswo die Dekolonialisierung begann), der Millionen von Menschen rechtlos einpfercht?
    Halte ich den Anschlag der Hamas für richtig? Nein. Halte ich die Reaktion Israels für richtig oder Verteidigung? Nein. Und auch das Grundsätzliche Verhalten Israels mit der Besiedlung besetzter Gebiete, in denen die indigene Bevölkerung rechtlos eingepfercht ist, das zerschnitten ist durch Checkpoint-Systeme, an denen willkürlich verboten wird zu passieren.
    Ich verstehe diese uneingeschränkte Solidarität mit Isreal nicht. Wo, nachdem Spitzenpolitiker alle Palästinenser als Tiere bezeichnet haben, und Rache angekündigt wurde noch Freibriefe gegeben wurden “macht was ihr wollt, es ist ok”.
    Menschen töten ist falsch, schon mal geschaut, wie das so aussieht in nem normalen Jahr, wie viele Palästinenser jährlich von Israel getötet werden?
    Und nein, es sind nicht alles Terroristen, selbst nach Definition Israels nicht, die da getötet werden.
    Es wird auf Demonstrationen geschossen, auf Leute, die sich gegen Vertreibung durch Siedler wehren wollen, Kinder, im Zweifel jeder, dessen Haut zu dunkel ist.
    Aber klar, Israel ist unser Verbündeter, da soll man sowieso nichts sagen; und das Einzige, was der gemeine Deutsche aus der Shoa gelernt zu haben scheint ist nicht, dass Völkermord abzulehnen ist, sondern dass man voll und ganz hinter jedem Juden stehen soll, insbesondere dem selbsternannten “Staat der Juden”. Mich kotzt es an mit den “Westlichen Werten” die nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen. Wir sind “die Guten”? Ich glaub es nicht mehr. Es zählt nur noch Bündnistreue.
    /sorry für Inkonsistenzen im Aufbau, das Textfeld ist für sowas zu klein.

    • #34 Joseph Kuhn
      15. Oktober 2023

      @ istdochehegal:

      Es ist nicht eh egal. Vor allem sollte man in diesem seit Jahrzehnten geführten Konflikt mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein, mit seinen Bewertungen, mit seiner Wortwahl und insbesondere dabei auch Erklärungen zur Konflikthistorie nicht mit Rechtfertigungen für terroristische Morde verwechseln.

      “Halte ich den Anschlag der Hamas für richtig? Nein.”

      “Richtig” ist hier ein vieldeutiges Wort. Man könnte es z.B. als Antwort auf die Frage verstehen, ob der Anschlag taktisch und politisch richtig war. Schon das Wort “Anschlag” passt nicht. Die richtige Frage wäre, ob das gezielte Ermorden unschuldiger Menschen durch die Hamas in irgendeiner Weise moralisch zu rechtfertigen ist. Das ist es nicht.

      “Halte ich die Reaktion Israels für richtig oder Verteidigung? Nein.”

      Meinen Sie das ernst? Dass sich Israel verteidigt, ist falsch? Bis in Ihre Wortwahl hinein ist die false Balance erkennbar.

      “kolonialistischer Apartheidsstaat”

      Wenn die Hamas siegen würde, würde sie einen kolonialistischen Apartheidstaat errichten, sofern sie die Juden nicht in ihrer Gesamtheit vertreiben würde. Sie kennen die Gründungscharta der Hamas und ihre Haltung gegenüber Israel als Staat und den Juden als Menschen?

      Damit ist nicht gesagt, dass Israel seinen Umgang mit den arabischen Bürger:innen im eigenen Land, mit den Siedlern im Westjordanland usw. nicht dringend ändern müsste. Das wissen aber auch die kritischen Stimmen in Israel selbst, ganz ohne Belehrung durch uns. Und jetzt ist ganz sicher nicht der Zeitpunkt für solche Belehrungen, jetzt wirken sie fast zwangsläufig als Relativierung der terroristischen Morde.

      “Phosphorbomben”

      Auch solche Meldungen sollte man nicht einfach als Tatsachen übernehmen. Konnten Sie das überprüfen? Ob “Phosphorbomben” eingesetzt wurden, ist derzeit unklar: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erhebt den Vorwurf, die israelische Armee weist ihn zurück.

      “Aber klar, Israel ist unser Verbündeter, da soll man sowieso nichts sagen”

      So ein Unsinn. Natürlich darf man etwas sagen. Am besten, sofern man die Situation wirklich beurteilen kann, sonst darf man auch einmal den Mund halten. Das gehört auch zu unserer Verantwortung.

      “Wir sind “die Guten”? Ich glaub es nicht mehr.”

      Diesen naiven Kinderglauben hätten Sie sowieso nie pflegen sollen, sofern Sie früher etwas über den Vietnamkrieg, den Algerienkrieg, das Schicksal von Politikern wie Allende, Mossadegh oder Lumumba, über Abu Ghraib, die anhaltende Ausbeutung der Dritten Welt oder prekär Beschäftigter hierzulande, die Flüchtlingspolitik oder anderes gelesen haben. Das heißt aber noch lange nicht, dass eh alles egal ist, schon gar nicht das gezielte Ermorden von Menschen durch die Hamas.

      “Mich kotzt es an mit den “Westlichen Werten” die nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen.”

      Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr, im Rahmen der Möglichkeiten, die Sie haben. Dass eh alles egal ist, ist die Verweigerung von Verantwortungsübernahme.

  28. #35 Staphylococcus rex
    15. Oktober 2023

    Um zum Beispiel im aktuellen israelisch-palästinensischen Konflikt eine klare Position beziehen zu können, muss ich erst einmal verstehen, was dort in den letzten Tagen passiert ist. Ist es ein Aufstand, ist es ein Krieg, ist es ein Terrorakt?

    Teilweise ist es ein Aufstand, seit Jahrzehnten sind die Palästinenser im Gazastreifen in einem gigantischen Slum eingepfercht ohne jede Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung und dies ist auch das Reservoir für die fanatisierten Kämper, die von der Hamas in den Kampf geschickt werden. Andererseits ist es kein Aufstand, weil sich ein Aufstand gegen eine Besatzung richtet und im Gazastreifen schon lange keine israelischen Soldaten stationiert sind.

    Teilweise ist es ein Krieg, die Kämpfer der Hamas haben in der kurzen Phase des Überraschungsangriffs abscheuliche Kriegsverbrechen begangen. Strittig ist, ob es sich um einen neuen Krieg handelt oder um eine neue Phase eines alten Krieges, da Israel nie einen abschließenden Friedensvertrag mit der palästinensischen Seite geschlossen hat. Andererseits ist es kein richtiger Krieg, mit etwa 1500 leichtbewaffneten Kämpfern hatte die Hamas nie die Chance, befestigte militärischen Stellungen zu zerstören oder Land dauerhaft zu erobern.

    Teilweise ist es ein Terrorakt, die Brutalität gegen die fremde Zivilbevölkerung und die Gleichgültigkeit gegenüber die Opfer der eigenen Zivilbevölkerung beim israelischen Gegenschlag sprechen für eine Terrororganisation. Andererseits ist es kein Terrorakt, weil Terrorakte sind räumlich und zeitlich beschränkt und die Dimensionen der aktuellen Kriegsverbrechen befinden sich in der Grauzone zwischen einem Terrorakt und einem richtigen Krieg.

    Was ich mit all dem sagen möchte? Die aktuelle Situation paßt nicht in die gängigen Schubladen und wir sollten uns schnellstens vom Schubladendenken verabschieden, wenn wir von den Ereignissen nicht überrollt werden wollen.

    Die Hamas ist eine Tochterorganisation der Muslimbrüderschaft und regiert im Gazastreifen seit 2007 und hat sich seit dieser Zeit nie wieder einer demokratischen Wahl gestellt. Seit der Ermordung Jitzchak Rabins am 04.11.1995 durch einen jüdischen religiösen Fanatiker ist der Friedensprozess ins Stocken geraten. Gleichzeitig hat sich der Charakter des Nahostkonflikts gewandelt. Seit dieser Zeit steht nicht mehr die militärische Bedrohung Israels durch seine Nachbarstaaten im Vordergrund, sondern der Teufelskreis aus Hoffnungslosigkeit und Resignation der Palästinenser unterbrochen von kurzen Phasen heftiger Gewaltausbrüche.

    Es gibt zwei Nutznießer der aktuellen Situation, offensichtlich ist dies die Hamas, deren Daseinsberechtigung aus dem Nahostkonflikt resultiert und wo Analysten aktuell behaupten, die Hamas hat die aktuellen Ereignisse nur deshalb initiiert, um eine Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien zu verhindern und damit einem Machtverlust zuvorzukommen. Der andere Nutznießer ist die religiöse Rechte in Israel und die radikale Siedlungsbewegung. Ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten erfordert das Ende der Phantasien von einem Groß-Israel und die Aufgabe der israelischen Siedlungen in der Westbank.

    Im Augenblick operiert Israel als angegriffene Nation von einer Position der moralischen Überlegenheit. Diese moralische Überlegenheit schmilzt mit jedem toten Zivilisten im Gaza-Streifen dahin wie der Schnee in der Frühlingssonne. Der perfide Plan der Hamas erfordert ein massives militärisches Eingreifen Israels im Gaza-Streifen. Die Hamas wird dabei beschädigt, kann aber nicht zerstört werden. Die Kollateralschäden an zivilen Opfern und der Infrastruktur relativieren dann in der arabischen Wahrnehmung die Schuld der Hamas am Konflikt, legitimieren den Machtanspruch der Hamas im Gazastreifen und zementieren den Nahostkonflikt für die nächsten 10-15 Jahre. Wenn der Plan der Hamas aufgeht, befindet sich die Zivilbevölkerung des Gazastreifen für die nächsten 10-15 Jahre in der Geiselhaft der Hamas und die Zivilbevölkerung Israels in der Geiselhaft der religiösen Rechten und der radikalen Siedlerbewegung.

    Der Nahostkonflikt ist ein fürchterliches Thema, gerade auch weil es keine einfachen Antworten gibt und weil alle Möglichkeiten des Eingreifens zum Leid für die Zivilbevölkerung führen. Andererseits muss dieses Thema angesprochen werden und zwar jetzt, weil aktuell die Weichen für die nächsten 10-15 Jahre gestellt werden. Es ist die große Lebenslüge Israels, die Resignationsphasen der Palästinenser zwischen den Gewaltausbrüchen mit Frieden zu verwechseln. Ich kann in diesem Kontext nur jedem raten das aktuelle Interview des israelischen Botschafters Ron Prosor zu lesen und sich die Formulierungen auf der Zunge zergehen zu lassen:
    https://bilder.deutschlandfunk.de/ef/0b/a4/37/ef0ba437-9ec7-4f97-8842-214f72a952c0/ron-prosor-israels-botschafter-in-deutschland-232013-100.pdf

    Was wir tun können? Empathie zeigen mit denen, die aktuell keine Stimme haben und dann nach dem eigenen Gewissen zu handeln.

    Um Missverständnissen vorzubeugen, Israel hat jedes Recht der Welt, die an den Kriegsverbrechen beteiligten Mitglieder der Hamas zur Verantwortung zu ziehen. Aber die Bestrafung der Hamas-Kriegsverbrecher muss nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen erfolgen, wenn der Preis für die palästinensische Zivilbevölkerung so hoch ist, wie viele erwarten.

    • #36 Joseph Kuhn
      15. Oktober 2023

      @ Staphylococcus rex:

      “und dann nach dem eigenen Gewissen zu handeln”

      Was könnte das sein?

  29. #37 wereatheist
    Berlin
    15. Oktober 2023

    @Staphylococcus rex:

    Ist es ein Aufstand, ist es ein Krieg, ist es ein Terrorakt?

    Es war ein Pogrom.

    • #38 Joseph Kuhn
      15. Oktober 2023

      @ wereatheist:

      “Progrom”

      Ob der Begriff hier passt? https://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom

      Begriffe sollen eine emotionale Haltung nicht einfach mitfühlend widerspiegeln, sondern auf den Begriff bringen, beim Verstehen helfen.

  30. #39 Staphylococcus rex
    15. Oktober 2023

    @JK, wenn es eine einfache Antwort geben würde, hätte ich sie nicht verschwiegen. Die großen Entscheidungen werden anderswo getroffen, aber die großen Konflikte werden auf verschiedenen Ebenen ausgefochten, und dass die Welt immer unmenschlicher wird liegt zum Wesentlichen daran, dass selbsternannte Propheten (nicht nur im religiösen Sinn) einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Diese “einfachen” Lösungen machen die Welt für einige etwas besser und für viele andere wesentlich schlechter. Was jeder dabei tun kann, ist sich nicht von billigen Versprechungen einwickeln zu lassen, den Mitmenschen zuzuhören und dort, wo es nötig und möglich ist, Aufklärung zu betreiben.

    Zusätzlich kann jeder abhängig von der persönlichen Situation auch konkret aktiv werden. Wer Angehörige oder Freunde in Israel hat wird sich anders engagieren als jemand, dessen Wurzeln im Gazastreifen liegen. Welches Engagement gut und richtig ist und welches Engagement unangemessen ist, hängt von den konkreten Begleitumständen ab. Das eigene Gewissen (wenn man dem Gewissen wirklich zuhört) ist da ein guter Ratgeber.

  31. #40 Staphylococcus rex
    15. Oktober 2023

    @wereatheist, teilweise ist es ein Pogrom, weil sich blinder fanatischer Hass auf eine Bevölkerungsgruppe entladen hat, die einfach nur anders ist. Auch werden Pogrome gern von der herrschenden Kaste initiiert, um von eigenen Problemen abzulenken. Auch dies passt zu einem Pogrom. Andererseits ist es kein Pogrom, weil sich diese gegen Minderheiten im eigenen Land richten und in diesem Fall eine Grenze überwunden werden musste. Auch ist bei einem Pogrom die betroffene Minderheit über einen längeren Zeitraum den Umständen schutzlos ausgeliefert, während im aktuellen Fall nur das dreifache Versagen von Grenzsicherung, Geheimdienst und Militär diesen Akt der Barbarei erst ermöglicht hat.

    Der Begriff Pogrom passt besser als viele andere Begriffe, ist trotzdem aber keine passgenaue Schublade zum Verständnis der Gewalttaten.

    Das ist jetzt etwas off topic, aber damit die Hamas ihre Verbrechen überhaupt begehen konnte, war ein dreifaches Versagen notwendig. Erstens ein Versagen der Grenzschutzanlagen, wie kann es sein, dass die Hamas mit ein paar Planierraupen mehrere Breschen schlagen kann, durch die in wenigen Minuten etwa 1500 leichtbewaffnete Kämpfer auf Pickups auf israelisches Gebiet vordringen können? Wie kann es sein, dass der israelische Geheimdienst bei einer derartig großen Operation mit vielen Beteiligten nichts mitbekommen hat? Wie kann es sein, dass selbst bei einem Versagen des Geheimdienstes der 50. Jahrestag des Jom-Kippur Krieges nicht wenigstens als abstrakte Gefahrenlage gewertet wurde und die Grenze für diesen Zeitraum zusätzlich gesichert wurde?

    Die Angehörigen der Opfer und die verletzten Überlebenden werden die Frage nach diesem dreifachen Versagen sehr nachdrücklich stellen. Ein einfaches Versagen läßt sich einfach durch Pech oder Inkompetenz erklären, bei einem Dreifachversagen wird dies nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung deutlich schwieriger.

  32. #41 wereatheist
    15. Oktober 2023

    Zumindest sollte es wie ein klassisches Pogrom aussehen, und die Botschaft ist auch angekommen, und man wird sehen, was passiert.
    Ich erinnere mich dunkel an einen Dokumentarfilm, in dem mehrere Ex-Chefs des Shin Bet wenig Nettes über Bibi zu sagen hatten.

  33. #42 istdochehegal
    16. Oktober 2023

    Zu Ihren wie es scheint möglichst negativ für mich interpretierten Passagen:
    -Ich halte die Anschläge der Hamas für moralisch falsch, menschlich falsch.
    -Ich halte das Verhalten Israels nicht für Verteidigung, sondern für Rache, Kollektivrache, und ethnische Säuberungen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zur dauerhaften Flucht zu bringen oder zu töten.
    -Dass die einen übel sind, heißt nicht, dass die anderen es nicht sind. Auch in der Charta des Likud soll z.B. stehen, dass ein Staat Palästina niemals existieren soll, gleichzeitig Israel jüdisch-zionistischer Statt sein soll, das geht wohl nur durch Apartheid gegen die, oder Vertreibung, oder Ermordung der Palästinenser.(und, schwer einschätzbar, das 2017er Hamas-Papier ist “milder”).
    Dieses “wir dürfen nicht Israel belehren” ist schön von den Pro-Zionisten etabliert worden. Und gerade jetzt nicht…doch gerade jetzt, wo die ungezielten Racheaktionen passieren. Zu denen westliche Politiker einen Blankoscheck gegeben haben.
    Wenn wir es genau nehmen:
    Ich richte mich gar nicht an Isreal, und niemanden dort, sondern an die Menschen hier, die das (von Ihnen mir aufinterpretierte, bei mir als kindisch bezeichnete) Gut-Böse-Spiel spielen
    -Die Israelische Armee hat auch geköpfte Kinder behauptet, und dann später nicht mehr. Ich halte HRW für deutlich unparteiischer als die israelische Armee.
    -Ja, den Mund halten ist immer das Beste, wenn man nicht mit den Wölfen heult.
    -Natürlich ist das plakativ mit “den Guten”; korrekter ist wohl, immer weniger das Bemühen von Verbesserung zu sehen, sondern immer mehr einen Rückfall in die Nichtanwesenheit von Moral, Verantwortung, etc., während anderes behauptet wird.
    -Na dann, was kann ich tun? In unserem Parteienspektrum sehe ich hier keine realistische Möglichkeit. Spenden an Reporter und Ärzte ohne Grenzen, ja. Ein zumindest einigermaßen bedachter Konsum (wo es denn die Möglichkeit gibt). Aber sonst?

  34. #43 istdochehegal
    16. Oktober 2023

    …und jetzt hab ich mich verleiten lassen, viel zu viel in Richtung Hamas zu schreiben. Die Menschen, die bombardiert werden, sind zum allergrößten Teil Zivilisten. Israel sagt, diese seien menschliche Schutzschilde der Hamas, und damit das Töten deren Schuld, nicht die Israels. In jedem zerbombten Wohnhaus, Krankenhaus, Schule war vielleichtbestimmtwahrscheinlich ein Hamas-Mensch. Überprüfbar ist es eher schwer, moralisch und menschlich ist es falsch.
    In so dicht besiedeltem Gebiet dürfte es aber auch schwer sein, irgendwas sehr weit von Wohnhäusern zu bauen.

  35. #44 Joseph Kuhn
    16. Oktober 2023

    @ istdochehegal:

    “möglichst negativ für mich interpretierten Passagen”

    Mir scheint eher, ich habe Ihre Intention ganz gut getroffen. Je mehr man über Ihre Äußerungen nachdenkt, desto mehr stehen einem die Haare zu Berge und desto mehr wachsen die Zweifel, ob Ihnen wirklich alles nur “eh egal” ist.

    “Ich halte die Anschläge der Hamas für moralisch falsch, menschlich falsch.”

    Wenigstens das.

    “Ich halte das Verhalten Israels nicht für Verteidigung, sondern für Rache, Kollektivrache, und ethnische Säuberungen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zur dauerhaften Flucht zu bringen oder zu töten.”

    Täter-Opfer-Umkehr? Da fehlt nur noch der Zusatz, dass die Israelis den Terrorakt für dieses Ziel provoziert haben. In der AfD kursieren solchen Verschwörungstheorien bereits.

    “Dass die einen übel sind, heißt nicht, dass die anderen es nicht sind.”

    Das ist richtig, aber darauf zu diesem Zeitpunkt zu insistieren, ist klassischer Whataboutismus.

    “Likud … jüdisch-zionistischer Sta[a]t … Ermordung der Palästinenser”

    Das kommt den erfundenen “Protokollen der Weisen von Zion” schon recht nahe.

    “Dieses “wir dürfen nicht Israel belehren” ist schön von den Pro-Zionisten etabliert worden.”

    Von “Pro-Zionisten etabliert”? Aha. Wie dem auch sei, jedenfalls waren die “Pro-Zionisten” recht erfolglos, die Zeitungen sind voll von Ermahnungen an Israel, bei seiner Reaktion das Völkerrecht zu achten. Was auch sonst.

    “Die Israelische Armee hat auch geköpfte Kinder behauptet, und dann später nicht mehr.”

    In der Berliner Zeitung kann man dazu lesen: “Auf die Frage, ob es Fälle von Enthauptungen von Kindern gegeben habe, sagte Israels Armeesprecher Richard Hecht am Montag nur: „Ich weiß es nicht.“”

    “Ja, den Mund halten ist immer das Beste, wenn man nicht mit den Wölfen heult.”

    Die Wölfe waren in dem Fall die Hamas.

    ——-
    Mein Blogbeitrag war eigentlich nicht als Kommentar zum Terrorakt der Hamas gedacht, sondern als Erinnerung daran, dass wir hierzulande noch recht ungefährdet Verantwortung übernehmen können. “Spenden an Reporter und Ärzte ohne Grenzen” sind durchaus eine Möglichkeit.

    Mir ist bewusst, dass Einordnungen des aktuellen Geschehens in Nahost sehr schwierig sind, daher auch der Hinweis darauf, Erklärungen und Rechtfertigungen nicht zu vermischen, die Verantwortung für die eigene Sprache ernst zu nehmen, auch wenn das nicht immer gelingt. Bei zu viel Selbstgewissheit gelingt es sicher nicht. Das “Hamas ist schlimm, aber” ist im besten Fall misslungene Sprache über das aktuelle Geschehen, oft wird es aber auch intentierte Relativierung sein, auf jeden Fall wird es so verstanden.

    Weitere “Ja aber”-Statements werde ich nicht mehr freischalten.

    ——-
    Edit: Kommentar ergänzt.

  36. #45 Staphylococcus rex
    16. Oktober 2023

    @ Joseph Kuhn, an der Abschweifung zu den aktuellen Nahost-Ereignissen bin ich nicht ganz unschuldig. Es war aus meiner Sicht aber notwendig, um auf Probleme in unseren Denkprozessen hinzuweisen.

    Schubladendenken ist evolutionär alt, es hilft uns in einer uns unbekannten Situation schnell zu orientieren und schnell zu handeln, dabei reduziert das Schubladendenken die Zahl unserer Handlungsoptionen. In einer akuten Bedrohungssituation ist dies von Vorteil, in einer komplexen Situation von Nachteil.

    Wut ist eine starke Motivation, aber ein sehr schlechter Ratgeber für komplexe Handlungen. Viele aktuelle Probleme unserer Welt sind komplex und überfordern einfach strukturierte Menschen. Die daraus resultierende Angst und Wut sind der Nährboden, auf dem die Rattenfänger der der AfD, der PIS (und vieler ähnlicher Organisationen) wachsen und Gedeihen. Der sogenannte Wutbürger ist ein Symptom dieser Problematik.

    Die Welt hat schon genügend falsche Propheten und ich werde mich hüten anderen Menschen vorzuschreiben, was richtig und was falsch ist. Gleichzeitig braucht jeder Mensch einen Kompass für seine Entscheidungen. Jeder psychisch gesunde Mensch hat ein Gewissen, das Problem besteht eher darin, diesem Gewissen auch zuzuhören.

    Was also sollte man machen?
    1. Prüfe Deine Denkschubladen. Je schlechter die Schublade paßt, desto größer ist das Risiko für Fehlentscheidungen.
    2. Prüfe Deine Motivation. Wut ist immer ein ganz schlechter Ratgeber.
    3. Prüfe Dein Gewissen. Das ist der Kompass für die richtige Richtung.

    Meine Empfehlungen sind sehr vage gehalten. Um sie nutzbringend anzuwenden, sind zahlreiche eigene Denkprozesse notwendig. Diese (Denk)Arbeit kann ich niemandem abnehmen.

    • #46 Joseph Kuhn
      16. Oktober 2023

      @ Staphylococcus rex:

      “Diese (Denk)Arbeit kann ich niemandem abnehmen.”

      Das Denken kann man in der Tat niemandem abnehmen und dass das Denken keine Rechenaufgabe ist, unterscheidet uns von Maschinen.

  37. #47 PDP10
    17. Oktober 2023

    “Ja, aber”

    “Wir leben in einem Land in dem man selbst auf Nachrichten von den schrecklichsten Gräueltaten gegen Juden ein ‘Ja, aber’ als Antwort bekommt. Es ist nicht aus zu halten. Wenn Israel gerade irgendetwas braucht, dann Solidarität, Unterstützung, Mitgefühl. Aber ganz bestimmt keine Relativierungen und keine Belehrungen. Erst recht nicht in einem solchen Moment und erst recht nicht aus Deutschland. Deutschland war für die Shoah verantwortlich. Und das die Nachfahren der Mörder von Damals meinen den Nachfahren der Überlebenden erklären zu müssen, wie diese für ihre Sicherheit zu sorgen haben und wie nicht ist der Gipfel der Schamlosigkeit. Mehr kann ich dazu nicht sagen.”

    (Christian Ehring in extra 3 vom 12.10.2023)

    Ich auch nicht.

    #WeRemember

    • #48 Joseph Kuhn
      17. Oktober 2023

      @ PDP10:

      “Ja, aber”

      Vielleicht muss ich meine Position noch einmal präzisieren.

      Meine Kritik am “ja aber” bezieht sich ein “aber”, das gewollt oder ungewollt zur Rechtfertigung des Terrorakts führt. Es ist eine spezifische Kritik, keine abstrakte.

      Natürlich darf man ein “aber”, auch viele “abers”, an die Adresse Israels richten (oder an andere Gegenübers). Natürlich sollen sie versuchen, zivile Opfer zu vermeiden, natürlich sollen sie zu gegebener Zeit über ihre eigenen politischen Fehler nachdenken, natürlich spricht die böse Tat der Hamas die Politik Israels moralisch nicht frei und macht schon gar nicht Netanjahu zu einem Ehrenmann. Und gerade weil das so selbstverständlich ist, muss man es nicht jetzt in dieser Situation an die Verurteilung des Terrorakts der Hamas ankleben, als könne diese Verurteilung jetzt nicht erst einmal für sich selbst stehen.

      Wer Israel wirklich belehren kann, auf etwas Unbedachtes hinweisen kann, soll es tun. Aber wer nur darauf hinweisen kann, dass man Unschuldige nicht töten soll, “belehrt” niemanden, sondern instrumentalisiert eine Selbstverständlichkeit in einem Kontext, der die Verurteilung des Terrorakts Hamas zurücknimmt.

      So in etwa. Über vieles muss ich auch noch nachdenken.

      • #49 PDP10
        17. Oktober 2023

        @Joseph Kuhn:

        Vielleicht muss ich meine Position noch einmal präzisieren.

        Wegen mir eigentlich nicht. Mir war schon ungefähr klar worauf du hinaus wolltest. Mein Kommentar richtete sich an die Ja-Abers, die du auch kritisierst. Und ich habe dafür Christian Ehring zitiert, weil er das viel besser auf den Punkt gebracht hat, als ich das könnte.

        Natürlich darf man ein “aber”, auch viele “abers”, an die Adresse Israels richten (oder an andere Gegenübers). Natürlich sollen sie versuchen

        Das ist aber eigentlich kein “ja, aber”, sondern ein “Natürlich sollte man..” oder ein “Natürlich darf man..”. Ein Unterschied wie ich finde. Es gibt auch noch weitere “Natürlich kann man..”. Beispielsweise die Politik einer von Rechtsradikalen bestimmten Agenda einer Israelischen Regierung, die von einem Politiker geführt wird, der wegen Korruption vor Gericht steht kritisieren. Das sind Fakten, die gar nicht zur Diskussion stehen. Nicht mal unter den meisten Israelis, wie die Demonstrationen in den letzten Monaten beweisen.

        Aber ausgerechnet jetzt? Und warum sollte man das jetzt ansprechen? Was hat das alles mit dem Terror der Hamas zu tun? Würde ich mich fragen, wenn das das Thema wäre, was es aber eigentlich IMHO gerade nicht ist.

        Wer sind wir, jetzt (ausgerechnet jetzt) den Israelis zu erklären, dass sie ihren Krieg gegen die Hamas aber (sic!) bitte humanitär einwandfrei zu führen haben?
        (Gottseidank lässt sich gerade dazu keiner von unseren Ampel-Politikern herab. Das Schweigen in der Großmaulecke – Söder, Aiwanger, Lindner, etc. – finde ich übrigens sehr bezeichnend.)

        Wer Israel wirklich belehren kann, auf etwas Unbedachtes hinweisen kann, soll es tun. Aber wer nur darauf hinweisen kann, dass man Unschuldige nicht töten soll, “belehrt” niemanden, sondern instrumentalisiert eine Selbstverständlichkeit in einem Kontext, der die Verurteilung des Terrorakts Hamas zurücknimmt.

        … Das würde ich so unterschreiben. Aber, wie gesagt: Kontext und Zeit. Vielleicht nicht gerade jetzt und vielleicht nicht gerade wir. Und wenn, dann bitte sehr, sehr bedacht.

  38. #50 grummbeermann
    17. Oktober 2023

    “Wer ständig von der Größe und Ehre der Nation redet, hat sichtlich anderes im Sinn, als sich um die Umwelt, um bezahlbares Wohnen, gute Schulen oder eine menschenwürdige Pflege zu sorgen. Für die Größe und Ehre der Nation wurden schon immer Menschen in Gefängnisse gesteckt oder in Kriege geschickt, Krieg für bezahlbares Wohnen oder mehr Pflegekräfte gab es noch nie”
    100% getroffen! Um Grösse, Ehre usw zu beschwören braucht es genau: nichts! Um Probleme zu lösen, Zustände zu bessern, zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen braucht es halt bestimmter Fähigkeiten, die über Maulheldentum hinausgehen.

  39. #51 grummbeermann
    17. Oktober 2023

    Ich muss bei dieser, wohl entglittenen, Diskussion an Chaplin denken: “Ohhhh, da Dschudden!!”…

    https://youtu.be/5WAwF9sFz-w
    https://youtu.be/CEOtlajdTu0
    …und deshalb soll Israel nun die Barbarei einfach so hinnehmen?

    Ebenfalls sehr interessant: https://www.deutschlandfunk.de/kontrovers-krieg-hass-und-terror-welche-zukunft-hat-der-nahe-osten-dlf-3de804bd-100.html
    vor allem, das die meisten der Anrufer nur von “den Juden” gesprochen haben, weniger von “den Israelis”, offenbart für mich einen latenten Antisemitismus. Vielleicht sollte die “ja, (l)aber” – Fraktion mal in sich gehen und sich fragen, was Empathie und Mitgefühl für sie bedeuten.

  40. #52 naja
    17. Oktober 2023

    Deutschland sollte in diesem Konflikt humanitäre Hilfe leisten und zwar ganz vorne mit dabei.

    Ansonsten sollte Deutschland sich fragen, was machen wir gegen den Rechtsruck hier. Wie erreichen wir, dass Menschen zu Recht das Gefühl haben, in einem reichen, sicheren Land zu leben, in dem es Zukunftsperspektiven gibt. Nicht seltsame “früher war alles besser” Perspektiven.

    Hat irgendjemand eigentlich Söder und Aiwanger noch mal angesprochen, die Brandmauer gegen den Antisemitismus? Ich fände es sehr begrüßenswert, hier wirklich nachzubohren und eine ehrliche mediale Debatte über Rassismus und Antisemitismus in Deutschland zu führen. Die nicht nur konstatiert, dass es antisemitische Muslime in Deutschland gibt, sondern dass Antisemitismus und Rassismus in Deutschland ein zunehmend größeres Problem ist.

  41. #53 PDP10
    17. Oktober 2023

    Übrigens …

    Die Taz hat mal vor langer Zeit eine Handreichung extra für istdochehegal im Besonderen und für alle anderen auch im Allgemeinen veröffentlicht (in der Rubrik “Die Wahrheit” und alles was da steht ist wahr!), und jetzt aus gegebenem Anlass noch mal veröffentlicht:

    Der ewige Israeli.

    • #54 Joseph Kuhn
      18. Oktober 2023

      @ PDP10:

      Manches aus der taz-Glosse passt nach meinem Empfinden jetzt nicht mehr, und hat möglicherweise schon bei der ersten Veröffentlichung 2012 nicht wirklich gepasst.

      Mir ist im Moment eher so zumute wie Maximilian Steinbeis im Editorial des letzten Verfassungsblogs:

      “Der Ausbruch der Covid-Pandemie, der Angriffskrieg gegen die Ukraine – Maßstäbe waren gefragt, mittels derer man das amorphe Grauen in Recht und Unrecht unterscheiden, Standpunkte, mittels derer man dem Blick auf das Geschehen eine normative Richtung geben kann. Jetzt, nach dem seit letztem Wochenende von der Terrororganisation Hamas verübten Massaker in Israel, scheint alles anders zu sein. Wir verspüren eine eigentümliche Sprach- und Ratlosigkeit (…).”

      Man wird die Sprache zu den Geschehnissen in Nahost sicher bald wiederfinden, vielleicht gerade auch indem man sich an verunglückten Versuchen abarbeitet. Was mich angeht, lese ich im Moment allerdings lieber dazu, als zu schreiben.

  42. #55 Uli Schoppe
    19. Oktober 2023

    PDP10
    17. Oktober 2023

    Wer sind wir, jetzt (ausgerechnet jetzt) den Israelis zu erklären, dass sie ihren Krieg gegen die Hamas aber (sic!) bitte humanitär einwandfrei zu führen haben?

    Naja, das dürfen wir auch Israelis erklären. Wobei ich gerne mal einen humanitär einwandfreien Krieg als Beispiel hätte. Ich finde einfach keinen. Das Problem sehe ich eher da das sich so viele nur so empören wenn Israelis Krieg führen bei dem ganz klar einkalkuliert ist das Zivilisten umkommen. Bei Anderen scheint das für genau die gleichen Menschen eher eine kleinere Sünde zu sein. Das empfinde ich als antisemitisch. Das sich Israelis in diesem Fall unmenschlich benehmen ist ja nun nicht gerade deren Alleinstellungsmerkmal. Ich wünsche mir das genau diese Leute auch mal den Mund aufbekommen wenn sie Gruppen kritisieren müssen die ihnen viel besser in die Agenda passen. Das wäre unsere Verantwortung. Und zB mal nicht dem Schüren von Antisemitismus durch die Türkei zuzuschauen bloß weil die in der NATO sind. DIe Hamas Mörderbande wird ja nicht nur von den üblich Vorgetragenen gestützt. Man findet wenn man will bestimmt genug Kriege die man mit klammheimlichem Vergnügen für gerecht erklärt die aber das sind was alle Kriege sind: Nie gerecht.

  43. #56 Staphylococcus rex
    19. Oktober 2023

    Eine Sache, die man in der jetzigen Zeit auf jeden Fall machen kann, ist Aufklärung. Der aktuelle Konflikt ist nicht nur ein Krieg am Boden und in der Luft, sondern auch ein Krieg um die Köpfe.

    Die Rakete in/bei dem palästinensischen Krankenhaus hat für sehr viel Empörung gesorgt. Für Außenstehende etwas irritierend war das israelische Gegenargument mit den Einschlagskratern. Zum Verständnis hilft vielleicht der folgende Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Qassam-Rakete

    Wenn Informationen als Waffe missbraucht werden, müssen alle verfügbaren Informationen kritisch gewertet und hinsichtlich ihres Manipulationsrisikos geprüft werden. Das Einschlagsmuster ist z.B. eine sehr sichere Information, bei dem auch verschiedene Quellen verglichen werden können. Aus dem Einschlagsmuster können die Sprengkraft und die Art des Sprengkopfes extrapoliert werden. Die hohe Zahl an Opfern und das Fehlen eines Kraters ist mit einer Qassam-Rakete mit einer Spreng- und Splitterwirkung vereinbar. Bei der einfachen Bauweise (Feststoffrakete mit einem Stahlrohr) kann ein Fehler in einer Schweißnaht eine plötzliche Kursabweichung und Absturz einer derartigen Rakete erklären. Bei der Vielzahl an abgeschossenen Raketen steigt das Risiko, dass ein Irrläufer wichtige eigene zivile Infrastruktur trifft.

    Im Kampf gegen verschanzte Kämpfer sind Sprengkörper mit Penetrationswirkung von Vorteil, die israelischen Argumente sind in sich schlüssig. Eine Argumentation auf der Basis begrenzter Indizien hat ihre Grenzen, kann aber vor voreiligen Schlussfolgerungen bewahren.

  44. #57 wereatheist
    Berlin, aber nicht Hamastan-Neukölln
    19. Oktober 2023

    @Uli Schoppe:

    was alle Kriege sind: Nie gerecht.

    In der Konsequenz bedeutet das, nicht mal die Verteidigung gegen einen Angriff ist akzeptabel.
    Du kannst das vertreten, aber ich fürchte, dass es die Welt nicht besser macht. Jejenteil.

  45. #58 wereatheist
    19. Oktober 2023

    Nachdem ich mir die Fotos auf der Tagesspiegel-Site angesehen habe, mit ca. 1 Dutzend ausgebrannter Autos auf dem Parkplatz, ist mein vorläufiger Stand:
    1. kann das gut eine abgeschmierte Qassam(*) -Rakete
    gewesen sein (vorher dachte ich an größeres Kaliber)
    2. Hamas-Funktionäre lügen offenbar zwanghaft.
    300 oder gar 500 Tote gabs da garantiert nicht
    3. Journalisten, die Angaben wie (exakt) “471 Todesopfer” stracks weiterverbreiten sind Teil des Problems.
    *: Die Qassams sind in Bauart, Reichweite und Wirkung ähnlich den sowjetischen Katyushas, die die Oppas & Ommas als “Stalinorgel” kennen (lernen mussten).

  46. #59 Uli Schoppe
    19. Oktober 2023

    @wereatheist Es bedeutet schlicht das es keinen gerechten Krieg gibt…

  47. #60 wereatheist
    19. Oktober 2023

    Dass es einen Beidseitig-gerechten Krieg geben könnte,
    glaubt doch niemand mehr. Fortschritt!

  48. #61 Uli Schoppe
    19. Oktober 2023

    DIe Art und Weise der Kriegsführung lässt einfach keine Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten zu. Wenn Du nur Rache willst: Wenn man die Toten zählt hat man sie wohl bekommen. Mehr als Auge um Auge.

  49. #62 wereatheist
    20. Oktober 2023

    Man muss mal die kacke Bibel in Schutz nehmen:
    Das “Auge um Auge, Zahn um Zahn” Textstück ist gerade gegen Rachephantasien und Gewaltekzesse gerichtet.

  50. #63 hto
    wo das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch eigentlich ...
    20. Oktober 2023

    @wereatheist: Das “Auge um Auge, Zahn um Zahn” Textstück ist gerade gegen Rachephantasien und Gewaltekzesse gerichtet.”

    So weit so gut, aber wenn das NT richtig interpretiert wird, dann bleibt die Gewalt einseitig, indem das Opfer auch noch die andere Seite hinhält – Besonders weil Jesus angeblich den Tod für Mensch überwunden hat!? Der besondere Blick sei gerichtet auf den Begriff Tod (die “Gnade Gottes”), sonst bleibt es wahrhaftig bei: “kacke Bibel”. 😉

  51. #64 Uli Schoppe
    20. Oktober 2023

    Das ist grundsätzlich richtig. Es beschränkt und soll ein Übermaß verhindern.

    Im Zusammenhang mit dem jüdischen Glauben sollte man deshalb auch vorsichtig sein genau damit zu argumentieren. Die Gegenüberstellung einer dort so angenommenen jüdischen mit einer ach so anderen christlichen Rechtsauffassung ist einfach Antijudaismus.
    Ich hatte persönlich auch bisher den Eindruck das bei der Einschätzung der israelischen Handlungsweise von außen gerade an dieser Stelle eher persönliche Rachevorstellungen nach oben kommen.

  52. #65 uwe hauptschueler
    20. Oktober 2023

    Solange wie man Religion als eine Ursache der Misere in Palästina, meiner Meinung die Hauptursache, verleugnet, wird sich an den Zuständen nichts ändern.

  53. #66 Christian
    20. Oktober 2023

    Religion an sich ist genausowenig die Ursache für eine “Misere” wie der Hammer die Ursache für ein Loch im Schädel ist. Es sind stets die Menschen, die etwas “bestimmungsgemäß” benutzen können oder eben nicht.

  54. #67 wereatheist
    20. Oktober 2023

    Religion ist schon oft Ursache, oder sagen wir ein Verstärker irrationalen Handelns.
    Das heißt aber noch lange nicht, dass Der Islam (den es nicht gibt) zwingend einen exterminatorischen Judenhass vorschreibt, oder dass israelische Nationalreligiöse die Essenz des Judentums darstellen.

  55. #68 uwe hauptschueler
    20. Oktober 2023

    „Wenn die heiligen Monate
    abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf!“ (Sure 9, Vers 5)

    5 Mose, 12:3 – und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Säulen und verbrennt mit Feuer ihre Haine, und die Bilder ihrer Götter zerschlagt, und vertilgt ihren Namen aus demselben Ort.

    @Christian
    Wer wäre denn für die “bestimmungsgemäße” Umsetzung dieser Verse verantwortlich und wie müßte sie Ihre Meinung nach aussehen?

  56. #69 Neumann
    21. Oktober 2023

    Zur Verantwortung gehört erst einmal die Verwendung des eigenen Verstandes.
    Es reicht nicht sich dem Mainstream anzuschließen.

    Der Staat hat ein Machtmonopol, er hat das Machtmonopol innerhalb seines Staatsgebietes. Und er hat das Recht auf Selbstverteidigung.
    Im gegenwärtigen Falle wird der einen Seite der Status eines eigenen Staates verweigert !

    Wenn man also Gerechtigkeit in die Diskussion einführt, dann und nach Ursachen forscht, dann gehört der Status der Kombattanten völkerrechtlich geklärt.

  57. #70 Uli Schoppe
    21. Oktober 2023

    Christian
    20. Oktober 2023

    Religion an sich ist genausowenig die Ursache für eine “Misere” wie der Hammer die Ursache für ein Loch im Schädel ist. Es sind stets die Menschen, die etwas “bestimmungsgemäß” benutzen können oder eben nicht.

    Die Waffenlobby findet es bestimmt toll wie fein man Ihre Argumentation in abgewandelter Form überall gebrauchen kann ^^ Die Wiederlegung einer solchen Argumentation ist Legion um es mal biblisch zu sagen …

    uwe hauptschueler
    20. Oktober 2023

    Wer wäre denn für die “bestimmungsgemäße” Umsetzung dieser Verse verantwortlich und wie müßte sie Ihre Meinung nach aussehen?

    Du. Wie wir alle anderen auch. Nicht als autöritäre Persönlichkeit leben und keine mehr aufkommen lassen.
    Und von Umsetzung in Form von Ausführen redest nur Du. Du willst das Dir jemand auf etwas anwortet was er gar nicht fordert und das dann auch noch verteidigt.

  58. #71 wereatheist
    21. Oktober 2023

    Wo in uwes Koran “Heiden” steht, findet sich in meinem stattdessen das Wort “Götzendiener”.
    Damit sind Juden & Christen schon mal fein raus.
    Nicht, dass dies die Stelle so recht “nett” macht.

  59. #72 Staphylococcus rex
    25. Oktober 2023

    Die Diskussion über die Frage, wie man Israelis und Palästinenser dazu bringen kann, wieder miteinander zu reden, sollte vielleicht besser hier fortgeführt werden und nicht bei der Westminster Deklaration.

    Erst einmal wäre schon viel gewonnen, wenn beide Seiten einsehen würden, dass beide Seiten im gleichen Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt gefangen sind.

    Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müssen seine Mechanismen verstanden werden. Dieser Teufelskreis stabilisiert sich selbst, jede Gewalt von einer Seite schwächt die moderaten Kräfte auf der anderen Seite. Selbst wenn plötzlich von einer Seite ein ehrliches Gesprächsangebot käme, fehlt auf der anderen Seite schlicht der passende Verhandlungspartner.

    Nach der Ermordung Rabins haben sich Ariel Sharon und Benjamin Netanyahu als Totengräber am Friedensprozess beteiligt. Sie haben diesen Teufelskreis in Gang gesetzt und haben den Boden bereitet, auf dem die Hamas wachsen und gedeihen konnte. Hat Netanyahu ein Interesse daran, diesen Teufelskreis zu durchbrechen? Diese Frage müssen die israelischen Wähler bei der nächsten Wahl beantworten.

    Die Hamas ist die Geißel Israels, aber sie ist auch das Krebsgeschwür der Gaza-Palästinenser. Die Menschen im Gaza-Streifen leben von Almosen, die sie aus Israel, von der EU und von der Hamas bekommen. Die Menschen im Gaza-Streifen haben aber nicht nur Anspruch auf Almosen, sondern auch auf eine echte Perspektive. Wenn man sieht, wieviele Ressourcen die Hamas in einen Konflikt steckt, der nur ihr allein nutzt, wenn man sieht wie die Hamas dabei ihre eigene Bevölkerung ihrer Perspektive beraubt und die eigenen Leute als menschliche Schutzschilde missbraucht, dann sollte jedem klar sein, dass die größten Nutznießer einer Entmachtung der Hamas die Palästinenser selbst sind und dass sie diese Aufgabe in die eigenen Hände nehmen müssen und nicht der israelischen Armee überlassen dürfen.

    Israelis und Araber waren nicht immer Feinde. Vor etwa einer Woche lief eine interessante Reportage auf n-tv über die frühen Anfänge des Nahostkonflikts. Nach dem ersten Weltkrieg und dem Zerfall des osmanischen Reiches gab es Verhandlungen zwischen den Haschemiten und der jüdischen Siedlungsbewegung über eine jüdische Autonomie in einem großarabischen Königreich (aus Syrien, Irak, Libanon, Jordanien und Palästina) mit der Grundidee jüdisches Fachwissen und arabische Arbeitskraft zu nutzen, um gemeinsam einen modernen Staat aufzubauen. Dieses Projekt scheiterte daran, dass Frankreich unbedingt seine kolonialen Ambitionen mit seinem Mandatsgebiet in Syrien ausleben musste und den Briten die Allianz mit Frankreich wichtiger war als die Interessen der Araber.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Hussein-McMahon-Korrespondenz
    Vor einhundert Jahren wurden wichtige Chancen vertan, die Grundidee jüdisches Fachwissen und arabische Arbeitskraft könnte aber auch heute noch funktionieren.

    Der Nahostkonflikt geht schon so lange und hat auf beiden Seiten soviele Opfer gekostet und soviel Leid gebracht, dass für die Gesamtbetrachtung die Schuldfrage ihren Sinn verliert. Beide Seiten sind verantwortlich für unendliches Leid auf der jeweils anderen Seite. Ohne Schuldfrage und ohne den Ballast der Vergangenheit ist es einfacher sich auf die Lösung der Probleme der Zukunft zu konzentrieren. Die aktuellen Kriegsverbrechen der Hamas würde ich hier ausklammern, für dieses Problem muss eine separate Lösung gefunden werden.

  60. #73 hto
    wo Schuld- und Sündenbocksuche ...
    26. Oktober 2023

    @St. rex: “Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müssen seine Mechanismen verstanden werden.”

    Dazu ist es aber ein “Kardinalsfehler”, gleich wieder bei Israel und den Feinden Israels anzufangen – Der Mechanismus / die Verantwortung ist global-universell!?

  61. #74 Staphylococcus rex
    26. Oktober 2023

    @hto, weder bin ich auf einem Kreuzzug noch habe ich die Mission, die Welt zu retten. Ich fange lieber einige Nummern kleiner an und versuche wenigstens EINEN Konflikt Stück für Stück zu verstehen.

    Das ist zwar etwas off topic, aber auch auf Arbeit habe ich u.a. mit der Lösung von Konflikten zu tun. Und von dort habe ich einen Grundsatz mitgenommen. Gerechtigkeit ist eine rein subjektive Wahrnehmung und entsteht ausschließlich im Kopf der betroffenen Person. Gerechtigkeit kann ich nicht liefern und ich versuche es auch gar nicht erst. Aber ich kann zuhören und analysieren, um welche Interessen es in diesem Fall geht (der Teil des Konflikts, der übrig bleibt, wenn man die konkrete Personen austauscht). Eine Bewertung und einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen betrachte ich als meine Dienstaufgabe. Schuld ist immer nur ein kleiner Teilaspekt eines Konflikts und die einseitige Fokussierung auf die Suche nach dem oder den Schuldigen versperrt die Suche nach einer Problemlösung.

  62. #75 Britta
    30. Oktober 2023

    Ich denke das Was da nun seit Mitte Oktober in Gaza geschieht wird in einem Weltkrieg münden.

    • #76 Joseph Kuhn
      30. Oktober 2023

      … abgesehen davon, dass das natürlich nicht ausgeschlossen ist, wundert mich die Einfallslosigkeit der Russentrolls bei solchen Verunsicherungskampagnen. Bei jeder Krise der gleiche Sermon. Oder werden solche tiefgründigen Botschaften auf Anweisung geschrieben?

  63. #77 Britta
    30. Oktober 2023

    @Joseph Kuhn Merke schon nur weil man Angst hat , ist man gleich ein Russentroll.

    • #78 Joseph Kuhn
      30. Oktober 2023

      Nein, aber wenn das Schema F wiederkehrt, Frauenname, ähnlich aufgebaute Mail-Adresse, gleiche kurze Verunsicherungspostings …

      Sie können ja gerne glaubhaft machen, dass Sie kein Russentroll sind. Warum anonym posten, “nur weil man Angst hat”?

  64. #79 PDP10
    30. Oktober 2023

    @Joseph Kuhn:

    Du kannst ihre IP Adresse ja mal spasseshalber bei einem Tool wie https://www.iplocation.net/ oder https://whatismyipaddress.com/ip-lookup eingeben.

    Wenn die in oder um St Petersburg ist … Da sitzen eine Menge russische Troll-Fabriken.

    (Wobei die Lokalisierung nicht unbedingt supergenau ist. Meine IP zB. wird aktuell von diesen Tools in Bayern vermutet … 🙂 )

  65. #80 Dr. Webbaer
    31. Oktober 2023

    Erst einmal wäre schon viel gewonnen, wenn beide Seiten einsehen würden, dass beide Seiten im gleichen Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt gefangen sind. [Kommentatorenfreund ‘Staphylococcus rex]

    Es könnte so sein, dass die eine Seite ideologisch und charakterlich (“eingebrannt”) einen nie zum Halt kommenden rücksichtslosen Krieg führt?
    So dass dann zuvörderst auf dieser Seite etwas ‘einzusehen’ wäre?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  66. #81 Alisier
    31. Oktober 2023

    Charakterlich (“eingebrannt”), na klar…..
    Sonst noch irgendwelche (proto)rassistischen Stereotype?
    Zum wiederholten Male: was für einen mir völlig schleierhaften Grund könnte es geben, diesen …… immer wieder tief ins fremdenfeindliche Drecksfass langen und den dort gefunden Schmutz hier völlig hemmungslos verteilen zu lassen?
    Hetze bleibt Hetze und genau die wäre nicht nur jetzt möglichst zu vermeiden und zu unterbinden.

  67. #82 Alisier
    31. Oktober 2023

    Übrigens: der Thread hier ist u.A. mit “Unsere Verantwortung” überschrieben.

  68. #83 Britta
    2. November 2023

    @ #76 ich denke halt um diesen Konflikt zu beschreiben bedarf es nicht vieler Worte .Man kann sich halt ausmalen was passiert ,wenn sich andere Länder zb der Iran einmischen .Das würde meiner meinung nach eine Kettenreaktion auslösen. Und als Mutter besorgt mich das schon.

    • #84 Joseph Kuhn
      2. November 2023

      @ Britta:

      Als Mutter haben Sie doch sicher nicht nur Verunsicherungs-Botschaften, sondern auch Ermutigendes gegen das lähmende Entsetzen?

      Soll man z.B. spenden, oder gegen Antisemitismus demonstrieren, oder sich gegen Fake News im Zusammenhang mit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Russlands auf die Ukraine engagieren usw.?

      Was sagen Sie denn Ihren Kindern? Lasst alle Hoffnung fahren?

  69. #85 Staphylococcus rex
    2. November 2023

    @ Webbaer #80, Begriffe wie “charakterlich eingebrannt” empfinde ich hier als deplatziert. Charakter ist die Beschreibung eines Individuums und das Individuum hat die Fähigkeit zur freien Willensentscheidung. Für manche Personen mag der Weg bis zur Ausübung dieser freien Willensentscheidung weiter sein als für andere, da vorher eingefahrene Denkmuster durchbrochen werden müssen, dies ändert aber nicht an der Grundaussage.

    In Palästina herrscht Krieg, die Massaker der Hamas vom 07.10. sind als Kriegserklärung zu werten und die militärische Front verläuft im Gaza-Streifen zwischen der Hamas und der israelischen Armee.

    Der Konflikt selbst ist aber bedeutend komplexer als der militärische Anschein. Es gibt den nationalen Konflikt zwischen Israelis und Arabern, es gibt den religiösen Konflikt zwischen Juden und Moslems und es gibt den Konflikt zwischen demokratiefeindlichen religiös-fundamentalistischen sowie nationalistischen Kräften einerseits und der “normalen” Bevölkerung andererseits, die einfach nur ein normales friedliches Leben will.

    Die Gräben zwischen Israelis und Arabern und auch die Gräben zwischen Juden und Moslems sind überbrückbar, solange sie nicht ideologisiert werden. Dagegen sind die Gräben zwischen Organisationen wie der Hamas (und ähnlichen) sowie in Israel der religiösen Rechten und radikalen Siedlerbewegung nicht überbrückbar. Allerdings haben Hamas und Likud-Block auch gar kein Interesse daran, ihre Gräben zu überwinden, sie brauchen einander als Feindbild, um ihrer jeweiligen säkularen Bevölkerung den Gedanken an Versöhnung auszutreiben und das Risiko zu minimieren nach einem Frieden in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Der aktuelle Krieg ist für Hamas und Likud das Lebenselixier und eine win-win Situation, weil die bestehenden Gräben damit für die nächsten 10-15 Jahre zementiert werden und der jeweilige Machterhalt für diese Zeitspanne gesichert ist.

    Den Begriff säkular benutze ich hier im weitgefaßt im Sinne der Trennung von Staat und Religion und er schließt auch all die Gläubigen ein, welche diese Trennung von Staat und Religion akzeptieren. Um diesen Konflikt zu lösen, müssen auf beiden Seiten die demokratiefeindlichen fundamentalistischen und nationalistischen politischen Gruppierungen entmachtet werden. Ich weiß nicht, ob ich dies zu Lebzeiten noch erleben werde.

    Das säkulare Israel hat mein Mitgefühl und meine bedingungslose Unterstützung. Der aktuellen politischen Führung in Israel unter Netanyahu stehe ich dagegen ambivalent gegenüber. Ähnliche Gedankengänge dürften auch der Grund für den politischen Eiertanz der Bundesregierung bei der Enthaltung zur aktuellen Resolution im Sicherheitsrat sein.

    PS: Das ist jetzt etwas off topic, aber in Deutschland gibt es bei Katholiken und Protestanten das Konzept ökumenischer Gottesdienste. Gibt es eigentlich Konzepte, wie Juden und Moslems einen ökumenischen Gottesdienst abhalten können?

  70. #86 wereatheist
    2. November 2023

    mit

    Trennung von Staat und Religion

    ist Israel nicht gut beschrieben, es gibt z.B. keine Zivilehe (beim Standesamt).
    Ehen werden durch Rabbiner oder Popen oder… besiegelt.
    Gemischtkonfessionelle Paare heiraten “einfach” auf Zypern (standesamtlich).
    Diese Ehen werden dann auch vom Staat Israel anerkannt.

  71. #87 Britta
    3. November 2023

    @Joseph Kuhn #84
    Ähm Nein ich sage meinen Kindern nicht lasst alle Hoffnung fahren .Erstens weil ich selbst Hoffe das es nicht zum Weltkrieg ausartet, und zweitens sind sie noch zu klein.Aber davon mal abgesehen selbst wenn sie so alt wären um es zu verstehen ,würde ich meine Kinder nicht verrückt machen.

    • #88 Joseph Kuhn
      3. November 2023

      @ Britta:

      Und wie begründen Sie Ihre Hoffnung? Was macht Ihnen Mut? Was tun Sie vielleicht sogar selbst, damit die Zukunft am Horizont einen Silberstreif aufweist?

  72. #89 Britta
    3. November 2023

    Es mag villeicht Naiv klingen,aber meine Hoffnung begründe ich damit,das als die ersten beiden Weltkriege stattfanden ,es noch keine Atomwaffen gab,Heute aber schon .Also um es kurz zu sagen ich setze hier mal auf den Gesunden Menschenverstand, auf der anderen Seite verunsichert es mich schon was da in der Welt grad so los ist.

  73. #90 Staphylococcus rex
    5. November 2023

    “Stell Dir vor es ist Krieg und Keiner geht hin.”
    https://www.spiegel.de/geschichte/graffiti-stell-dir-vor-es-ist-krieg-und-keiner-geht-hin-a-1062067.html

    Die Hamas hat den nächsten Zyklus im Nahostkonflikt aus Gewalt und Gegengewalt mit einem Massaker und fürchterlichen Kriegsverbrechen eröffnet. Der Staat Israel hat selbstverständlich das Recht zur Selbstverteidigung. Aktuell folgt der Konflikt dem “bewährten” Drehbuch früherer Gewaltausbrüche. Das besondere an diesem Konflikt ist die extreme Asymmetrie, ohne reguläre Armee kann die Hamas keine offene Feldschlacht gegen Israel führen, die Kriegserklärung durch die Hamas war eine Einladung an die israelische Armee zum Häuserkampf mit hohen Verlusten auf beiden Seiten, noch höheren zivilen Opfern und einer kompletten Zerstörung der lokalen Infrastruktur. Grob geschätzt wäre bei etwa 1000 toten israelischen Soldaten, ca. 10 000 toten Hamas-Kämpfern und ca. 100 000 toten Zivilisten der Punkt erreicht, wo die militärischen Führer ihre Kriegsziele als erfüllt betrachten können und der internationale Druck so groß wird, dass an diesem Punkt die Kriegshandlungen beendet werden und der Konflikt für etwa ein Jahrzehnt eingefroren wird.

    Ist dieses Szenario gewünscht? Ist es unvermeidlich? Fangen wir damit an, dass bei einem Häuserkampf es nicht nur 200 israelische Geiseln gibt, deren Leben bedroht ist, sondern dass die Hamas etwa 2 Millionen Palästinenser als Geiseln und menschliche Schutzschilde missbraucht. Nur einmal angenommen, Israel hätte sich nach dem 07.10. gegen eine große Offensive entschieden, hätte den Gaza-Streifen komplett abgeriegelt und lediglich Drohnen-Angriffe gegen Punktziele durchgeführt, was hätte dies für die Hamas bedeutet? Die Hamas trägt die Verantwortung für die Zivilbevölkerung und könnte dann dieser Verantwortung nicht mehr gerecht werden, nachdem sie in ihrem Hochmut den Krieg erklärt haben. Die Freude über den Anfangserfolg wäre sehr schnell der Ernüchterung gewichen.

    Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet Israel nach einem Einmarsch für die Bevölkerung im Gaza-Streifen zu sorgen. Ohne israelischen Einmarsch ist dagegen einzig und allein die Hamas für das Elend der Zivilbevölkerung verantwortlich. Aus meiner Sicht hätte Israel jedes Recht der Welt gehabt zu verlangen, dass die Blockade erst aufgehoben wird, wenn die Hamas entwaffnet ist und die Macht im Gaza-Streifen an eine Zivilregierung übergeben ist. Diese Strategie ist wahrscheinlich nicht mehr umsetzbar, da das Gewaltscenario bereits zu weit fortgeschritten ist und bestenfalls eine Option für die Zukunft für die nächste Eskalationsrunde.

    Die wichtigen Entscheidungen werden aktuell im israelischen Generalstab getroffen. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass längst nicht alle diese Entscheidungen zwangsläufig sind und möchte die Frage in den Raum stellen, hat die Hamas 200 Geiseln oder 2 Millionen Geiseln?

  74. #91 hto
    wo der Beton in den Köpfen ...
    5. November 2023

    “Stell Dir vor es ist Krieg und Keiner geht hin.”

    Wer ist Keiner??? Verfluchtnochmal!!! 🙁