Wissen

Vor wenigen Jahren ist das Buch „Die Epistemisierung des Politischen“ des Soziologen Alexander Bogner erschienen. Der Untertitel lautet „Wie die Macht des Wissens die Demokratie gefährdet“. Dieser Untertitel mag irritieren, schließlich wünschen wir uns angesichts von Klimawandel, Artenschwund, weltweitem Hunger und anderen globalen Problemen, die Politik möge doch mehr auf die Wissenschaft hören und Vernunft annehmen, statt der Zerstörung der Welt zuzusehen oder sie gar noch zu voranzutreiben.

Mehr Evidenzbasierung des politischen Handelns wäre natürlich gut, aber Bogner weist zurecht darauf hin, dass die Politik Interessenkonflikte nicht als Wissensfragen präsentieren darf und Lösungen als scheinbar alternativlos, weil wissenschaftlich geboten, ausgeben. Die Datenlage determiniert nie das, was zu tun ist, das wäre schlicht ein Sein-Sollen-Fehlschluss und Handlungsalternativen sind meist nicht neutral im Hinblick auf die damit verbundenen Interessen.

Macht

In der Tech-Szene setzt man dagegen ganz bewusst darauf, dass alle Probleme, die wir haben, als technische Probleme zu formulieren und zu lösen sind. Es ist kein Zufall, dass viele Tech-Milliardäre an diesem „Solutionismus“ Gefallen finden. Sie würden gerne die Lösungen anbieten, vielleicht auf dem Mars, wenn man sie doch nur ließe und nicht durch demokratische Fesseln behindern würde. Sie stehen nicht für die antiautoritäre Nerdkultur des frühen Internets, sondern für einen egomanen autoritären Libertarismus. Das geht daher einher mit einem anderen modernen Schlagwort, der „Disruption“. Damit wird der radikale Bruch mit bisherigen Verfahren und Institutionen bezeichnet, um durch Zerstörung etwas Neues entstehen zu lassen, aus der Hand der Visionäre, die dazu das Geld und den Mut haben, sozusagen Schumpeter für Reiche. Der frühere FPD-Chef Christian Lindner war ein Fan disruptiver Politik, er wollte etwas „mehr Musk und Milei“ wagen, formuliert wie eine Gegenthese zu Brandts „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Wobei das damals auch „disruptiv“ war, nur nicht technokratisch elitär verstanden.

Das technokratisch-disruptive Denken ist erkennbar anschlussfähig an die Begriffswelt des frühen Faschismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dort gab es ebenfalls eine Verherrlichung der Tat, der Entscheidung, der Beschleunigung und der Technik. Das Alte sollte dem Neuen Platz machen. Was dem im Wege stand, wurde nach Carl Schmitts Politikverständnis als „Feind“ identifiziert und aus dem Weg geräumt, im deutschen Nationalsozialismus auch alles, was „schwach“ war, was nicht folgen konnte oder wollte oder was nicht zum Bild des arischen Übermenschen gepasst hat.

Technik

Diesen Parallelen geht der Osnabrücker Philosoph und Mathematiker Rainer Mühlhoff in seinem vor kurzem veröffentlichten Buch „Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“ nach. Er beschreibt das Mindset des neuen Futurismus, seine elitären und inhumanen Elemente, dazu die technischen Komplemente etwa bei der subsymbolischen KI. Und er beschreibt, was dabei die Tech-Szene mit den Protagonisten der „Dunklen Aufklärung“ um Leute wie Curtis Yarvin oder Hans-Hermann Hoppe verbindet. Demokratische Gesinnung ist es nicht.

Die deprimierenden Entwicklungen in der Welt – Klimawandel, Kriege, Hunger usw. – und dass das liberale Versprechen „Wohlstand für alle“ nicht eingelöst wird, die Globalisierungsgewinne nicht gerecht verteilt werden, lässt viele Menschen fragen, ob die liberale Demokratie nicht ein falsches Versprechen war und das Recht, zu wählen, nicht viel wert. Das macht Hoppes Forderung, die Demokratie, „den Gott, der keiner ist“, zu stürzen, kaputt zu machen, was einen kaputt macht, verführerisch.

Demokratie

Wer in dieser Situation Disruption als politische Reformstrategie empfiehlt, jenseits der banalen Tatsache, dass man manchmal bürokratisches Paragrafengestrüpp roden muss, wer also im politischen Fundament mehr Musk und Milei will, sollte Antworten mitliefern, wie das demokratisch gehen kann. Wie kann eine disruptive Politik aussehen, die nicht die Vorstellungen einer Elite gewaltsam durchsetzt, der es nicht gleichgültig ist, wenn Schwache dabei unter die Räder kommen, die darauf achtet, dass am Ende alle profitieren und nicht nur Auserwählte oder solche, die sich dafür halten.

Ohne gute Antworten sind vielleicht doch die langsameren, umständlicheren, partizipativeren, inklusiven Verfahren, die wir haben, vorzuziehen. Man kann sie ja verbessern. Autokratische Systeme sind zudem auch nicht per se „effizienter“, sie sind nur rücksichtsloser. Effizienz ist immer danach zu bemessen, welches Ziel verfolgt wird. Die Möglichkeit, dass sich alle in die demokratische Willensbildung einbringen können, sollte eines der politischen Ziele in Deutschland bleiben. Diese Möglichkeit musste historisch mühsam erkämpft werden, einmal verloren, wird sie nicht einfach wieder zurückzubekommen sein.

Zwei Bücher im stummem Dialog. Foto: JK

Kommentare (20)

  1. #1 M. Hahn
    25. Juli 2025

    Interssante Gedanken. Die Dichte an spannenden Ausfahrten ins Internet ist diesmal ziemlich hoch. Man muss schon aufpassen, den Weg zurück beim Lesen immer wieder zu finden.
    Eine Einzelmeinung in diesem Zusammenhang (“Gegen Demokratie” von Jason Brennan) habe ich vor Jahren einmal gelesen. Danke für den nochmaligen Hinweis auf Bogners Buch.

    • #2 Joseph Kuhn
      25. Juli 2025

      @ M.Hahn:

      Danke für den Hinweis auf Jason Brennan und sein Buch “Gegen Demokratie”. Kannte ich nicht.* Es scheint eine gemäßigte Variante von Hoppe zu sein. Seine bei Wikipedia zitierte rein instrumentelle Bestimmung der Demokratie als Werkzeug, “Wenn ich die Demokratie mit einem Hammer gleichsetze, will ich sagen, dass sie ein Mittel zum Zweck, aber kein Selbstzweck ist” würde ich mit Blick auf Art. 1 GG und des darin zum Ausdruck gebrachten kategorischen Imperativs Kants ablehnen. Auch ganz persönlich will ich nicht ohne jedes Mitspracherecht geführt werden, auch nicht zu meinem Glück gezwungen werden.

      Brennan hat Trumps erste Wahl 2017 zurecht als “Tanz der Trottel” bezeichnet, aber die Schlussfolgerungen, die er zieht, teile ich nicht. Da halte ich es lieber mit der Lektion 1 aus Trumps Demokratieschule. Ich glaube, wenn es darauf ankommt, würde ich lieber elitären Trotteln wie ihm das Wahlrecht entziehen als der Aldi-Verkäuferin, auch wenn die vielleicht für solche elitäre Trottel schwärmt.

      —————–
      * Kannte ich doch, habe ihn aber vergessen: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2019/12/15/klimawandel-kernenergie-und-risikowahrnehmung/?all=1#comment-92000

  2. #3 naja
    25. Juli 2025

    Ich weiß nicht, ob ich zu kurz denke. Es erscheint mir, dass die schrittweise Abschaffung demokratischer Elemente Ziel und Zweck der Disruption ist. Es geht doch genau darum, dieses nervige “dass am Ende alle profitieren” als Anspruchshaltung loszuwerden, oder? Ich wüsste nicht, welche Probleme man mit “Musk und Milei” angeht.
    Vielleicht geht es nebenbei noch darum, noch reicher zu werden.

    • #4 Joseph Kuhn
      25. Juli 2025

      @ naja:

      “Es erscheint mir, dass die schrittweise Abschaffung demokratischer Elemente Ziel und Zweck der Disruption ist.”

      Zumindest ist die Gefahr groß, dass es darauf hinausläuft, und ein Teil der “Disruptions-Fans” (Musk, Thiel …) will das erklärtermaßen auch.

      “Es geht doch genau darum, dieses nervige “dass am Ende alle profitieren” als Anspruchshaltung loszuwerden, oder?”

      Ich habe den Eindruck, es gibt im Umfeld des Solutionismus solche und solche, durchaus auch selbsterklärte Menschheitsbeglücker.

      “Ich wüsste nicht, welche Probleme man mit “Musk und Milei” angeht.”

      Man entledigt sich der lästigen Mitsprache der Bürger:innen. Der berüchtigte Spruch “Wer den Teich trocken legen will, darf die Frösche nicht fragen” lässt sich in seiner Schwammigkeit beliebig skalieren, bis hin zur Verteidigung autoritärer Systeme.

  3. #5 naja
    25. Juli 2025

    @ Joseph Kuhn
    Also bleibt am Ende die Frage, wollen wir eine Gesellschaft “des Volkes, durch das Volk und für das Volk”, oder mehr oder weniger zurück in die Monarchie.

    • #6 Joseph Kuhn
      25. Juli 2025

      @ naja:

      Ja. Und es bleibt die Frage, was man dafür tun muss, dass sich die Menschen nicht von der Demokratie abwenden und irgendwelchen “Führern” folgen. Wer sich keine vernünftige Wohnung mehr leisten kann, der hat andere Sorgen als das Wahlrecht. Und wer sich von den Wohnverhältnissen wie mit einer Axt erschlagen fühlt, der schlägt womöglich auf die eine oder andere Art zurück. Da mag dann aussehen wie ein “Tanz der Trottel”, aber es ist nur allzu oft die Wut derer, die keinen anderen Ausweg sehen.

  4. #7 Bernd Nowotnick
    28. Juli 2025

    #6
    Zu „es bleibt die Frage, was man dafür tun muss, dass sich die Menschen nicht von der Demokratie abwenden… Tanz der Trottel … die keinen anderen Ausweg sehen”: pq − qp = h/2πi, Ort und Impuls lassen sich nicht auf klassische Weise fassen, also mal hinter die Fassade sehen!

  5. #8 Bernd Nowotnick
    28. Juli 2025

    Wer möchte etwas mit dem geringsten Aufwand? Alle, selbst Tiere und Pflanzen. Geld und Geldpolitik regulieren schon lange staatliche Machtverhältnisse und sortieren internationale Beziehungen. Staaten nutzen Geldpolitik zur Stabilisierung ihrer Volkswirtschaft und neben militärischer Macht und Handelsbeschränkungen auch zur Durchsetzung geostrategischer Interessen. Im Privatbereich befriedigt Geld basale sowie luxuriöse Bedürfnisse und Wünsche und dient schlicht dem Lebenserhalt. Und wo es an Geld fehlt droht Armut, also als Ausweg nur der „Tanz der Trottel“ bis zum bitteren Ende für alle beteiligten, nicht nur der armen – der König ist tot, es lebe der König – umso zum Ausdruck zu bringen, dass wenn alles beim Alten bleibt wird sich auch daran nichts ändern.

  6. #9 Staphylococcus rex
    28. Juli 2025

    Was unterscheidet eine “echte” Demokratie von einer “gelenkten” Demokratie, wie sie gerade von Putin, Orban oder Trump vorgelebt wird?

    Die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Mehrheit haben beide Gesellschaften gemeinsam. Der große Unterschied besteht in der Einbindung der Minderheiten und der Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen durch die Minderheiten. Die Einbindung der Minderheiten erfolgt nach gewissen Regeln, deshalb ist eine “echte” Demokratie immer auch eine regelbasierte Gesellschaft, die am besten in einer regelbasierten Weltordnung funktioniert.

    Eine konsensbasierte Ordnung führt aber dazu, dass sich manche Probleme nicht einfach lösen lassen. Das ist jetzt eine subjektive Wahrnehmung, aber nach 80 Jahren regelbasierter Weltordnung hat die Zersplitterung der Welt und die Anhäufung ungelöster Probleme eine kritische Masse erreicht. Die kapitalistische Gesellschaft unserer Zeit steckt in einer tiefen Krise, vergleichbar der Welt vor 90 bis 100 Jahren. Krisen bedeuten Veränderung, wobei Veränderung durch Kooperation sehr mühselig ist, wie wir am Beispiel der EU-Institutionen sehen. Deshalb ist es auch so verlockend, den Weg der Disruption zu gehen und den “gordischen Knoten” mit einem einzigen Schwerthieb zu zerschlagen.

    In Bezug auf Kooperationsbereitschaft geben unsere eigenen sogenannten demokratischen Eliten gerade ein sehr schlechtes Beispiel ab, wie das Beispiel Brosius-Gersdorf zeigt. Die Rattenfänger vom rechten Rand müssen derzeit eigentlich nur noch zuwarten, die Demontage der politischen Umgangsformen können sie den “waschechten Demokraten” überlassen. Die AfD hat dies erkannt:
    https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-strategie-104.html

    Was ist der Ausweg? Die Rettung der politischen Kultur und der politischen Umgangsformen geht uns alle an. Das bedeutet in erster Linie miteinander zu reden und nicht nur übereinander. Das bedeutet auch, die eigenen Positionen zu hinterfragen, was ist Gewohnheit, was ist ideologischer Ballast? Das bedeutet, dass alle Beteiligten auch eine Reihe heiliger Kühe schlachten müssen.

    Das Führerprinzip sorgt für schnelle Handlungsfähigkeit, das Führerprinzip sorgt aber auch dafür, wenn der Führer in den Abgrund marschiert, dass er viele auf den Weg dorthin mitnimmt.

    Die AfD bekämpft man nicht dadurch, dass man versucht sie rechts zu überholen (im Zweifel wählen deren Anhänger lieber das Original und nicht die Kopie). Die AfD bekämpft man dadurch, dass man auf die Probleme der AfD-Wähler eingeht und echte Lösungen anbietet. Dazu gehören bezahlbarer Wohnraum, die Infrastruktur in ländlichen Gegenden, das Bildungssystem, die Ungleichheit und viele andere politische “Klassiker”.

  7. #10 hto
    wo die gebildete Suppenkaspermentalität ...
    29. Juli 2025

    #6 Kuhn: “… die keinen anderen Ausweg sehen.”

    … sehen wollen, so wie Du!? 😉

  8. #11 Staphyloccus rex
    29. Juli 2025

    Das Spannungsverhältnis von Wissenschaft und Politik sollte durchaus gelegentlich etwas tiefer beleuchtet werden. Die Vorstellung, die Wissenschaft gibt die Ziele vor und die Politiker müssen diese nur noch umsetzen, ist reichlich naiv.

    Der grundlegende Denkfehler dabei besteht darin, die Bevölkerung als passive Größe zu betrachten und die Rückkopplungen zu ignorieren. Dazu ein kleines Beispiel aus der Corona-Zeit: staatliche Eingriffe in persönliche Freiheitsrechte werden vom betroffenen Bürger unter dem Blickwinkel der persönlichen Risikowahrnehmung beurteilt. Wenn die staatlichen Eingriffe die persönliche Risikowahrnehmung übersteigen, dann sinkt die Compliance bis hin zum aktiven Widerstand. Wenn dagegen die persönliche Risikowahrnehmung die staatlichen Eingriffe überwiegt, dann ergreift der betroffene Bürger eigene zusätzliche Maßnahmen. Die Effektivität der Schutzmaßnahmen ist somit abhängig von der Kombination aus staatlichen Maßnahmen (staatlicher Lockdown) und persönlichen Maßnahmen (privater Lockdown). Und weil die persönlichen Maßnahmen abhängig sind von der persönlichen Risikowahrnehmung, haben wir den paradoxen Effekt, dass über längere Zeiträume sich auch unterschiedliche Maßnahmen sich den gleichen Endeffekt annähern.

    Dieses Beispiel ist mir bei Corona aufgefallen, aber es spricht vieles dafür, dass derartige Effekte verallgemeinert werden dürfen. Egal ob Wärmepumpen oder E-Auto, der Erfolg derartiger Maßnahmen ist zu einem großen Teil abhängig von der persönlichen Wahrnehmung der Bürger. Im Augenblick gibt es z.B. zwei Gründe die mich vom Kauf eines E-Autos abhalten. Das Eine ist der Tarifdschungel bei öffentlichen Ladesäulen, Planungssicherheit habe ich nur mit eigener Ladestation, was aber bei einer Mietwohnung nicht umsetzbar ist. Das Andere ist die problematische Austauschbarkeit der Batterie bei Defekt oder technischen Neuentwicklungen. Hier fehlt eine EU-Norm für Formfaktor und Anschlüsse bei Hochleistungsbatterien. Die Höher der Kaufprämie ist mir ziemlich egal.

    Wie gesagt, gut gewollt und gut gemacht sind zwei unterschiedliche Dinge. Intuitiv erkannt wurden derartige Rückkopplungseffekte damals von Macciavelli in seinem Buch “Der Fürst”.

    Das Wetter ist chaotisch und nur schwer vorhersagbar. Das Klima dagegen ist berechenbar, weil auf einer anderen Betrachtungsebene (längere Zeiträume, Zusammenfassung geografisch vergleichbarer Regionen zu Klimazonen) Gesetzmäßigkeiten gibt, die erkennbar sind und Vorhersagen erlauben. In der Politik ist es ähnlich. Der einzelne Wähler ist genauso chaotisch und unvorhersagbar wie das Wetter. Bei einem Wechsel der Betrachtungsebene (längere Zeiträume und vergleichbare soziale Gruppen) sind auch hier Gesetzmäßigkeiten und Vorhersagen möglich. Die linke Theorie vom Klassenkampf ist nicht falsch, sie ist auch weiterhin gültig, sie beleuchtet aber nur einen engen Aspekt menschlichen Verhaltens.

    Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung abhängig beschäftigt ist, warum gibt es praktisch in allen Demokratien ein ungefähres Gleichgewicht linker und rechter Kräfte? Dies liegt aus meiner Sicht daran, dass das links-rechts Schema nur einen Teil der Realität beschreibt. Aus meiner Sicht ist es so, wer (aus der Bevölkerungsmehrheit) bereit für Veränderungen ist, wählt eher links und wer von den anstehenden Veränderungen überfordert ist, wählt eher rechts. Die theoretische Mehrheit von Union und AfD im Bundestag wäre somit eine Konsequenz der Überforderung weiter Bevölkerungsanteile durch die aktuelle Mischung verschiedener Krisen.

    Der rechte Rand hat dies erkannt und tut alles dafür, um den Streßpegel und die Überforderung weiter Bevölkerungsanteile aufrecht zu erhalten, solange die Verantwortung dafür auf Andere abgewälzt werden kann.

    Ich vermisse im demokratischen Lager einen Politiker vom geistigen Format eines Macciavelli, der in der Lage ist, die Gesetzmäßigkeiten und Rückkopplungseffekte beim politischen Klima zu erkennen und zu nutzen. Wie gesagt, gut gewollt und gut gemacht sind zwei grundverschiedene Dinge.

  9. #12 naja
    29. Juli 2025

    @ Joseph Kuhn
    Was den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in D angeht, bin ich (wie Musk und Milei) auch für punktuelle, stupide Disruption – nur anders. Zum Wohle (der Allgemeinheit und) des Profits. Was könnten wir alle konsumieren 😉 , wenn wir keine horrenden Mieten zahlen würden? Die Märkte würden es uns danken. Fast alle. (Das Klima steht wie immer kurz mal außen vor.) Man wird ja noch träumen dürfen von einer Welt, in der alles genauso bescheuert ist wie heute. Nur die Mieten sind relativ niedrig. Und das wäre schon eine signifikante Verbesserung für fast alle.

  10. #13 Oliver Gabath
    29. Juli 2025

    @naja
    Bin zwar nicht angesprochen, fühl mich aber so: Ich sehe da nur eine Möglichkeit: Vergrößerung des Angebots. Heißt im Klartext: Staatlicher Wohnungsbau. Andere realistische Möglichkeit seh ich nicht.

  11. #14 hto
    30. Juli 2025

    @Gabath: “Heißt im Klartext: Staatlicher Wohnungsbau.”

    Ja klar, da kommen dann die staatlichen Kollektive, anstatt der Privatwirtschaft, da werden dann Wohnungen gebaut die auch in der Vermietung Schulden bedeuten, damit der Mietwahn mal einen anderen Wachstumswahn zu spüren bekommt und Vernunft endlich zweifelsfrei-eindeutig wird!? 😉

  12. #15 Oliver Gabath
    30. Juli 2025

    @hto:
    War unter dem Stichwort Sozialer Wohnungsbau bis Ende der 1980er ganz normale staatliche Poltiik im Rahmen der Daseinsvorsorge. Bisher das einzige erprobte Mittel, das funktioniert.

  13. #16 Staphylococcus rex
    30. Juli 2025

    Eventuell lohnt es sich, das Konzept sozialer Wohnungsbau punktuell neu zu denken. Plattenbauten am Stadtrand schaffen Wohnraum, aber auch neue soziale Brennpunkte.

    Wenn sozialer Wohnungsbau sich gleichmäßig auf die Fläche verteilt, werden soziale Brennpunkte entschärft.
    https://www.zdfheute.de/politik/ausland/wien-wohnen-sozialer-wohnungsbau-100.html

    Und außerdem, wer sagt, dass in einem Mietshaus alle Wohnungen den gleichen Status haben müssen? Erdgeschoß- oder Dachwohnungen sind für die Vermietung weniger attraktiv, warum nicht aus der Not eine Tugend machen und diese Wohnungen als Sozialwohnungen fördern?

    Bestandswohnungen müssen ca. alle 30-40 Jahre grundlegend saniert werden. Warum nicht hier Druck auf die großen Wohnungsbaugesellschaften ausüben und eine Quote an Sozialwohnungen bei Sanierungen fördern und fordern?

  14. #17 hto
    30. Juli 2025

    @Gabath: “War unter dem Stichwort Sozialer Wohnungsbau bis Ende der 1980er ganz normale staatliche Poltiik im Rahmen der Daseinsvorsorge.”

    Das war zu der Zeit, als die “Wohlstands-/Gewohnheitsmenschen” noch unkritisch an “Wirtschaftswunder” glaubten, als die “sozialen Errungenschaften” noch nicht als Geschenke auf Zeit zum blauen Wunder wurden – Nicht mittel- oder langfristig, sondern kurzfristig müssen wir über einem “Klimawandel” hin zu einem globalen Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik sprechen, was als “Sozialismus” das einzig sinnvolle Mittel noch sehr beschränkt erprobt wurde!?

  15. #18 Oliver Gabath
    30. Juli 2025

    @Staphylococcus rex:
    Ich glaube auch, dass da ganz viel ungehobenes Gold liegt. Gerade in klassischen Industriestädten müsste es im Bestand z.B. noch viele klassische Monteurwohnungen geben, aus denen sich günstige 1-Zimmer-Appartments machen lassen.

    Genauso Nachverdichtung. In der Breiten Straße in Mannheim gab’s mal nen Karstadt. Hat irgendwann nicht mehr funktioniert, wurde abgerissen, dann kam Mömax. Hat irgendwann nicht mehr funktioniert, dann kam ein Multicenter mit verschiedenen Läden/Räumen. Scheint ganz gut zu funktionieren

    Ich hätte mir an der Stelle eher einen Brühwürfel mit 40 Metern Kantenlänge und einem bunten Mix aus Wohnungen gewünscht. Soll leider nicht sein.

  16. #19 Staphylococcus rex
    30. Juli 2025

    Angenommen, der soziale Wohnungsbau würde wieder stärker gefördert und an einzelnen Eckpunkten optimiert, wer würde dabei gewinnen oder verlieren?

    Ich gehe davon aus, dass kurzfristig der Bundeshaushalt durch die Förderung stärker belastet würde. Wenn dagegen mehr Menschen eine bezahlbare Wohnung finden, dann würden die Kommunen im Bereich Sozialhilfe und Wohngeld deutlich entlastet werden. Gleichzeitig könnte dann Sozialbürokratie abgebaut werden und die Zufriedenheit der Menschen, die vom Spießrutenlauf durch die Behörden freigestellt würden, würde auch steigen.

    Wichtig wäre aus meiner Sicht eine gute Verzahnung des sozialen Wohnungsbaus mit Förderprogrammen für barrierefreies Wohnen, wenn die Altersgebrechlichkeit bei Hochbetagten nicht mehr die Ausnahme ist, sondern zur Regel wird, dann zählt jeder Tag, den diese Menschen in den eigenen vier Wänden bleiben können.

    Das i-Tüpfelchen wäre dann erreicht, wenn die Kommunen mit den eingesparten Mitteln der Sozialhilfe ein Rückkaufprogramm für mehr kommunales Wohneigentum starten könnten.

  17. #20 naja
    31. Juli 2025

    @ hto @ Oliver Gabath
    Es gibt auch Projekte, zB in Tübingen ist mir das Mietshäuser-Syndikat bzw. GIMA bekannt, die versuchen, Wohnraum der Spekulation zu entziehen, indem sie Objekte kaufen, gemeinwohlorientiert und günstig vermieten und die Gewinne in weitere Käufe investieren. Die sind natürlich super links und nicht jedermanns Sache, aber ich finde sie haben schon einen Punkt: Es ist auch ein Problem, dass in den Großstädten viele, eher fast alle Mieterwechsel die Preise steigen lassen. Fast niemand mit altem Mietvertrag verkleinert sich, weil das oft teurer oder genauso teuer ist, wie zu bleiben. Und unbequemer natürlich auch. Je mehr bereits bestehender Wohnraum dieser Entwicklung entzogen wird, desto besser. Aber ja, man müsste auch das Angebot insgesamt vergrößern.