Mit diesem Beitrag mische ich mich in eine aktuelle politische Debatte ein, in der “Tierschutz”-Extremisten gerade versuchen, den Delphin mit dem Bade auszuschütten.
In den 70-er Jahren war „Flipper“ en vogue.
Durch die berühmte Fernsehsendung kannte jeder den Großen Tümmler (Tursiops truncatus) als den marinen Freund und Helfer mit dem Dauergrinsen.
So kamen Delphinarien in Mode.
Wilde Delphine wurden gefangen und eingesperrt, ihre physischen und psychischen Bedürfnisse waren so gut wie unbekannt. Viele Tiere sind umgekommen, ihre Lebensumstände waren oft grausam.
Die Zeiten haben sich geändert.
Die Haltung der intelligenten Kleinwale ist mittlerweile extrem umstritten.
Jetzt hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag mit dem Titel “Haltung von Delfinen beenden” (17/12657) eingereicht.
Am Mittwoch, 15. Mai 2013, gab es dazu eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter Vorsitz von Hans-Michael Goldmann (FDP) über die Zukunft von Delfinen in Zoos und Delfinarien.
Die geladenen acht Sachverständigen haben die Frage nach der Delphinhaltung in deutschen Delphinarien sehr unterschiedlich beantwortet. Dabei hatten die Fraktionen der Tierschutz-Lobbyisten und die Vertreter der Delphinarien, Zoos und Wissenschaft extrem gegensätzliche Meinungen.
Die Tierschutz-Lobbyisten vertreten die Meinung, dass Delphinhaltung eine Quälerei für die kleinen Wale ist und unbedingt gestoppt werden muss.
Die Vertreter der Delphinarien, Zoos und Wissenschaft meinen, dass die Haltung der derzeit in Deutschland in Gefangenschaft lebenden Delphine vertretbar sei, die insgesamt 16 Tümmler eine wichtige Aufgabe für die Umweltbildung einnähmen und die wichtigsten Botschafter gegen Walfang und für Walschutz seien.
Hat ein Delphinarium heute noch eine Existenzberechtigung?
Hat ein Delphinarium heute noch eine Existenzberechtigung?
Ja, unbedingt.
Zum Beispiel als Begegnungsort von Mensch und Wal.
Delphine gehen, wie andere Säugetiere, gezielt auf Menschenkinder zu.
Sie spielen mit ihnen, wie Menschen mit anderen Tierkindern.
Ich habe mehrfach beobachtet, wie Zoo-Delphine auf Kinder zugeschwommen sind und einige Extra-Eskapaden machten. Sie nehmen eindeutig Kontakt zu diesen auserwählten kleinen Menschen auf, richteten ihre Bewegungen danach aus, spritzen die Kinder gezielt nass und veranstalten akrobatische Einlagen.
Mehrere Bekannte mit Kindern haben das gleiche beobachtet.
Die Kinder sind von diesen Begegnungen vollständig verzaubert und gehen natürlich bereitwillig auf das Spiel ein. Sie werden diese Begegnung nie vergessen.
Stattdessen besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie durch diese frühe persönliche Kontaktaufnahme sich eher für Walschutz und Meeresschutz engagieren.
Delphine im Freiland habe ich bei den gleichen Extra-Spielchen für Menschenkinder beobachtet, aber leider haben nicht viele in Deutschland aufgewachsene Kinder das Privileg, Delphine im Meer zu treffen.
Nicht jeder Mensch hat die finanzielle Möglichkeit, in seinem Leben einmal lebende Wale zu beobachten (obwohl dazu schon eine „Butterfahrt“ von Büsum nach Helgoland oder der Blick auf das Meer entlang der gesamten Atlantikküste reicht). Ein Wal im Film baut keine derartige Beziehung auf, er bleibt abstrakter.
Daher bleibt der Delphinariumsbesuch oft die einzige Möglichkeit, einen echten Meeressäuger zu erleben.
Jeder in Gefangenschaft gehaltener Delphin ist ein Botschafter für Walschutz und Meeresschutz und gegen Walfang.
Übrigens: Die aktuellen Delphinariumsprogramme beinhalten gite didaktische Lektionen, etwa zum Thema “Meeresschutz”.
Jedes Kind wird sich merken, dass Müll nicht ins Meer gehört, wenn “Flipper” vom Trainer ins Wasser geworfenen Plastikmüll zurück an Land wirft.
Geht es Delphinen in Gefangenschaft schlecht?
Die Frage kann sicherlich niemand zu 100 % beantworten, bevor die Sprache der Delphine nicht entschlüsselt ist.
Zootieren geht es nicht automatisch schlecht.
Delphinen auch nicht.
Delphinarien in Deutschland müssen heute strenge Auflagen erfüllen, damit es den „Insassen“ an Leib und Seele gut geht.
Die Wale müssen in einem ökologisch streng kontrollierten Umfeld leben, gut ernährt und tierärztlich betreut werden. Besonders wichtig ist das Zusammenleben in einer intakten Gruppe und dass die kleinen Wale intellektuell und körperlich gefordert werden. Wale machen in Shows, wie sie heute in Deutschland gezeigt werden, freiwillig und gern mit. Derartige Shows funktionieren nicht mit Druck oder Zwang, sondern ausschließlich über Belohnung und Motivation. Die Belohnung besteht aus einem zusätzlichen Fischhappen, dem Lob des Trainers und vor allem dem Applaus der Zuschauer. Sie sind ein wichtiger Teil im Tagesablauf der Delphine und bieten ihnen Abwechslung.
Die Delphine werden natürlich sowieso gefüttert, die Belohnung ist nur ein zusätzlicher Snack.
Sie müssen die Übungen, die die Trainer sehen möchten, auch nicht mitmachen. Es steht ihnen frei, einfachweiter herumzuschwimmen.
Die Wale zeigen in Shows Bewegungen und Verhaltensweisen, die für sie normal sind. Aus diesen für Delphine üblichen Verhaltensweisen (springen, mit Gegenständen balancieren, als Gruppe interagieren,…) setzt sich die Show zusammen.
Eine befreundete Biologin hat mir erzählt, dass das männliche Leittier seinem Delphin-Sohn seine Kunststücke beibrachte, lange bevor die Trainer daran gedacht hatten, den kleinen Delphin auszubilden.
Ein Argument der Delphinariumsgegner ist auch, dass die Ortungslaute der Delphine von den glatten Aquariumsmauern vielfach zurückgeworfen werden, so dass alle Delphine in einer Art akustischem Folterkeller leben.
Das ist so nicht richtig: Die Delphine kennen ihr Becken und benutzen ihr Sonar nicht andauernd. Schließlich besteht keine Notwendigkeit dazu. Auch ihre Fische finden sie in dem klaren Wasser mit Hilfe ihrer Augen ohne Probleme.
Die Nachzuchten sind in gewisser Weise domestiziert, d. h., sie haben sich mit ihrer künstlichen Umgebung arrangiert.
Übrigens benutzen Delphine auch im Freiland nicht pausenlos ihr Sonar, sondern jagen bei guter Sicht auch durchaus auf Sicht.
Forschung an Delphinen in Gefangenschaft?
Die Forschung an gefangenen Delphinen ist keine automatische Legitimierung für Delphinarien. Aber sie hat uns in der Vergangenheit viele wichtige Erkenntnisse gebracht.
Heute wird die Haltung von Tieren in Gefangenschaft anders betrachtet, als noch vor 20 Jahren. Viele Zoos haben ihre Delphinarien bereits geschlossen. Auch die Zeit vieler Großkatzen ist in den Zoos abgelaufen. Bei Primaten wird mittlerweile sogar diskutiert, inwieweit für sie sogar die Menschenrechte Geltung und Anwendung finden sollen.
Unsere Haltung gegenüber unseren Mitwesen hat sich beträchtlich geändert, und das ist gut so!
Diese veränderte Sichtweise hat natürlich auch die Forschungsmethoden signifikant beeinflusst.
Forschung bedeutet, dass Beobachtungen, Messungen und Experimente unter immer wieder den gleichen Bedingungen mit den gleichen Individuen durchgeführt werden können. Die heutige Walforschung wird natürlich so durchgeführt, dass kein Tier zu etwas gezwungen oder gar verletzt wird. Dabei werden etwa die kognitive Leistung von Tieren oder ihre Sinnesorgane erforscht.
Wir sollten aber nicht vergessen: Fast alles, was wir heute über die kognitiven Fähigkeiten und Sinnesleistungen (nicht nur) von Delphinen wissen, stammt von Delphinen, die in Gefangenschaft leben.
Einen weiteren wichtigen Aspekt spricht der externe Sachverständige Dr. Althaus an:
Zoos mit Delphinen haben Delphin-Expertise.
Bei Walstrandungen wird automatisch nach genau diesen Experten mit ihrer Erfahrung und ihrer Spezialausrüstung gerufen, um die gestrandeten Tiere zu versorgen und ggf. zur Gesundung zeitweise in menschliche Obhut zu übernehmen.
(https://www.tiergarten.nuernberg.de/v04/fileadmin/neu/pdf/Seiteninhalte/Delphinlagune/Anhoerung_2013/ThomasAlthaus_Stellungnahme.pdf)
Auswilderung von Zoodelphinen?
Ein Zoodelphin kann nicht ausgewildert werden.
Delphine gehören zu den Tieren, denen von Wissenschaftlern eine eigenständige Kultur zugestanden wird. Etwa in der akustischen Kommunikation und bei der Jagdstrategie.
Das bedeutet, dass ein junger Delphin in seiner Gruppe aufwachsen und lernen muss, die gleiche Sprache zu sprechen und beim Nahrungserwerb in und mit der Gruppe zusammen zu arbeiten.
Ein Zoodelphin würde es vielleicht noch schaffen, im Meer einen Fisch zu fangen. Aber für ein so hoch soziales Wesen wie einen Zahnwal ist ein Fisch eben nicht alles. Er existiert nicht allein in einem Vakuum, sondern als Mitglied einer Gruppe mit aktiven sozialen Interaktionen.
Tursiops truncatus kommt fast weltweit in allen gemäßigten und warmen Meeren vor, besteht aber aus lokal sehr unterschiedlichen Populationen mit signifikant unterschiedlichen Verhaltensweisen.
Einen Zoodelphin auszuwildern, wäre etwa so, als einen Menschen, der in der Großstadt einem Bürojob nachgeht, bei einem indigenen Stamm am Amazonas auszusetzen.
Fazit:
Die Debatte über Delphinarien ist extrem ideologiebelastet.
Ich bin die erste, die laut „Ja“ zum Walschutz schreit.
NEIN zu Wildfängen und Walfang.
JA zu Delphinarien mit Tieren aus Nachzuchten unter sehr strengen Auflagen.
Alle Aussagen sind meine subjektive Meinung.
Ich habe lange mit Walen gearbeitet und habe viele eigene Erlebnisse und Erfahrungen gesammelt. Daneben spreche ich seit mehr als 20 Jahren dauernd mit anderen Menschen über Wale, darunter viele Forscher, Trainer und andere Wal-Erfahrene.
Leider sind diese Aussagen nicht schriftlich fixiert.
Alle meine Aussagen beziehen sich nur auf die deutschen Delphinarien, in denen die intelligenten Meeressäuger unter sehr strengen Tierschutzauflagen leben.
In vielen Delphinarien im Ausland, vor allem außerhalb Europas, ist die Situation ganz anders und durch nichts zu rechtfertigen.
Bettina Wurche
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