Dabei hat er viele Korallenarten erstmals wissenschaftlich beschrieben. Diese sogenannten Typus-Exemplare sind die Zierde jeder zoologischen Sammlung und lagerten zu meiner Zeit noch im sogenannten Korallenkeller des Museums. Ein Typus-Exemplar ist das erste beschriebene Exemplar einer neuen Art und ist das Juwel jeder wissenschaftlichen Sammlung. Das macht diese Stücke so wertvoll, sie sind das Archiv des Lebens.
In seinem Beitrag „Über die Methodik der Untersuchung von Korallenriffen“ (Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere, 7. Juni 1967, Volume 60, Issue 1-3, pp 105-114) beschreibt er seine Feldforschung. Frei im Meer zu tauchen und Meereslebewesen an Ort und Stelle zu untersuchen, war damals noch absolut ungewöhnlich und spektakulär. Die Methode, in einem Planquadrat oder entlang einer Linie eine Faunengemeinschaft zu beschrieben – Scheer nennt sie „Korallensoziologie“ – ist bis heute gebräuchlich. So können alle Tiere kartiert werden, ohne sie zu entnehmen. Dadurch ergibt sich ein lebendiges Bild, welche Organismen in welcher Menge in welcher Tiefe auf welchem Untergrund wachsen.
Der Ingenieur war auch mit dem Tauchen und anderen technischen Details betraut bzw. konnte sie den Anforderungen entsprechen testen und weiterentwickeln.
Der ideale Mann für eine Feldexpedition mit noch nicht vollständig erprobtem Gerät!

Als ich Herrn Dr. Scheer kennen lernte, war er auch schon über 90 Jahre alt. Begleitet von seinem Enkel brachte er uns Exponate für die geplante Wüstenausstellung – Blitzröhren aus seinem Privatbesitz.
Schon ein wenig gebeugt und man Stock gehend, immer noch tief gebräunt, mit dichtem weißen Haar und einem flotten Schnauzbart – immer noch ein beeindruckender Mann.  Später hielt ich ihm zu Ehren noch einen Korallenvortrag, über den er sich sehr gefreut hat. Wahrscheinlich hatte er in Darmstadt sonst nicht so viel Gelegenheit, mit anderen Menschen über Korallen zu sprechen.
Heute bedaure ich, ihn damals nicht mehr ausgefragt oder interviewt zu haben – leider ist er mittlerweile verstoben. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, ihn, das Relikt aus einer anderen Zeit kennen gelernt zu haben.

Auf den Bildern der Xarifa-Expedition steht er – ebenfalls in Badehose neben Hans Hass. Und der Korallenkeller und andere Exponate sprechen eine deutliche Sprache, dass diese Expedition ins Rote Meer nicht nur spektakulär war, sondern auch eine beträchtliche wissenschaftliche Ausbeute gebracht hatte.
Mit von der Partie war auch der Verhaltensbiologie Irenäus Eibl-Eibesfeld, der sich sowohl wissenschaftlich als auch populärwissenschaftlich einen Namen machte.
Aber das ist eine andere Geschichte….

Bettina Wurche

 

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Kommentare (16)

  1. #1 Theres
    28. Juni 2013

    Vielen Dank für diesen gelungenen Nachruf … und die Erinnerung an meine Kindheit, die kam gleich mit. Und an meine Eltern, die einiges gegen diese Freizügigkeit in Badehose hatten … Er war ein faszinierender Mann, der mich als ich Kind war von einer Karriere als Biologin träumen ließ. … https://www.youtube.com/watch?v=W9IPJq62WfA

  2. #2 rolak
    28. Juni 2013

    Wenn ich mich recht entsinne, sind die Bücher von Hans Hass (neben Alpinem wie zB Hermann Buhls ‘Achttausend drüber und drunter’) die ersten Real-Abenteuergeschichten aka Reise- bzw Expeditions-Berichte, die mir allesfressendem Bücherwurm im Rahmen der ersten Reviervergrößerung (ins elterliche Regal) unterkamen. Insbesondere kann ich mich an diverse Sequenzen erinnern, in denen Hass eben genau schildert, wie er

    Unterwasserjagden und Unterwasserfotografie .. verfallen

    ist. Spannend, anrührend und urkomisch – solch ein zum-Schmökern-Verführer kann eigentlich garnicht angemessen gewürdigt werden. Wie sagt man so schön: Das muß man erlebt haben!

    Aufgrund dieser persönlichen Verbundenheit (inkl Vortragsbesuch in den 70ern) kommt mir die Idee einer besonderen Geburtstagsbegehung ziemlich entgegen. 23 paßt eh 😉

    btw: Cousteau-Erstkontakt hatte ich irgendwann im Fernsehen.

  3. #3 Jürgen
    28. Juni 2013

    Oh je, sich erst über die blöden “Schreiberlinge” auslassen, die keine Ahnung von Hass und vom Tauchen hätten, und dann selbst zweimal von “Taucherbrille” schreiben. Peinlicher geht’s nicht mehr.

  4. #4 Dampier
    28. Juni 2013

    Ja, das ist mal ein würdiger Nachruf. Ich habe Hans Hass erst relativ spät kennengelernt. Ich erinner mich an einen Nick-Knatterton-Comic aus den 50ern, wo ein Hai Knatterton in den Hintern beißt und denkt: “erinnert an Lotte Hass” – ich weiß noch, dass ich gerätselt hab, wer das wohl gewesen sein mag. Ist die denn mal von einem Hai gebissen worden?

    Jacques-Yves Cousteau hatte als Marineoffizier Karriere gemacht, war natürlich in der Résistance aktiv und wurde hoch dekoriert.

    Ist dieses “natürlich” ein süffisanter Hinweis darauf, dass praktisch alle Franzosen nach dem Krieg behaupteten, in der Resistance gewesen zu sein? Das konnte ich nicht ganz einordnen.

    @rolak
    Das Buch von Hermann Buhl find ich auch Klasse. Der hat nicht nur was zu erzählen, sondern schreibt auch richtig gut.

    grz
    Dampier

    PS. Das Kamolz-Zitat „Hans und Lotte, die beiden Taucher (…)” ist doppelt.

  5. #5 Bettina Wurche
    1. Juli 2013

    Moin Dampier,

    ich muss zugeben, der Hinweis auf Coustaeaus Résistance-Aktivität war sarkastisch.
    Und völlig unsachlich.
    Ich denke tatsächlich, dass Hass, Cousteau und ähnliche Charaktere sich sehr intensiv mit ihrem Eigenmarketing beschäftigt haben, teilweise schon ein bisschen dick aufgetragen. Ich bezichtige niemanden der Lüge, aber manches hört sich schon ein bisschen ZU passend an. Das kann ich dann doch nicht einfach so abschreiben.
    Über Hass Spätwerk hätte man sicherlich auch noch richtig gut ablästern können, die Energon-Forschung dürfte eine Steilvorlage für ätzende Blog-Beiträge sein.

    Danke für den Hinweis mit dem doppelten Zitat, das kommt davon, wenn man noch mal schnell was hochlädt um dann ins WE abzudüsen (ich habe in Wilhelmshaven die “Mir” und andere Schiffe gesehen und mal wieder die Stiefel im Watt eingesaut – herrlich).

    Danke für den Buchtipp von Hermann Buhl, mal gucken, ob ich das mal in die Finger bekomme.
    An den genannten Knatterton erinnere ich mich gar nicht, muss ich mal recherchieren…

    Grüße,
    Bettina

  6. #6 rolak
    1. Juli 2013

    mal recherchieren

    Würde ich ja gerne schnell nachschlagen (hatte mich nicht erinnert, aber dank Dampiers Anregung entwickelte sich eine Ahnung um das wo), doch die hiesige Ausgabe habe ich just vor 10 Tagen einem Neffen geliehen.

  7. #7 Alderamin
    3. Juli 2013

    Vor allem Haie faszinierten ihn – die Tiere hatten einen extrem schlechten Ruf als mordlustige Bestien. Als Biologe und Meeresschützer wollte er beweisen, dass diese Tiere grundsätzlich missverstanden wurden.

    Hans Hass und die Haie… war Hass nicht der Erfinder des “Schreis unter Wasser”, mit dem er heranstreunende Haie vertreiben wollte? Cousteau traute dieser Methode nicht so ganz und verließ sich lieber auf Stöcke und Käfige.

  8. #8 Bettina Wurche
    4. Juli 2013

    @Alderamin: Das habe ich auch so gelesen.
    Ganz im Ernst: bei aller Experimentierfreude würde ich vor dem Rachen eines Hais auch eher auf Haigabel und Käfig vertrauen.
    Ich weiss ja nicht, wann das Tierchen zum letzten mal etwas Gutes zu essen hatte.
    Der Schrei funktioniert allerdings tatsächlich:
    Eine Freundin von mir hat einen (nicht sehr großen) Hai damit fast in den Herzinfarkt getrieben.
    Auch nicht nett.

  9. #9 Alderamin
    4. Juli 2013

    @Bettina Wurche
    🙂
    Kommt sicher auf den konkreten Hai. Kleine Tiere sind ja bestimmt ängstlicher als ein Großer Weißer. Wenn man sonst nichts dabei hat, wäre es aber zumindest einen Versuch wert 😉

    Ich hab’ übrigens auch keine Folge von “Geheimnisse des Meeres” verpasst, und drei Bücher von Cousteau im Regal (u.a. eines über Haie und eines über Delfine). Hass ist mir natürlich auch ein Begriff und er hatte in den 70ern den einen oder anderen Fernsehbericht, war aber lange nicht so präsent wie Cousteau, der das ganze viel größer aufzog.

    Ich wusste gar nicht, dass Cousteau kein Wissenschaftler war. Hat er (oder sein Team) denn keine Papers geschrieben? Waren seine Fahrten nicht über den französischen Forschungshaushalt finanziert? Fragen, die ich mir als Teenager nie gestellt habe…

  10. #10 Dampier
    4. Juli 2013

    ich muss zugeben, der Hinweis auf Coustaeaus Résistance-Aktivität war sarkastisch. Und völlig unsachlich.

    (…) manches hört sich schon ein bisschen ZU passend an. Das kann ich dann doch nicht einfach so abschreiben.

    Meine andere Deutung wäre gewesen: “Er war ein so guter Mensch, natürlich war der in der Résistance …”, da war ich mir halt nicht sicher. Das hätte ich ein wenig unkritisch gefunden … freue mich also, dass die sarkastische Deutung stimmt 😉

    Den Knatterton hab ich gefunden. Die Szene ist aus “Der indische Diamantenkoffer”. Und der Hai beißt nicht Nick sondern Virginia Peng, so macht das Zitat auch Sinn.
    (Übrigens hab ich das oben missverständlich formuliert, ich hab das nicht in den 50ern gelesen, so alt bin ich noch nicht, das war in den 70ern).

    https://img689.imageshack.us/img689/7721/exkv.jpg

    Gruß
    Dampier

  11. #11 rolak
    5. Juli 2013

    sondern Virginia Peng, so macht das Zitat auch Sinn.

    ..sondern letztendlich den Barhocker, was immer noch Sinn macht, aber etwas absurder ist – wie es sich für Knatterton gehört.

  12. #12 Earonn
    10. Juli 2013

    Für mich ist es schade, dass ein Kindheitsidol gestorben ist. Dank Hans Hass waren für mich Haie nicht die beliebten ‘Monster’, sondern nur im normalen Rahmen gefährliche Tiere, die keineswegs auf mein Blut fixiert waren. Nie wieder habe ich an ‘Bestien’ geglaubt.
    Wie sehr mich seine Begeisterung inspirierte, wie sehr ich durch ihn das Meer kennen- und schätzen gelernt habe, ist mir erst viel später klar geworden.
    Es ist traurig für seine Angehörigen und Freunde, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich bin froh, dass er ein so langes und erfülltes Leben führen durfte.

  13. #13 RPGNo1
    3. Juni 2018

    Der Verhaltensforscher, Zoologe und Evolutionsbiologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt, der u.a. mit Hans Hass und Konrad Lorenz zusammengearbeitet hat, ist im Alter von 89 jahren verstorben.
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/irenaeus-eibl-eibesfeldts-ist-tot-nachruf-auf-den-begruender-der-humanethologie-a-1210931.html

  14. #14 Bettina Wurche
    3. Juni 2018

    @RPGNo1: Ja, ich habe es mitbekommen. Auch in meinem Bücherregal steht ein Buch von ihm, über die Galapagos-Inseln. Aber irgendwann habe ich mal etwas von ihm gelesen über die Rolle der Frau, das direkt aus dem Denken der 50-er Jahre zu stammen schien.
    Das fand ich doch recht überholt. Ich habe starke Aversionen gegen alte Knacker, die mir sagen möchten, wo mein dem Manne untergeordnete Platz ist. Und ich finde es ziemlich anrüchig, wenn solche Knacker trotz extrem überholter Gedanken immer noch als absolute Koryphäen gehandelt. Auch wenn jemand Verdienstvolles geschaffen hat, muss das nicht zwangsläufig immer so seine Gültigkeit haben.
    Da ist ja auch das passende Zitat dazu:
    https://www.wissen-digital.de/Iren%C3%A4us_Eibl-Eibesfeldt

  15. #15 RPGNo1
    4. Juni 2018

    @Bettina Wurche
    Diese Forscher sind berühmt, aber sie stehen auf keinem Podest und daher ist es richtig, wenn sie wegen überholter Ansichten oder politischer Aussagen kritisiert werden. Hans Hass hatte seine Energontheorie. Konrad Lorenz’ Verhältnis zu nationalsozialistischen Ideologien ist immer noch Bestandteil der Debatten. Und verschiedene Aussagen von Eibl-Eibesfeldt sind zweifelhaft.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Iren%C3%A4us_Eibl-Eibesfeldt#Kritik

    Trotzdem bin ich der Meinung, dass ihre Erfolge und Entdeckungen ebenso gewürdigt werden müssen.

  16. #16 Bettina Wurche
    4. Juni 2018

    @RPGNo1: Auf jeden Fall. Nur garantiert nicht auf meertext.