Ein Puschelbär mit Kindchenschema begeistert (nicht nur) Zoologen, Wissenschaft in der „BILD“-Zeitung und welche Rolle die Katze und der Teddy spielten…
Letzte Woche war es mal wieder soweit: Eine neue Tierart war entdeckt worden!!!
Ein kleiner Puschelbär aus den entlegenen Urwäldern der Anden guckte mit großen Kinderaugen in die Blitzlichtgewitter der versammelten Presse.
Die Menschheit feierte eine neue Säugetier-Spezies.
Die Museen konnten mal wieder die Bedeutung ihrer Sammlungen feiern.
Die Forschergemeinde feierte sich selbst.
Olinguito (Bassaricyon neblina), der „kleine Olingo“, tummelt sich gemeinsam mit Waschbären in der Gruppe der Kleinbären, sie sind hundeartige Carnivoren. Die Gattung Bassaricyon (Olingos) kommt nur in Mittel- und Südamerika vor.
Die neuen Mini-„Bärchen“ werden bis zu 900 Gramm schwer und fressen überwiegend Früchte, Insekten und Nektar. Sie sind überwiegend nachtaktiv und tummeln sich in den Bäumen der Anden-Regenwälder.
Wie konnte der Olinguito so lange unentdeckt bleiben?
Ein kleines, nachtaktives Tier im entlegenen Nebelwald kann schon mal übersehen werden. Wenn ein Tier entdeckt wird, so bleibt noch das Problem der genauen Identifikation: Da in dem Lebensraum verschiedene dieser Kleinbären unterwegs sind, ist es – so schreibt Helgen – sehr schwierig, lebende Tiere im Feld klar zuzuordnen.
Exemplare dieser Tiere lagen zwar schon seit langem in den Museumssammlungen, wurden aber nicht als eigene Art erkannt. Das Bild zeigt den Balg eines Olinguito, wie er in einer wissenschaftlichen Sammlung aufbewahrt wird.
Das ist typisch für viele Neuentdeckungen in unserer Zeit: Die naturkundlichen Museen haben gigantische Sammlungen mit sorgfältig katalogisierten Stücken. Eine richtige Schatzsammlung. Die Bearbeitung und Bestimmung der Skelette, Schädel, Bälger… ist nur durch Experten möglich.
Damit ein Experte sich „seine“ Tiergruppe vornimmt und das Sammlungsmaterial bearbeitet, muss es einen Anlass geben. Dann kommt es zu einer Bestandsaufnahme einer Art/Gattung und ggf. zu einer taxonomischen Überarbeitung. Dazu werden z. B. alle Tiere, Schädel, Skelette pedantisch (neu) vermessen (Morphometrie) und klassifiziert. Bei solchen Gelegenheiten kann dann auffallen, dass einzelne Tiere von den „normalen“ Werten abweichen. Dann werden sie taxonomisch neu eingeordnet. Wenn sie nicht in das bestehende System eingeordnet werden können, kann es sich um neue Arten oder Unterarten handeln. Dann kann noch eine molekulare Analyse erfolgen.
Genau so sind Helgen und seine Kollegen vorgegangen: „Here we review the taxonomic standing of all named forms of Bassaricyon based on morphological, morphometric, and molecular comparisons of voucher specimens in museums; […]“.
Eine Revision dieser Tierart war überfällig, da waren sich die Experten einig.
Und bei der Revision kam dann eben heraus, dass in den Schubladen der Sammlungen auch eine neue Art schlummerte.
Diese Form der Neuentdeckung ist gar nicht so selten. Allein 2011 und 2012 kam es zu drei neu „entdeckten“ Walen:
– einen kleinen Delphin vor Australien (Tursiops australis)
– den Bahamonde-Schnabelwal oder Bahamonde-Zweizahnwal (Mesoplodon traversii)
Außerdem wurde kürzlich eine neue antarktische Orca-Unterart klassifiziert (Orcinus orca, Type D)
Alle drei Tiere waren vorher schon häufig gesichtet worden und ihr Skelettmaterial befand sich in Museumssammlungen. Aber erst als sich ein Anfangsverdacht ergab, dass einige Schädel etwas anderes aussahen, kam es zu einer taxonomischen Revision.
Ach ja, bei den Orcas rappelt es schon wieder in der Systematik: Jetzt sind die nordatlantischen Tiere gerade in der Revision. Vermutlich sind sie längst in zwei Unterarten aufgesplittet… doch davon ein anderes Mal mehr.
Mutige Hypothese zur Entstehung des „Halb-Katze-halb-Teddybären
Die BILD-Zeitung hatte das possierliche Tierchen treffend als „Halb Katze, halb Teddybär“ beschrieben.
Möglicherweise lagen sie damit erstaunlich richtig.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, sind im Zuge der Neuentdeckung des Olinguito nämlich bahnbrechende Hypothesen zur evolutiven Entstehung dieser Spezies postuliert worden:
The Oatmeal: Cat and Teddy-bear.
Der wissenschaftliche Nachweis für diese innovative Hypothese steht zur Zeit allerdings noch aus…
: )
PS 1: Endlich konnte ich mal ein „The Oatmeal“-Blog-Zitat bringen. So eine Steilvorlage konnte ich nicht auslassen.
Herzlichen Dank an Matt und das Oatmeal-Team für die Erlaubnis, die Illustration “Cat and teddy bear” auf meinem Blog nutzen zu dürfen!
PS 2: Dass ich auf meinem Science-Blog oder auch sonst wo mal die BILD zitieren würde, hätte ich mir übrigens nie träumen lassen.
Quelle:
ZooKeys 324: 1–83, doi: 10.3897/zookeys.324.5827
“Taxonomic revision of the olingos (Bassaricyon), with description of a new species, the Olinguito”
Kristofer M. Helgen 1,†, C. Miguel Pinto 2,3,4,5,‡, Roland Kays 6,7,8,§, Lauren E. Helgen 1,|, Mirian T. N. Tsuchiya 1,9,10,¶, Aleta Quinn 1,11,#, Don E. Wilson 1,††, Jesús E. Maldonado 1,10,‡‡
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