Zwei neue Publikationen geben Einblick in das Verhalten wilder Delphine.
In beiden Fällen geht es um Große Tümmler (Bottlenose dolphins, Tursiops truncatus), die „Standarddelphine“ – um eine indopazifische Population (Westaustralien) und die schottische Population im und vor dem Moray Firth (Schottland, Nordsee).
Heute kommt der erste Teil über „Schwammtaucher“, Sonntag gibt es den zweiten Teil: über „Kindsmörder“.
Schwammtauchende Delphine vor Australien
Delphine tauchen nicht NACH, sondern MIT Schwämmen.
„Sponging“ ist eine spezielle Methode, die Große Tümmler vor der westaustralischen Küste entwickelt haben: Sie „pflücken“ sich einen passenden Schwamm auf dem Meeresgrund, den sie mit dem Schnabel aufnehmen. Mit dem Schwamm können sie dann bei der Nahrungssuche im Sand ihren empfindlichen Schnabel vor scharfkantigen Steinen und Korallestöcken etc. schützen – der Schwamm wird als „Handschuh“ eingesetzt.
Pardon, als „Schnabelschuh“.
Diese Delphine jagen dort gern auf dem Meeresboden lebende Fisch, die keine Schwimmblase haben. Dadurch geben diese nur ein schwaches akustisches Signal, so dass die Delphine nicht, wie sonst, zielgerichtet mit ihrem Sonar jagen können. Diese kleinen Grundfische sind extrem nahrhaft und darum trotzdem lohnenswert. Wenn sie mit dem Schwamm aufgescheucht werden, schießen sie schnell aus dem Sediment heraus – direkt ins geöffnete Maul der Delphine. Die Schwämme müssen übrigens alle 5 bis 6 Tauchgänge ausgetauscht werden, weil sie dann zu zerfetzt sind. Einige menschliche Wissenschaftler hatten das Schwammtauchen der Delphine experimentell nachgestellt, waren dabei aber weder annähernd so elegant noch so erfolgreich.
Dieses Verhalten ist seit 1984 bekannt und offenbar überaus erfolgreich. Vor allem Weibchen nutzen Sponging. Da sie für ihren Nachwuchs sorgen müssen, scheinen die sehr nährstoffreichen kleinen Fische, die von anderen Delphinen und Fischern verschmäht werden, für die besonders vorteilhaft zu sein.
Die Mütter zeigen ihrem Nachwuchs die Methode, das Verhalten wird also matrilinear (über die mütterliche Linie) weitergegeben. Überwiegend an Töchter, weniger oft an Söhne.
(Janet Mann, Brooke L. Sargeant, Jana J. Watson-Capps, Quincy A. Gibson, Michael R. Heithaus, Richard C. Connor, Eric Patterson (2008). Why Do Dolphins Carry Sponges? PLoS ONE, 3 (12) DOI: 10.1371/journal.pone.0003868)
In der neuen Publikation „Characterizing the socially transmitted foraging tactic “sponging” by bottlenose dolphins (Tursiops sp.) in the western gulf of Shark Bay, Western Australia.” analysieren Anna M. Kopps, Michael Kruetzen, Simon J. Allen et al., ob sich das Sponging im westlichen (WSB) und östlichen (ESB) Bereich der Shark Bay unterscheiden.
Die bisherigen Beobachtungen wurden im östlichen Bereich der Shark Bay ESB) durchgeführt.
Kopps et al haben nun das „Sponging“ im westlichen Bereich der Shark Bay untersucht.
Dazu haben sie von Booten aus innerhalb von 9 Monaten 40 „spongers“ beobachtet. Die meisten von ihnen waren Weibchen, die in einem tiefen Wasserabschnitt mit Schwämmen jagten. Die „Spongers“ haben in WSB häufiger gejagt und dabei mehr Aktivität gezeigt und weniger Ruhepausen eingelegt, als die Delphine, die ohne Schwamm jagten. In den größeren Wassertiefen waren die Gruppen jagender Delphine größer, als in den flachen Meeresabschnitten – vielleicht wegen der größeren Anzahl von „Feinden“ (Prädatoren). Als andere Erklärungsmöglichkeit nennen sie, dass die Beutefische dort weniger dicht leben.
Mein Kommentar:
Die neuen Untersuchungen bringen keine soooo überwältigenden neuen Ergebnisse. Wichtig wäre eine sehr detaillierte Kartierung der vorhandenen Beute gewesen. Wenn „Spongers“ mehr Zeit und Energie für die Jagd aufwenden, worin besteht dann noch ihr Vorteil dieser Jagdmethode?
Und warum soll eine stärkere Verteilung der Beute zu größeren Delphingruppen führen?
Das wird leider nicht erklärt.
Aber: Schwamm ´drüber:
Das Paper ist eine schöne Gelegenheit, diese etwas abgefahrene Schwamm-Taucherei hier mal vorzustellen.
Interessant ist auch, dass die Zahnwale ein anderes Tier – den Schwamm -benutzen, aufbrauchen und dann wegwerfen.
Quelle:
https://onlinelibrary.wiley.com/journal/10.1111/(ISSN)1748-7692/earlyview
(Leider ist nur der abstract frei zugänglich).
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