Heute geht es mal um Haie.
Der Bericht einer Haiexperten-Gruppe hat gerade gezeigt, dass ein Viertel Viertel aller Hai- und Rochenarten weltweit vom Aussterben bedroht sind.
Der Bericht ist von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben.
Durch ein Gespräch mit meiner Studienkollegin und langjährigen Freundin Heike habe ich die Tragweite erst richtig erfasst. Wir haben also gemeinsam einen Beitrag geschrieben und ein ergänzendes Interview gemacht (das gibt es erst morgen).
Artenschutz ist ein schwieriges Thema, weil oft mit Schätzungen und Extrapolationen gearbeitet werden muss. Ich bin im vorliegenden Fall aber fest davon überzeugt, dass diese Haischützer nicht grundlos Alarm schlagen, sie haben Jahrzehnte mit den Tieren gearbeitet und kennen “ihre” Bestände recht genau. Wir sollten die Ergebnisse dieses Berichts sehr ernst nehmen!
Eine neue, erschreckende Studie der IUCN (International Union for Conservation of Nature = Weltnaturschutzunion) zeigt: Ein Viertel aller Hai- und Rochenarten weltweit sind vom Aussterben bedroht!
Die Flossen der Haie und die Kiemen der Rochen sind kostbare Zutaten für Haiflossensuppe und traditionelle chinesische Medizin. Auch das Fleisch der Tiere wird gegessen, das Öl zu Lebertran verarbeitet und Haut und Knorpel zu vielen anderen Produkten verarbeitet.
Über zwei Jahrzehnte lang hat die Hai-Expertengruppe der IUCN alle Fakten über den Gefährdungsstatus von mehr als 1,000 Knorpelfischarten zusammengetragen: Vorkommen und Verteilung der Arten, Lebensraumnutzung, Fangzahlen, Maßnahmen zum Fischereimanagement, Bedrohungen und Schutzbemühungen. Auf der Basis dieser umfassenden Datensammlung konnten sie den Gefährdungsstatus von Knorpelfischen, also Haien, Rochen und Chimären, bewerten.
Das Ergebnis der mehr als 300 Experten war erschreckend: Von 1041 bewerteten -Arten sind 249, also etwa ein Viertel, bedroht (Nicholas K. Dulvy et al: „Extinction risk and conservation of the world’s sharks and rays”)
Die „Rote Liste“
Die IUCN bewertet aufgrund aller Informationen den Status von Arten und ordnet sie in 10 Kategorien ein. Die Kategorien „vom Aussterben bedroht“ (CR: Critically Endangered), „stark gefährdet“ (EN: Endangered) und „gefährdet“ (VU: Vulnerable) bezeichnen die gefährdeten Arten.
Die potenziell gefährdeten Arten (NT: Near Threatened) sind (noch) nicht gefährdet. Die Schwellenwerte werden aber nur knapp unterschritten, die Arten könnten in naher Zukunft in die Gefährdungsstufen kommen.
Andere Kategorien sind entweder für bereits ausgestorbene Arten vorgesehen oder für nicht unmittelbar gefährdete. Kann die Gefährdung einer Art aufgrund der unzureichenden Daten nicht beurteilt werden, erhält sie die den Status „ungenügende Datenlage“ (DD: Data Deficient). Aus all diesen Informationen erstellt die IUCN die Rote Liste gefährdeter Arten – ein grundlegendes Instrument im Dienst des weltweiten Artenschutzes.
Entsprechend dieser Klassifizierung sind
– 107 Rochenarten und 74 Haiarten „gefährdet“ (CR, EN,VU)
– 132 Arten sind „potentiell gefährdet“ (NT)
Die Experten haben insgesamt nur ein Drittel als „nicht gefährdet“ bewertet. Das ist, der niedrigste Anteil an nicht unmittelbar gefährdeten Arten aller Wirbeltiergruppen!
Bei 132 Arten konnten sie wegen der ungenügenden Datenlage keine Aussage treffen. Sie gehen aber davon aus, dass ein ähnlich großer Prozentsatz der Arten gefährdet ist.
Insgesamt sind 249 Arten – also ein Viertel aller Arten – gefährdet!
Haie und Rochen – biologische Fakten
Haie und Rochen schwimmen seit 420 Millionen Jahren in unseren Ozeanen.
Durch das Aussterben von Hai- und Rochenarten würde die Erde Arten verlieren, die eine einzigartige Evolution durchlaufen haben. Knorpelfische sind Repräsentanten einer langen Ahnenreihe, die bis in die Tiefen der Wirbeltierentwicklung zurückreicht. Urhaie und –rochen waren (neben den Placodermen) die ersten Wirbeltiere, die Kiefer und ein Gehirn entwickelt haben. Daneben haben Haie auch ein plazentaähnliches Organ und ein Immunsystem, deren Entstehung wahrscheinlich ebenfalls sehr früh in der Erdgeschichte fiel.
Hai- und Rochenarten sind besonders anfällig für Bedrohungen, weil sie spät geschlechtsreif werden, ein hohes Lebensalter erreichen und sich nur in geringer Anzahl fortpflanzen.
Besondere Schwerpunkte der Überfischung von Haien und Rochen liegen im indo-pazifischen Raum, hier besonders im Golf von Thailand, im Mittelmeer und im Roten Meer. Fischerei und Lebensraumzerstörung tragen am meisten zur Gefährdung von Arten bei. Dabei sind Haie und Rochen in flachen Gewässern stärker gefährdet als Tiere der Hochsee, weil hier der menschliche Einfluss durch Fischerei und Umweltzerstörung am höchsten ist.
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