Frau Dipl.-Biol. Heike Zidowitz ist Vorsitzende der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft und Ko-Vorsitzende der Hai-Expertengruppe der Regionalgruppe für den Nordostatlantik der Weltnaturschutzunion).
Dieses Interview ergänzt den meertext-Artikel “Ein Viertel aller Hai- und Rochenarten weltweit sind vom Aussterben bedroht – wegen Haiflossensuppe und “Medizin“.
meertext: Was muss jetzt dringend passieren?
„Alle kommerziellen Hai- und Rochenfischereien müssen nachhaltig fischereiwissenschaftlich bewirtschaftet werden. Insbesondere in internationalen Gewässern ist die Regulierung über sogenannte Regionale Fischereimanagement-Organisationen, wie die Internationalen Thunfischkommissionen, dringend geboten. Arten, die bereits gefährdet sind (siehe oben CR und EN), müssen geschützt werden und Wiederherstellungspläne zur Erholung ihrer Bestände erstellt werden.
Weiterhin müssen dringend zeitnah und akkurat erstellte Fangdaten, d.h. bis auf das Artniveau bestimmt und nicht mehr in grobgefassten Gruppen, den entsprechenden Behörden und Gremien berichtet werden. Alle bereits vorhandenen wissenschaftlichen Empfehlungen für das Management von kommerziell genutzten Arten und den Schutz gefährdeter Knorpelfische und ihre Lebensräume, müssen umgesetzt werden und, dort wo geboten, Maßnahmen nach dem Vorsorgeprinzip eingeleitet werden. Wo noch nicht vorhanden, sollten umfassende Haiaktionspläne entwickelt werden. Maßnahmen zur Beifangreduzierung sollten gefördert und Beobachterprogramme von Fischereien verstärkt werden.“
meertext: Was können wir (Europäer, Nordamerikaner tun)?
„Wir können unsere Regierungen dazu auffordern, sich mehr für eine nachhaltige Fischerei und den Schutz von gefährdeten Haien und Rochen einzusetzen, indem man sich bei einer der vielen Haischutzorganisationen engagiert oder deren Aktivitäten, wie Petitionen und Aktionswochen, unterstützt.
Der Flossenhandel wird aus allen Teilen der Welt gespeist und solange diese Fischereien nicht einem wissenschaftlichen Fischereimanagement unterliegen, werden Bestände nicht nachhaltig bewirtschaftet. Ein funktionierendes und dem Vorsorgeprinzip verschriebenes Management der Fischereien in unseren Gewässern, kann auch den Handel nach Asien indirekt regeln.
In der EU sind vor allem die am meisten befischten Arten, wie Blau-, Mako-, Glatt- und Katzenhaie, nach wie vor keiner Fanggrenze unterworfen. Viele dieser Fänge werden auch als Fleisch in der EU vermarktet. Die Nachfrage für die Produkte kann sicherlich durch Konsumenten hierzulande weiter gesenkt werden. Weitere Ideen zum eigenen Beitrag im Haischutz findet man hier: https://europeansharkweek.elasmo.de/european-sharkweek/beitrag-zum-haischutz/”
meertext: Ist Finning in Europa nicht mittlerweile verboten?
„Finning ist in der EU, wie in ca. 70 anderen Ländern und den Regionalen Fischereigremien, verboten, aber in vielen Ländern ist der Standard der Fischereiaufsicht schlecht und die Umsetzung lückenhaft. Seit 2013 gilt in der gesamten EU und für alle EU-Schiffe weltweit die Ganzkörperanlandung. Haie dürfen entsprechend nur mit ihren Flossen am Körper angelandet werden, was als das beste und effektivste Finningverbot anzusehen ist. In den USA gilt auch die Ganzkörperanlandung, es ist jedoch für eine Glatthai-Art (Mustelus canis) eine höchst zweifelhafte und viel zu großzügige Ausnahme enthalten.“ https://www.southernfriedscience.com/?p=16498
meertext: Welchen Einfluss haben wir auf die asiatischen Märkte?
“Keinen großen, einige dort ansässige bzw. internationale Organisationen versuchen die Konsumenten über die Herkunft von den Produkten und die Situation der Haibestände aufzuklären und rufen zur Reduzierung der Nachfrage nach diesen auf. Das zeigt mittlerweile Wirkung: Immer mehr, vor allem junge, Menschen in Asien entscheiden sich bei ihren Festivitäten bewusst gegen Haiflossensuppe und viele Prominente unterstützen die Kampagnen der Naturschutzorganisationen. Es sollen sich auch Kürzungen von Ausgaben für Staatsbankette in China bereits in den Absatzzahlen bemerkbar gemacht haben, allerdings bleibt abzuwarten, ob dies so bleibt und ob dies wirklich die Rettung bedeutet.
Unsere Aufgabe ist es, die Hai- und Rochenfischereien in unseren Gewässern umfassend nachhaltig zu gestalten und vor allem Wiederherstellungspläne erfolgreich durchzuführen, sodass sich die Bestände erholen und die Nachfrage der asiatischen Länder nicht weiterhin unsere Bestände belasten und die Arten an den Rand der Existenz bringen.“
meertext: Knorpelfische bestehen aus den Haien, Rochen und Chimären.
Werden Chimären auch befischt?
“In einem geringen Umfang schon, aber keine der Chimärenarten wurde bisher als gefährdet eingestuft, da ihr Vorkommen fast in der gesamten Gruppe auf das Tiefwasser oder die Tiefsee beschränkt ist und dort keine flächendeckende Fischerei vorherrscht, wie wir es aus flachen Schelfgebieten kennen. Drei Chimären sind als nicht gefährdet (LC: Least Concern) eingestuft – für die anderen dürften nicht genügend Daten vorliegen, um eine Aussage treffen zu können (DD: Data Deficient).“
(Noch einmal: Ein Riesen-Dankeschön an Dipl.-Biol. Heike Zidowitz, die mich auf das Thema aufmerksam gemacht hat und für ihre unschätzbare Hai-Sachkenntnis, ohne die dieser Beitrag nicht erschienen wäre).
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