Ein opalisierendes Aufblitzen im Meer – eine Halluzination? Oder ein irritierter Sonnenstrahl?
„When I first saw a sea sapphire I thought I was hallucinating.” schreibt der Biologe R. R. Helm. Mit dem Beitrag “The most beautiful animal you’ve never seen” und dem phantastischen Video hat mein Lieblings-Blog Deep Sea News mal wieder den Vogel abgeschossen.
Oder eher den Ruderfußkrebs (Copepoden).
Video:
Sappphirina in Aktion: Octopod? Copepod?
Helm saß in einem kleinen Boot vor der südafrikanischen Küste vor Durban und fischte mit einem kleinen Netz nach Plankton. Außerdem hat man viel Zeit (zwischen den „Hols“) und keine andere Ablenkung. Das ist eine großartige Gelegenheit für ungewöhnliche Beobachtungen – man sitzt direkt an der Wasseroberfläche und kann den Meeresbewohnern praktisch ins Wohnzimmer gucken.
Helm ging also seiner Planktonfischerei nach, füllte die winzigen schwebenden Organismen in kleine Probengefäße ab und sah plötzlich einen blauen Blitz. Dann blitze es an anderer Stelle – und wieder. Der erfahrene Plankton-Experte konnte den Blitz richtig einordnen: Ein kleiner, planktischer Krebs hatte das blaue Blitzen produziert: Der Seasapphire („Meeressaphir“) oder das Saphirkrebschen.
Meeressaphire – klein, aber oho
Diese kleinen Ruderfußkrebse der Gattung Sapphirina leben weltweit in den Ozeanen. Sie sind meistens nur wenige Millimeter klein und kommen in großen Mengen vor, eine wichtige Nahrungsgrundlage für unzählige andere Arten. Die meisten von ihnen sind nicht Aufsehen erregend – die Meeressaphire sind eine Ausnahme. Es gibt viele verschiedene Arten, die Lichtblitze unterschiedlichen Farben aussenden. Sie kommen unter anderem vor der afrikanischen Küste, aber auch vor der Ost- und Westküste der USA vor. “When they’re abundant near the water’s surface the sea shimmers like diamonds falling from the sky.” zitiert Helm einen Kollegen. Darum haben die japanischen Fischer auch einen sehr poetischen Namen für die kleinen Leuchtkrebse: “tama-mizu”, Juwelen-Wasser.
Krebs mit Blaulicht
Warum hat der Krebs ein Blaulicht?
Erstens: Nur die Männchen senden Lichtblitze aus (Wer hätte DAS gedacht?)
Zweitens: Die Männchen leben im freien Wasser. Die Weibchen hingegen residieren in Glaspalästen. Naja, eigentlich eher in Geleepalästen. Sie sitzen nämlich in den tönnchenförmigen gelatinösen hohlen Körpern von Salpen. Eine parasitierende Prinzessin im Kristallpalast.
https://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?fromPage=online&aid=4323596
Gut geschützt, aber auch mit mangelhaftem Ausblick. Salpen sind zwar ziemlich durchsichtig und Copepoden haben auch ganz gute Komplexaugen-Systeme, aber die Sicht ist eben doch suboptimal. Also müssen die Saphir-Männchen etwas stärker das Licht aufdrehen, um ihre Prinzessin im Glaspalast auf sich aufmerksam zu machen. Über das Verhalten dieser Ruderfußkrebse ist wenig bekannt, auch wissen wir nicht, wie sie ihre Umwelt sehen. Da kann man bis jetzt nur Vermutungen anstellen.
Woher kommt das Lichtsignal?
Das Lichtsignal basiert auf der raffinierten Mikrostruktur des Krebspanzers: In den Zellen sind winzige Kristalle eingebettet. Bei den blauen Saphirkrebschen sind die Abstände zwischen den Kristallen nur 40 Tausendstel Millimeter groß – das entspricht der Wellenlänge von blauem Licht! Wenn nun blaues Licht auf die Kristallplättchen trifft, so wird es bei der Reflexion durch Interferenz verstärkt, während andere Wellenlängen ausgelöscht werden. Es handelt sich also um eine Strukturfarbe: die Farbigkeit entsteht durch Lichtreflexion an Strukturen des Tieres, nicht durch Pigmente. Bei chitingepanzerten Insekten und Krebsen aber auch bei Vogelfedern sind solche Strukturfarben sehr häufig. Eine ähnliche Lichtbrechung kann man auch auf Öllachen beobachten.
Da der Meeressaphir, als typisches Plankton, ansonsten nahezu durchscheinend ist, blitzt er in einem Moment blau auf, um im nächsten unsichtbar zu sein.
Auch andere Krebsen können solche blauen Blitze aussenden: Die Leuchtkrebschen Euphausiaceen – die bekannteste Art ist der antarktische Krill Euphausia superba.
Bei einer Mittelmeerexkursion hatte eine Kommilitonin mir ein Leuchtkrebschen vorgeführt, das sogar in einer Petrischale noch ein kleines Lichtspektakel veranstaltete: ein blauer Blitz.
Der Ozean hat noch andere leuchtende „Sterne“ in seinen samtigen Tiefen: Auch das Meeresleuchten ist ein unvergessliches Erlebnis (Ihr Lichtblitzen wird allerdings von den Organismen selbst produziert.)
Und das gibt es sogar bei uns in der Nordsee.
Spektralfarbenspiele und Bioluminiszenz sind ein ganz besonderes Spektakel: Geheimnisvoll. Unvergesslich.
Ein Grund me(e)hr, mal wieder ans Meer zu fahren.
Plankton – das „Schwebende“
Die Planktonforschung ist maßgeblich von deutschen Meeresbiologen entwickelt worden.
Plankon bedeutet das „Umherirrende“, das „Schwebende“) und bezieht sich darauf, dass die meist kleinen Organismen zu wenig Masse und Muskelkraft haben, um aus eigener Kraft entgegen den Wasserbewegungen zu schwimmen. Sie werden mit den Strömungen verdriftet. Trotzdem können sie aktiv in der Wassersäule auf- und absteigen und kleine Strecken zurücklegen.
Als einer der ersten Biologen hatte Ernst Haeckel Plankton-Organismen wie Medusen und Ruderfußkrebse, Krebslarven und Einzeller gezeichnet und ihre phantastischen Formen erstmals einem größeren Publikum zugänglich gemacht (Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur, 1899 bis 1904).
Die Planktonforschung wurde als systematische Wissenschaft vor allem von Meeresbiologen der Biologischen Anstalt Helgoland entwickelt: Johannes Peter Müller untersuchte ab 1846 auf Helgoland planktische Lebensformen, die er damals allerdings noch als „Auftrieb“ bezeichnete. Der Kieler Meeresbiologe Victor Hensen, leitete dann 1889 die wissenschaftliche Expeditionen, die sich nur mit Plankton beschäftigte (Wikipedia). Er hatte 1887 den Begriff „Plankton“ eingeführt und entwickelte spezielle Netze zum Planktonfang.
Weitere Quellen:
Helm, R. R. : The most beautiful animal you’ve never seen (Deep Sea News), 20.02.2014
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