Einige kleine Presseartikel und eine wissenschaftliche Publikation haben mich Mitte dieser Woche zu einigen Freudensprüngen gebracht. Und zum Nachdenken.
Der „Hügel der Wale“ ist mir ein paar Blogeinträge wert!
Hier ist ein Video zu dieser phantastischen Entdeckung:

Kurzer Überblick: Eine Straßenbaustelle und 40 tote Wale in der chilenischen Wüste

Cerro-Ballena-Furchenwal-Skelett

Cerro-Ballena-Furchenwal-Skelett

(Der größte Teil dieses Beitrags und die Bilder stammen von der richtig guten Website Cerro Ballena. Dafür großes Lob und herzlichen Dank an die Arbeitsgruppe!).
Cerro Ballena – der „Hügel der Wale“ – ist eine weitere, phantastische Fundstelle für fossile Wale und andere Meeresbewohner an der Pazifikküste Südamerikas, in Chile.
Bisher waren einige solcher Wal-Friedhöfe aus der peruanischen Pisco-Formation bekannt.

Große und kleine, junge und alte Wale, Robben, Haie, Schwertfische und ein im Meer lebendes Faultier liegen hier  im Tode friedvoll vereint, bedeckt von einem Leichentuch aus feinkörnigem Sand.
Die Atacama-Wüste hat hier über die Jahrmillionen einen wahren Schatz bewahrt: Mindestens 40 große Wale liegen extrem dicht und hervorragend erhalten beieinander.
Sie sind die Opfer eines Massensterbens von über 6 Millionen Jahren!
Eine Straßenbaustelle brachte 2010 den Walfriedhof zum Vorschein.
In dieser Woche ist eine erste Publikation zu dieser Fossil-Lagerstätte erschienen:
Nicholas D. Pyenson und seine Kollegen haben nach einer Erklärung für das Massensterben gesucht: Sie vermuten als Todesursache  eine Giftalgenblüte!

Ein Team aus chilenischen und US-amerikanischen Paläontologen und Grabungsexperten musste wegen der Baustellen-Situation schnell handeln. Mit einer neuartigen Technik einer 3 D-Dokumentation im Außeneinsatz haben sie die Fossilien dreidimensional in ihrer Fundposition dokumentierten, danach konnten die kostbaren Walskelette ausgegraben und in Museen gebracht werden. Und die Straße konnte weiter gebaut werden.
Nicholas D. Pyenson, Carolina S. Gutstein et al: “Repeated mass strandings of Miocene marine mammals from Atacama Region of Chile point to sudden death at sea”; Published 26 February 2014 doi: 10.1098/rspb.2013.3316 Proc. R. Soc. B 22 April 2014 vol. 281 no. 1781 20133316 (Freies Download!)

Das Smithsonian hat schon eine Menge Material online gestellt, darunter eine exquisite Übersichtskarte der Fundstätte, Bildmaterial, einen Film und die Original-Publikation zum Download.
Die Übersichtskarte ist das das Ergebnis der digitalisierten 3D-Dokumentation.

(Dies ist nur eine erste, kurze Zusammenfassung, im Anschluss und weiteren Beiträgen gibt es mehr Informationen zum Weiterlesen.)

 

Highway zum Walfriedhof: Die Entdeckung

Cerro Ballena liegt am Pan-American Highway, nördlich der Stadt Caldera am südlichen Rand der Atacama-Wüste.
Die ersten Fossilien kamen zum Vorschein, als eine neue Straße durch einen Hügel getrieben wurde. Aus den Sandsteinwänden entlang der Straßentrasse guckten einige Walknochen heraus, dadurch erhielt die Lokalität ihren Namen „Cerro Ballena“, der „Hügel der Wale“.

2010 hat das Bauunternehmen Sacyr Chile S.A., den Durchstich erweitert um eine weitere Fahrbahn zu bauen, dabei deckten sie immer mehr Fossilien auf. Allmählich wurde klar, dass hier ein ganzer Walfriedhof im Wüstensand lag.  Ende 2011 kam dann ein Team aus Paläontologen aus Chile und dem US-amerikanischen Smithsonian um die Überreste erstmals zu dokumentieren und setzte dabei einen neue 3D-Technik ein. 2012 publizierte das Smithsonian-Magazin einen kurzen Artikel über die eingesetzte 3-D-Technik, um die Fossilien im Wettlauf gegen die Baustelle zu retten: „Wie zwei Laser-Cowboys den Tag retteten“.

Das Team fand 10 verschiedene Arten von Meeresbewohnern, darunter verschiedene Walarten, Schwertfische, Robben, ein im Meer lebendes Faultier und Haie.
Die Skelette von mehr als 40 großen Bartenwalen beherrschten die Fundstelle.
Daneben fanden sie auch die Reste eines ausgestorbenen Pottwals und des geheimnisvollen Walroßwals (Odobenocetops), beide waren bisher nur von den (ebenfalls überwältigenden) peruanischen Fossilfundstellen aus der Pisco-Formation bekannt. Eine der drei Robbenfossilien ist eine neue Art, die noch vollständig beschrieben werden muss.

Diese Meeresbewohner lagen in insgesamt vier verschiedenen Schichten (Horizonten), es hat also vier Massenstrandungen gegeben (dazu später mehr). Die gesamte fossilführende Sedimentschicht ist etwa 9 Meter mächtig, sie hat sich vor  sechs bis 9 Millionen Jahren innerhalb von nur 10000 bis 16000 Jahren abgelagert. Die Paläontologen meinen, dass Cerro Ballena ein flaches Küsten-Ökosystem im Einfluss der Gezeiten war.
(Quelle: https://cerroballena.si.edu/content/faq)


Warum ist die Fundstelle von so großer Bedeutung?

  • Cerro Ballena ist die dichteste Ansammlung von fossilen Walen und anderen ausgestorbenen Meeres-Säugern weltweit!
    Pyerson und seine Kollegen vergleichen sie mit den Teergruben von La Brea (La Brea Tar Pits) oder dem Dinosaur National Monument in den USA. (Eine ähnlich bedeutende deutsche Fundstelle wäre die Grube Messel.)
  • Dies ist das weltweit erste Beispiel für wiederholte Massenstrandungen an einem Ort in der fossilen Überlieferung.
    Cerro Ballena hat Meerestiere erhalten, die heute noch vorkommen, wie große Furchenwale Robben, Haie und Schwertfische. Daneben liegen hier aber auch ausgestorbene und exotisch anmutende Meerestiere wie der Walroßwal und das im Meer lebende Faultier. Diese Fossillagerstätte ist also ein Schaufenster in die Zeit eine Paläo-Ökosystems, das es heute nicht mehr gibt. (Dazu später mehr).
  • Durch Katastrophen verursachte Massensterben (Catastrophic mass death assemblages) sind im Fossilienbefund nicht häufig, noch viel seltener sind Hinweise auf mögliche Todesursachen („smoking gun“) zu finden.
    (Das stimmt so nicht, denn viele Fossilienlagerstätten sind aufgrund von Katastrophen entstanden – von Überschwemmung über Vulkanausbruch bis zum Kippen des Ökosystems – Bettina Wurche).
    In diesem Fall vermuten die Wissenschaftler Giftalgenblüten (dazu später mehr)
  • 3D-Technologie ermöglichte eine zeitnahe Lösung zur Dokumentation der Fossilien und ihrer Fundumstände, ohne den Verlust von Daten zu riskieren.
    jetzt kann jeder, der einen Internetanschluss hat, sich die digitalisierte Fundstelle ansehen und beobachten, welche Informationen die Paläontologen aus Chile und vom Smithsonian sammeln.

(Quelle: https://cerroballena.si.edu/content/faq)


Definition von Fossillagerstätte:
Eine Fossillagerstätte ist eine Sedimentgesteinseinheit, mit

  • einer besonders hohen Fossilienhäufigkeit, -vielfalt und -dichte
    oder/und
  • einer besonders vollständigen Erhaltung der Fossilien.

Konzentratlagerstätten und Konservatlagerstätten:
(https://www.geodz.com/deu/d/Fossillagerst%C3%A4tten)
Im englischen Sprachraum ist dafür der Begriff „Lagerstätte“ üblich.
(Im Deutschen bedeutet der bergbautechnische Begriff Lagerstätte nur ein abbauwürdiges Rohstoff-Vorkommen (Minerale, Erze, Kohle, Gas, Öl), jedoch keine Fossilienfunde.

Kommentare (6)

  1. #1 Trottelreiner
    2. März 2014

    Das ist jetzt etwas off-topic, aber ich habe gerade das hier gefunden:

    https://www.theregister.co.uk/2014/02/28/seaorbiter_vessel/

    Noch jemand der Meinung, daß das Teil Belafonte getauft werden sollte? 😉

  2. #2 Trottelreiner
    3. März 2014

    BTW muß ich gestehen, daß ich zunächst die vermutete Ursache für die Massenstrandung interessanter fand als den Fund an sich; den Eindruck, das die Westküste Südamerikas eine Schatzkammer für fossile Wale ist hatte ich schon länger, und von den aquatischen Verwandten von Sid dem Faultier hatte ich auch schon einmal gehört.

    Gibt es eigentlich Untersuchungen, inwiefern Algenblüten bei heutigen Massenstrandungen eine Rolle spielen? Wobei das ja nicht unbedingt ein direkter toxischer Effekt sein muß, eine besonders eklige Art der Vergiftung könnte ja z.B. durch Domoinsäure

    https://de.wikipedia.org/wiki/Domoinsäure

    verursacht werden, die zum “amnesic shellfish poisoning” führt

    https://en.wikipedia.org/wiki/Amnesic_shellfish_poisoning#Possible_animal_effects

    und eine Art Sofortdemez hervorruft, die erst nach ein paar Wochen zum Tod führen könnte. In einem Buch über Tiergifte (jaja, meine Privatbibliothek…) werden ein paar recht unangenehme Fälle beschrieben.

    Da die entsprechenden Algenblüte mit dem Nährstoffeintrag zusammenhängen bedeutet daß BTW nicht, daß der Mensch als Verursacher damit ganz raus wäre…

  3. #3 Bettina Wurche
    3. März 2014

    @ Trottelreiner: Lauter gute Fragen, die ich auch hatte.
    Möglichkeit 1: Schon mal selber lesen
    https://cerroballena.si.edu/
    Da ist die Publikation zum freien Download
    Möglickeit 2: noch etwas warten : )
    Ich werde natürlich noch darüber schreiben, aber das wird ein paar Tage dauern, vielleicht erst übernächste Woche.

    Ja, die Publikation ist in sich schlüssig, es sind sogar Präzedenzfälle für rezente Bartenwale angegeben, die sogar ich nicht kannte. Ich war zunächst sehr skeptisch wegen der Algenblüte, aber die haben wirklich gut nachgedacht beim Schreiben. Und die Fundsituation gibt eine so detaillierte Analyse auch her.

  4. #4 Bettina Wurche
    3. März 2014

    SeaOrbiter soll endlich gebaut werden? Danke für die Info! Das ist ein wirklich interessantes Projekt, allerdings nicht mehr so ganz neu. Ich hatte immer befürchtet, es sei zu visionär für diese Welt.
    Es würde mich riesig freuen, wenn es klappen solte – da würde ich ja tierisch gern mitreisen. Und natürlich täglich bloggen. Auf See ist immer viel zu erleben : )

  5. #5 Trottelreiner
    4. März 2014

    @Bettina:
    Leider scheint es beim SeaExplorer nur um das erste Teilstück zu gehen, aber das ist zumindest schon einmal ein Anfang.

    Ach, alleine schon vor dem (hoffentlich einwegverspiegelten) Bullauge ein Bad nehmen und dabei den Walgesängen lauschen, hoffentlich haben sie im SeaExplorer keine deutschen Nihilisten…

  6. #6 biotec4u
    24. Januar 2017

    … auch die Elefanten kennen ihren Weg zum Friedhof – den wir alle gehen müssen …

    Leben ist auch Sterben mit RIP – biotec4u